Lukas Podolski Der große Prinz

Von Oliver Trust, Klagenfurt
Ausgerechnet "Prinz Poldi" versetzt die Deutschen in EM-Euphorie. Gewogen, und für zu leicht befunden, lautete das Vorurteil nach einer quälenden Saison bei Bayern München. Doch in der Nationalelf blüht Lukas Podolski wieder auf und erwirbt sich mit seinem stillen Jubel ungeahnten Respekt.

Manchem gilt Lukas Podolski als junger, fröhlicher, unbekümmerter und manchmal sogar frecher junger Mann, dessen Taten und Aussagen man nicht immer sehr ernst nehmen muss. So kamen einmal Zweifel an der Standfestigkeit seiner Kölner Seele auf, als er offenbarte, kein "Kölsch" zu trinken.

Wo das Anderen im Rheinland doch fast als Muttermilchersatz gilt. 2006 bekam Podolski dann einen "Deutschen Fussball Kulturpreis" für den "Fussballspruch des Jahres". "So ist Fussball. Manchmal gewinnt der Bessere", hatte er gesagt. Kultur und Podolski, darauf wäre man so schnell nicht gekommen.

Verwandter im Stadion

Dieser Lukas Podolski, den man vorschnell als flatterhaft und oberflächlich einstuft, schafft es immer wieder, sein Publikum ordentlich zu überraschen, manchmal mit Toren und manchmal mit fundamentalen Erkenntnissen der Fußballwelt, die er in unüberhörbarem "Originalton Rheinland" wie ein Entertainer serviert.

Diesmal aber, im Juni 2008 in Klagenfurt, war es etwas ganz anderes mit dem Podolski überraschte. Und, man hätte ihm das gar nicht zugetraut: Er schoss zwei Tore in einem Spiel der Euro 2008 und jubelte nicht. "Ich habe eine große Familie in Polen, da muss man Respekt zeigen", sagte er und es herrschte zuerst einmal Stille um ihn herum. Er stieg gleich nach dem Spiel auf die Tribüne hinauf und umarmte seine Verwandten. "Die sind am gleichen Abend wieder zurück gefahren", berichtete der "Man of the Match" nach seinen beiden Toren im EM-Auftaktspiel der DFB-Auswahl gegen Polen.

Nah der Heimat

Lukas Podolski wurde in Polen geboren. In Gliwice oder Gleiwitz in Schlesien. Am 4. Juni 1985. Seine Eltern, sein Vater Waldemar war selbst Fußballprofi, wanderten 1987 als Spätaussiedler nach Deutschland aus. Podolski Junior war zwei Jahre alt und landete in Bergheim. Und schon was seine "zweite Heimat" anging, zeigte Podolski eine tiefe Verbundenheit. So tauchte er im Sommer 2007 zum 100-jährigen Jubiläum seines ehemaligen Klubs Bergheim 07 auf. Auf so ziemlich jeder Internetseite, die mit Bergheim zu tun hat, taucht sein Name auf.

Jetzt stand er zweimal auf der Anzeigetafel in Klagenfurt. Wieder etwas, was man ihm kaum zugetraut hätte nach der verkorksten Saison bei Bayern München. "Aus Respekt vor den Menschen dort habe er nicht gejubelt", meinte Podolski und trug das verschwitzte Trikot von Polens Mittefeldspieler Mariusz Lewandowski bei sich.

Gerne auf dem Flügel

Zehn Karten für Verwandte und Freunde hatte Lukas P. besorgt, damit sie die EM-Partie live im Stadion verfolgen konnten. Beim ersten Tor jubelte Podolski gar nicht, beim zweiten ballte er verhalten die Hand zur Faust. Dem "sanften Jubel" war seine überraschende Nominierung für die Startelf voraus gegangen. Der Stürmer Podolski wurde im Mittelfeld aufgeboten, anstelle seines dicken Kumpels Bastian Schweinsteiger.

Schon ein paar Mal hatte man die Variante Podolski im Mittelfeld ausprobiert. Am Ende hatte selbst er daran Gefallen gefunden: "Ich spiele gerne auf dem Flügel und ich spiele gerne hängende Spitze, da stehe ich besser zum Tor". Will heissen, er kann seine Trümpfe besser ausspielen, die da wären Schnelligkeit und Schusstechnik gepaart mit Schussgewalt. Er schoss seine Länderspieltore 26 und 27.

Respekt als Lohn

Die Nationalmannschaft scheint zu einer Art Naherholungsgebiet für Podolski geworden zu sein. Dort kann er den Frust über seinen "Stammplatz Ersatzbank" in seinem Klub an der Isar abschütteln. Dass er mit Schmackes schießen kann, war bekannt, mit großem Wohlwollen registrierte man nun den einfühlsamen Podolski, dessen Geste des Respekts nach den niveaulosen Attacken polnischer Boulevardblätter ("Leo bring uns ihre Köpfe") auch in Polen mit besonderen Gefühlen betrachtet werden.

Podolski hat sich damit mehr als Respekt verdient, er hat erstaunliches Gefühl bewiesen, was darüber hinausgeht, dass er von Verwandten bei der Arbeit beobachtet wurde. Mancher könnte nun die Geste mit einem Termin Mitte April in Zusammenhang bringen als sich die stolzen Eltern Monika Puchalski und Lukas P. über den kleinen Louis freuten. Die Vaterschaft habe den "besten Nachwuchsspieler der WM 2006" intensiver über die Zukunft nachdenken lassen.

Wechsel in Sicht?

Und schließlich gab es zudem weitere Motivation. So tadelte ihn Bundestrainer Joachim Löw, weil er zu wenig aus seinen Möglichkeiten mache. Bei den Bayern zudem traten andere als Torschützen auf. "Ich habe mir das zu Herzen genommen und an mir gearbeitet", sagt Podolski.

Und er sagte: "Ich kann mit dem Verlauf der Saison nicht zufrieden sein". Wieder könnte nun das Nationalteam als Ausgangspunkt verstärkter Anstrengungen werden, es auch im Klub weiter zu bringen. Oder Podolski schießt sich auf die Notizblocks anderer Klubs. Sein ehemaliger Verein, der 1. FC Köln (dort unterschrieb er 2003 seinen ersten Profivertrag) , hatte schon Interesse angemeldet und er hatte abgelehnt.

Was kommt noch?

"Die deutsche Mannschaft kann froh sein, dass sie ihn haben. Er hat sich für Deutschland entschieden, das muss man respektieren", sagte Jacek Krzynowek, der beim VfL Wolfsburg unter Vertrag steht. Auch Leo Beenhakker, Polens niederländischer Nationaltrainer, hatte sich positiv über Podolski geäußert und es zwischen den Zeilen bedauert, ihn nicht in seinem Team zu haben.

Die Sache aber ist längst entscheiden und den warmen Platz im Nationalteam will Podolski nun nicht mehr so schnell hergeben. "Er ist immer ein Leistungsträger im Nationalteam gewesen und hat immer überzeugt", sagte Bundestrainer Löw und meinte zu seinem "Ziehsohn", der mit 19 am 6. Juni 2004 sein Debüt im Nationalteam gab und für den Bayern München zehn Millionen überwiesen haben soll: "Manchmal ist es für ihn gut, wenn er aus der Tiefe kommen kann. Dann ist er brandgefährlich". Und manchmal eben auch überraschend einfühlsam. Der fidele EM-Fahrer Podolski scheint im Sommer 2008 noch für einige Überraschungen gut zu sein.

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