Es ist eine billige Weisheit, dass Fußball ein Tagesgeschäft ist. Aber sie stimmt nun mal größtenteils. Auf dem Transfermarkt wie bei Trainerwechseln fallen Entscheidungen innerhalb weniger Stunden oder sogar Minuten. Der Entertainmentbetrieb Fußball, in dem Millionen umgesetzt werden, funktioniert oft genug so wie der eigentliche Fußball auf dem Rasen: Er ist unvorhersehbar, spontan und brutal (oder großartig schön, je nachdem).
So gesehen war die Entlassung von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann ein handelsüblicher Vorgang, wie er im Fußball immer wieder vorkommt. Die Gründe für seine Entlassung sind nachvollziehbar. Die Leistungen des Teams waren in der Bundesliga extrem schwankend. Der Trainer Nagelsmann hätte mutmaßlich gute Chancen gehabt, als erster Bayern-Coach seit elf Jahren keinen Meistertitel zu holen. Zehn Punkte haben die Bayern seit Jahresbeginn auf Borussia Dortmund eingebüßt und die Tabellenführung an den Rivalen verloren. Das ist bemerkenswert schwach.
Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic geben kein gutes Bild ab
Dass die negative Entwicklung dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic große Sorgen bereitete, ist verständlich. Auch die beeindruckenden Auftritte der Mannschaft in der Champions League konnten diese Sorge nicht beiseite wischen. Wieso sollten sie Nagelsmann zutrauen, dass die Mannschaft gegen den nächsten Gegner Manchester City und möglicherweise Real Madrid genauso stark auftritt wie zuletzt gegen Paris Saint-Germain? Das Vertrauen in ihren wichtigsten Mitarbeiter hatten die Bayern-Bosse – zurecht – verloren.
Dennoch lässt die ruppige Trainerrotation die Führung der Bayern, und hier besonders Salihamidzic, nicht gut dastehen. Das Bild, das sie nach außen abgab, wirkte eher planlos. Es bleibt die Frage, ob die Bayern Nagelsmann gefeuert hätten, wenn Tuchel nicht zufällig auf dem Markt gewesen wäre. Vermutlich eher nicht. Bis zur Niederlage gegen Bayer Leverkusen am vorvergangenen Samstag galt Nagelsmann als "Langzeitprojekt". Plötzlich war alles ganz anders und Nagelsmann wurde vor die Tür gesetzt. Aus dem "Langzeitprojekt" wurde innerhalb von 48 Stunden (von der Niederlage am Sonntag bis zum Anruf bei Tuchel am Dienstag) ein Kurzzeitobjekt ohne Happy End.
Dabei sind die sportlichen Schwierigkeiten der Mannschaft spätestens seit der Rückrunde der abgelaufenen Saison sichtbar gewesen. Robert Lewandowski hatte das frühzeitig erkannt und kritisiert. Der polnische Superstar hatte dadurch noch bessere Gründe, sich Richtung FC Barcelona zu verabschieden.
Zu viele Baustellen, Pleiten und Konflikte: ein Rückblick auf Nagelsmanns Zeit bei den Bayern

Die Bayern feuern auch Manager, wenn es sein muss
Für Salihamidzic heißt das, dass ihn der Aufsichtsrat, in dem übrigens immer noch Uli Hoeneß sitzt, kritischer beäugen wird. Nagelsmann war ein Salihamidzic-Projekt, für das der Manager vor einem eindreiviertel Jahr rund 20 Millionen Euro an RB Leipzig als Ablösesumme überwies und den Hoffnungsträger mit einem üppigen Fünf-Jahres-Vertrag ausstattete. Das kommt die Bayern teuer zu stehen. Vielleicht waren das die Gründe, warum Salihamidzic entgegen der eigenen Überzeugung länger an Nagelsmann festhielt trotz der Probleme auf und außerhalb des Platzes. Vermutlich hat er bis zuletzt darauf gehofft, dass "sein" Trainer die Kurve kriegt.
Jetzt setzt die Bayern-Führung alles auf die Karte Tuchel, der am besten alle drei Titel holt. Oder eben keinen. Dann dürfte es für Salihamidzic ungemütlich werden. Die Bayern feuern auch ihre Manager ohne Rücksicht auf Verluste, wenn es sein muss.