Schwärzer kann ein Tag für einen Sportler kaum sein: Marco Reus wird nach der WM 2014 auch die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft in Frankreich verpassen. Bundestrainer Joachim Löw teilte am Dienstag mit, dass er den 27-jährigen Ausnahmekönner in Diensten Borussia Dortmunds nicht für seinen 23-Mann-Kader nominiert. Besonders bitter: Die Nachricht seiner Nichtberücksichtigung erhielt Reus - als wäre es nicht schon schlimm genug - ausgerechnet an seinem 27. Geburtstag.
So überraschend das Aus, so dürftig fiel zunächst die Begründung aus. "Er hat massive Probleme und kann im Moment nur geradeaus laufen", erklärte Löw auf der zur Kader-Bekanntgabe einberufenen Pressekonferenz. Um dann nicht auskunftsreicher nachzuschieben, dass die Mediziner "keine klare Prognose" für den BVB-Star hätten abgeben können.
120 Minuten Pokalfinale und jetzt verletzt?
Reus verletzt? Viele Fans dürften sich angesichts dieser Hiobsbotschaft verwundert die Augen gerieben haben. Zwar war zuletzt immer wieder von Adduktorenproblemen die Rede. Anzeichen, dass es um den Flügelspieler jedoch derart schlecht steht, gab es nicht. Zumal Reus noch Ende Mai im Pokalfinale gegen Bayern München 120 kraftraubende Minuten inklusive Elfmeterschießen auf dem Platz gestanden hatte.
Dass man ihm nun also nicht zutraut, den extremen Strapazen eines vierwöchigen Turniers standzuhalten, legt nahe, dass der DFB die Situation um Reus zuletzt harmloser darstellte, als sie war. Es passt da fast schon ins Bild, dass die Verantwortlichen den genauen Grund für das EM-Aus erst etwas später publik machten. Demnach laboriert Reus an einer hartnäckigen und sehr schmerzhaften Entzündung des Schambeins.
"Das zieht sich richtig lange hin"
Dass der BVB hingegen auf seiner Homepage von einer Adduktorenentzündung spricht, ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Denn bei den Oberschenkeladduktoren handelt es sich um Muskeln, die für das Anspreizen der Beine verantwortlich sind und deren Ansatz am Schambein entspringt. Dass man die Verletzung bis zum Turnierbeginn hätte in den Griff bekommen können, ist nach Auskunft von Dr. Lars Witthöft, Leitender Arzt am Orthopädie-Zentrum Hamburg, äußerst unwahrscheinlich. "Das zieht sich richtig lange hin", sagt Witthöft. Eine medizinische Behandlung sei abseits von absoluter Schonung kaum möglich und bestehe in der Regel aus der Gabe von entzündungshemmenden Wirkstoffen sowie Vitamin D-Präparaten.
An Training geschweige denn Wettkampf sei nicht zu denken. Vielmehr sei Reus jetzt auf viel Ruhe angewiesen. "Das kann man eigentlich nur aussitzen, selbst Fahrradfahren ist da meist zu viel", so Witthöft. Die Tatsache, dass der BVB-Star Tage zuvor das intensive Pokalfinale in Berlin bestritt, ist für den Mediziner keine Überraschung. "Der wird sicherlich auch dort schon Beschwerden gehabt haben", sagt Witthöft. Bleibt für Pechvogel Reus nur zu hoffen, dass er bis zum Start der neuen Saison wieder fit ist.
