Vize-Weltmeister Frankreich hat als erster Titelanwärter einen Fehlstart in die Fußball-Europameisterschaft hingelegt: Ausgerechnet Außenseiter Rumänien erschwerte der von den eigenen Fans ausgepfiffenen "Équipe tricolore" mit einem trostlosen 0:0 das Überleben in der "Todesgruppe". Der völlig enttäuschende zweimalige Europameister blieb vor 30.585 Zuschauern im ausverkauften Letzigrund Stadion in Zürich gegen erwartet defensiv-destruktiv zu Werke gehende Osteuropäer in der ersten torlosen Partie der EM den Favoriten-Nachweis auf ganzer Linie schuldig. "Frankreich spielt nicht mehr auf dem Level, den viele Leute vielleicht noch gewohnt sind", meinte Rumänen-Trainer Victor Piturca.
"Wir waren nervös, wir konnten uns nicht völlig entfalten, so ist es oft im ersten Match. In der Situation, in der wir jetzt sind, wird jede Partie ein Knock-Out-Match", sagte Kollege Raymond Domenech bereits mit Blick auf die Partie gegen die Niederlande an diesem Freitag. Zum voraussichtlichen Endspiel um den Viertelfinaleinzug kommt es in der Gruppe C am 17. Juni gegen Weltmeister Italien in der Neuauflage des WM-Finals. Domenech: "Wir haben noch zwei Spiele vor uns, sechs Punkte sind noch möglich. Ich bin weder pessimistisch noch optimistisch."
Seine Schützlinge gaben zu großem Optimismus jedenfalls keinen Grund. Stattdessen: Wenig Finesse, viel Tristesse - trotz klarer Feldüberlegenheit. "Wir haben es geschafft, das Match zu kontrollieren, aber wir waren im Angriff nicht gefährlich genug", meinte Domenech. Ribéry musste auf die ungeliebte rechte Seite ausweichen. Die Folge: Der Super-Techniker fand lange Zeit keine Bindung zum Spiel, aus Frust wechselte er schon mal auf links. Prompt sorgte er für Gefahr. Allerdings konnte Nicolas Anelka, der Karim Benzema das Sturmduo bildete, den Ball in der 33. Minute per Kopf aus sieben Metern nicht im Tor unterbringen.
"Gut organisierte Defensive"
Auf den noch angeschlagenen Goalgetter Thierry Henry (Gesäßmuskelzerrung) hatte Domenech in der Startformation verzichtet. Dafür hätte fast Mittelfeldmann Florent Malouda Torjägerqualitäten bewiesen. Allerdings rettete der aus seinem Kasten geeilte Rumänen-Keeper Bogdan Lobont vor dem ansonsten schwachen Chelsea-Profi (17.).
Und was bot Rumänien, das zuletzt im April 1972 gegen Frankreich gewonnen hatte und von seinen Fans nach Spielende wie ein Sieger gefeiert wurde? Zumindest eine gut organisierte Defensive. In vorderster Front vertrauten die Osteuropäer von Trainer Victor Piturca Adrian Mutu, der in der EM-Qualifikation sechs Treffer erzielt hatte. Diesmal kam nichts Zählbares heraus, Mutu musste vorzeitig das Feld räumen. Die einzige Chance der ersten Hälfte ging auf das Konto von Daniel Niculae mit einem Distanzschuss. Aber keine Gefahr für Gregory Coupet.
Einwechslungen ohne Wirkung
Die Franzosen, bei denen Liliam Thuram für den verletzten aber endgültig im Aufgebot bleibenden Patrick Vieira (Oberschenkelprobleme) als Kapitän seinen 15. EM-Einsatz (Rekord) absolvierte, gerierten nach der Pause zeitweilig unter Druck. Malouda (49.) hatte es zuvor versäumt, kurz nach der Pause in seiner besten Aktion nach schönem Dribbling die Führung zu erzielen (49. ). Die Defensive mit Bayerns Abwehrmann Willy Sagnol wurde nun mehr gefordert, weitere rumänische Torchancen kamen nicht zustande.
Für Entlastung sorgte Ribéry, als er sich auf dem rechten Flügel durchsetzte und maßgerecht nach innen passte. Doch der dort lauernde Benzema schob mit der Innenseite den Ball in die Arme von Lobont (57.). Der Offensivmann zielte auch sieben Minuten später nicht genau genug. Die Hereinnahme von Bafetimbi Gomis und Samir Nasri für das enttäuschende Sturmduo konnte den Drang der Franzosen auch nicht erhöhen, geschweige denn die beiden das Rumänen-Tor in Gefahr bringen. "Für beide Teams lebt weiterhin die Chance auf den Aufstieg ins Viertelfinale", bilanzierte Piturca.