Ein Grund zur Panik sind die akuten personellen Probleme im DFB-Kader für Joachim Löw noch nicht, zumindest stellt er es selbst so dar: "Verletzungen registrieren wir, aber das nehmen wir an", so der Bundestrainer mit Blick auf das EM-Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich. "Wir wissen, was wir tun müssen." Eine zentrale Frage, die Löw dabei beantworten muss: Wer spielt neben dem voraussichtlich ins defensive Mittelfeld zurück beorderten Toni Kroos im defensiven Mittelfeld - sollte nach Sami Khedira (Aduktorenverletzung) auch Bastian Schweinsteiger (Außenbandzerrung im rechten Knie) definitiv ausfallen?
Zwei Kandidaten, die bisher nicht zum Zuge kamen, stehen bereit: Emre Can vom FC Liverpool und der Dortmunder Aufsteiger Julian Weigl. Aber für wen wird Löw sich entscheiden? Noch schwankt er - und lobt beide.
EM-Halbfinale: Die Tendenz geht zu Emre Can
Für Emre Can spricht seine körperliche Robustheit und eine Spielweise, die der von Khedira näher kommt. Can habe immer stark trainiert und könne dem deutschen Spiel guttun. Löw scheint ein wenig zu einer Lösung mit dem Mann aus Liverpool zu tendieren, allerdings ausdrücklich nicht aufgrund dessen größerer Resolutheit gegenüber Weigl: Die Zeit der Abräumer sei vorbei, so der Bundestrainer, und außerdem sei Can nicht nur wuchtig und körperlich stark, sondern auch technisch gut.
Damit würde er die Qualitäten seines voraussichtlichen Nebenmannes gut ergänzen: Mit seinem Ballgefühl und seinem Überblick kommt auf Toni Kroos am Donnerstag im deutschen Spiel mal wieder eine entscheidende Rolle zu. Der Bundestrainer hat größtes Vertrauen in seinen Regisseur, der gerade erst vom Fachmagazin "Kicker" in eine Reihe mit DFB-Mittelfeld-Legenden wie Matthäus, Overath und Netzer gestellt wurde: "Toni kann ein Spiel mit seiner Technik in die richtigen Bahnen lenken", so Löw. "Er ist ein großer Stratege. Ich kenne keinen Spieler, der so cool ist wie er."
Ähnlich cool hat auch Julian Weigl in der letzten Saison bei Borussia Dortmund agiert. Er wäre im Vergleich zu Can die technisch noch etwas beschlagenere Lösung neben Kroos: "Er ist unglaublich sicher am Ball und macht die Passwege gut zu", sagt Löw über den 20-Jährigen. Wie Can habe er gut trainiert und würde er den Ansprüchen gerecht, die ein Trainer heute an einen defensiven Mittelfeldspieler habe.

Löw schließt Lösung mit Kimmich aus
Eine weitere, theoretisch denkbare Variante schließt Löw dagegen offenbar aus: "Joshua Kimmich ist im Zentrum keine Überlegung, weil er fast immer auf der Position gespielt hat. Vielleicht gibt es mal einen Positionswechsel im Spiel, wenn es nötig ist. Gegen Frankreich bleibt Kimmich aber rechts, ich habe im zentralen Mittelfeld andere Möglichkeiten."
Bleibt noch eine letzte Möglichkeit: Bastian Schweinsteiger wird doch noch rechtzeitig fit. Das würde dann aber bedeuten: richtig fit. "Spieler die angeschlagen sind, lasse ich definitiv nicht spielen", sagt Löw ungewohnt deutlich. "Den Fehler habe ich mal vor vielen Jahren gemacht, den mache ich nicht nochmal." Trotzdem klingt es, als wäre eine schnelle Genesung des Kapitäns die bevorzugte Problemlösung des Bundestrainers: "Ich hoffe, dass Bastian fit ist, er kann der Mannschaft unglaublich viel geben."