Zum Abschied schrieb Hansi Flick bei strahlendem Sonnenschein Autogramme und zwang sich ein Lächeln ab. Das öffentliche Training nach der offenbarenden 1:4-Blamage seiner wieder von Japan gedemütigten Fußball-Nationalmannschaft war am Sonntag der letzte Auftritt des 58-Jährigen als Bundestrainer. Gegen Vize-Weltmeister Frankreich an diesem Dienstag in Dortmund übernehmen interimsweise die beiden Sportdirektoren Rudi Völler, 19 Jahre nach dessen Rücktritt als Teamchef, und Hannes Wolf sowie Ex-Nationalspieler Sandro Wagner.
"Hansi Flick hat sich aufgerieben in den zurückliegenden Monaten", sagte Völler und meinte: "Das Japan-Spiel hat uns klar gezeigt, dass wir in dieser Konstellation nicht mehr weiterkommen."
Die Gremien seinen sich einig gewesen, "dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf laut Mitteilung. "Wir brauchen mit Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land eine Aufbruchstimmung und Zuversicht. Für mich persönlich ist es eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner bisherigen Amtszeit."
Nachfolger soll "zeitnah" gefunden werden
Das Trio um den einstigen Publikumsliebling Völler soll nur gegen die Franzosen übernehmen. Der sportliche Erfolg habe "oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich", sagte Neuendorf. Ein Nachfolger Richtung Heim-EM 2024 soll laut Verband "zeitnah" präsentiert werden.
"Die dringlichste Aufgabe wird es danach sein, einen Bundestrainer zu verpflichten, der kurzfristig unsere Mannschaft neu ausrichtet und auf das große EM-Turnier im kommenden Jahr vorbereitet, von dem wir alle uns für den deutschen Fußball und auch für unser ganzes Land positive Impulse erhoffen", sagte Völler.
Laut der "Bild"-Zeitung und der Funke-Mediengruppe soll sich der DFB jetzt sehr um Julian Nagelsmann bemühen. Der 36-Jährige war beim FC Bayern vom Hof gejagt worden und ist auch vertraglich noch an die Münchner gebunden. Alles eine Frage des Geldes. Gehandelt werden mehrere Namen, klar war in der öffentlichen Meinung seit Samstagabend nur, dass Flick endgültig nicht mehr der Richtige sei.
Desolater Zustand der DFB-Elf
"Ich finde, wir machen es gut, und ich bin der richtige Trainer." Das war der Satz von Flick, der bleiben wird von diesem Wochenende in Wolfsburg, an dem die tiefgreifenden Probleme, die Risse und der desolate Zustand der DFB-Auswahl deutlich wurden wie beim desaströsen Vorrunden-Aus bei der WM vor neun Monaten in Katar. Damals hatte der DFB an Flick festgehalten, verbessert hatte sich seitdem nichts - im Gegenteil. Drei Niederlagen nacheinander gab es zuletzt vor knapp 40 Jahren.
Und so wirkte das Trainingsgeschehen in dem kleinen Stadion in den grün-weißen Wolfsburger Farben surreal. Das Trainerteam spulte das Programm für die Reservisten ab wie an jedem anderen Tag. Die Stammspieler um Torwart Marc-André ter Stegen, der trotz vier Gegentoren noch Deutschlands Bester gewesen war, zeigten sich den offiziell 2376 Fans und zogen sich dann ins nahegelegene Teamhotel zurück. Die Nationalmannschaft bereitete sich auf Frankreich vor.
"Das werden wir auch weiter tun, da gibt es nichts dran zu deuteln", hatte Flick am Samstagabend noch gesagt. "Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deswegen geht es auch so weiter für mich." Es kam anders. Wie im Jahr 2000, als Völler in einer tiefen Krise eingesprungen war, setzt sich der einstige Weltmeister auch jetzt wieder auf die Bank.
Der Bundestrainer, seine wieder von ihm mit Experimenten überforderte Mannschaft, der DFB - das Gesamtbild war trotz der schönen Bilder am Sonntagvormittag neun Monate vor der Heim-EM besorgniserregend. Völler sprach vor dem Training zu den Fans, sagte, es sei "selbstverständlich, dass wir uns hier stellen". Flick sagte da schon gar nichts mehr.