Ein Spieler kollabiert auf dem Rasen, muss reanimiert werden und ist erst nach einer halben Stunde wieder bei Bewusstsein. Die Teamkollegen erleben alles aus nächster Nähe mit. Und 107 Minuten später stehen sie wieder auf dem Platz, um die Partie zu Ende zu spielen? Die dramatischen Ereignisse um den dänischen Nationalspieler Christian Eriksen zeigen, dass im Profi-Fußball einiges aus den Fugen geraten ist. Offenbar müssen die Spiele um jeden Preis weitergehen – selbst, wenn gerade ein Mensch fast gestorben ist.
Ja, das dänische Team hat nach einem Gespräch mit Eriksen selbst die Entscheidung getroffen, weiterzuspielen. Trainer Kasper Hjulmand erklärt bei der Pressekonferenz die Entscheidung: "Die Spieler waren sich sicher, heute nicht mehr schlafen zu können. Morgen zu spielen, hätte die Situation noch schwerer gemacht." Die Atmosphäre in der dänischen Kabine nach Abpfiff beschreibt er in nur einem Satz: "Die Spieler sind komplett durch und emotional erschöpft."
Aber das liegt ja nicht an der 0:1-Niederlage, sondern an den Ereignissen um ihren Mitspieler. Der Trainer oder ein Verbandsfunktionär hätte doch während der Unterbrechung erkennen müssen, dass der Schutz der Spieler – auch vor sich selbst – nun das Wichtigste ist. Viel wichtiger, als dass die EM-Show weitergeht.
Drama um Christian Eriksen traumatische Erfahrung
Kein Wunder, dass ein Torwart, der vor kurzem noch am Spielfeldrand die Freundin von Eriksen zu beruhigen und zu trösten versucht hat, beim ersten finnischen Torschuss nicht die beste Figur macht. Kein Wunder, dass ein Mittelfeldspieler nach dem Drama um einen Mitspieler einen Elfmeter kläglich vergibt.
Der dänische Verband kündigte noch am Abend an, dass den Spielern und Eriksens Familie nun professionelle Hilfe in Form von psychologischer Betreuung angeboten werde. "Es ist eine traumatische Erfahrung, der sie ausgesetzt sind", sagte Trainer Hjulmand. Ach was. Spielabbruch und sofortige psychologische Betreuung wären die richtigen Entscheidungen gewesen. Aber darauf kommt im Fußball-Zirkus offenbar weder ein Aktiver noch ein Funktionär. Nicht nur die Dänen haben an diesem EM-Abend verloren. Offenbar muss die Menschlichkeit in diesem Milliardengeschäft auch reanimiert werden.
Hinweis: Dieser Artikel war versehentlich zunächst kurzzeitig mit einer Aufnahme bebildert, die nach Auffassung der Redaktion die Privatsphäre von Betroffenen des Vorfalls verletzt. Wir haben das Foto daher ausgetauscht und bitten um Entschuldigung.