FC Bayern München Schluss mit Wellness

Von Jens Fischer
Nach dem Debakel gegen Werder Bremen herrscht Krisenstimmung im Bayern-Land. Zu offensichtlich waren die Defizite der Mannschaft, die in diesem Jahr auch international so richtig angreifen will. Die Analyse zeigt: Auf Trainer Jürgen Klinsmann warten viele Baustellen. Zeit, diese zu beheben, hat er nicht.

Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, das der FC Bayern München auf nationaler Ebene auch in diesem Jahr wieder kaum zu stoppen sein wird. Kaum vorstellbar, dass Klinsmanns Star-Kicker trotz der erniedrigenden 2:5-Blamage gegen Werder Bremen am Ende der Saison nicht mindestens einen nationalen Titel an die Isar holen werden. Aber reicht das aus? Eher nicht. Denn die Erfolgsansprüche der Herren Hoeneß, Rummenigge und Beckenbauer sind international in Richtung Champions League ausgerichtet. Nationale Erfolge reichen nicht mehr.

Neu-Trainer Jürgen Klinsmann muss diese Erwartungen jetzt erfüllen. Als Mr. Motivator nach München geholt, soll der schwäbische "Gute-Laune-Mensch" in den kommenden Monaten der europäischen Konkurrenz das Fürchten lehren. Und zudem noch das festgefahrene Bayern-Umfeld gänzlich umkrempeln. Klinsmann ließ extra ein neues Trainingszentrum bauen, installierte den vielzitierten Acht-Stunden-Tag und schaffte an der Säbener Straße Raum für meditativ angehauchte Ruhestunden. Den hochdotierten Star-Spielern sollte es an nichts mangeln. Auch um Klinsmanns innovative Ideen in Sachen Taktik und Spielsystem ideal umsetzen zu können.

Alles schön und gut, aber spätestens seit Samstag, 17.15 Uhr, ist es bei den Bayern vorbei mit Spiritualität und Wellness-Feeling. Der harte Alltag ist eingekehrt, ab sofort zählen nur noch Punkte und Erfolge. Das weiß auch Klinsmann – und steht jetzt vor der schwersten Aufgabe seiner noch jungen Trainer-Karriere. Bis zum DFB-Pokal-Spiel gegen die krisengeschüttelten Nürnberger am Mittwoch ist nicht mehr viel Zeit. Und Klinsmann hat zahlreiche Problemfelder zu beackern.

1.) Baustelle "Taktik"

Eigentlich war alles klar. Lucio - Demichelis - van Buyten: Klinsmanns neue Dreierkette schien zu funktionieren. Drei Siege in Folge (Berlin, Köln, Bukarest) sprachen für die von Klinsmann ausgeklügelte Defensiv-Idee. Dann aber reichten 45 Minuten gegen den ersten richtigen Prüfstein Werder Bremen, um die hoch gelobte Kette gleich wieder zu sprengen. Klinsmann stellte nach der Pause vom 3-5-2 wieder auf das altbewährte 4-4-2 um. Geholfen hat es nicht.

Nun stellt sich die Frage, ob nicht gerade Klinsmanns Taktik-Experimente die Mannschaft verunsichern. Die Bayern wirken bislang wenig eingespielt, von Sicherheit keine Spur. Und was passiert eigentlich, wenn am Mittwoch der wieder genesene Franck Ribéry zurückkehrt. Wo ist sein Platz auf dem Feld? Diese Frage muss Klinsmann schnell beantworten.

2.) Baustelle "Spieler"

Die bisherige Zurückhaltung der Bayern auf dem Transfermarkt könnte sich als falsch erweisen. So hatte Klinsmann gegen die Bremer keine Möglichkeit im Sturm zu reagieren, um so für frischen Wind zu sorgen. Podolski spielte unglücklich, Toni extrem schwach und Klose fehlte verletzt – und auf der Bank saß kein einziger Stürmer mehr. Im Vorjahr gab es zumindest noch einen Schlaudraff. Der Plan, in diesem Jahr auf nur drei Stürmer zu vertrauen, könnte sich als falsch erweisen.

Im Mittelfeld wird bereits zu diesem Zeitpunkt der Saison deutlich: Einen Ribéry können die Bayern nicht ersetzen. Es fehlt, trotz eines zumeist überzeugenden Schweinsteigers, an den genialen Momenten. Umso unverständlicher, dass Klinsmann weiter beharrlich an dem Duo Ze Roberto und Van Bommel festhält, während draußen Borowski und besonders der junge Kroos versauern. Und ob der technisch limitierte Lell internationalen Ansprüchen genügt, scheint mehr als fraglich. Zumal der frisch verpflichtete Italiener Oddo gegen Bremen nach seiner Einwechslung einigen Schwung ins Spiel brachte.

Das nächste Problem steht im Tor. Kahn-Nachfolger Rensing zeigte gegen Bremen eine schwache Vorstellung. Die Kritik an Rensing wächst – selbst innerhalb der Mannschaft sollen nicht mehr alle uneingeschränkt hinter ihm stehen. Weitere Fehler kann sich Rensing eigentlich schon jetzt nicht mehr erlauben.

Viele personelle Schwachpunkte also in einem Team, das in diesem Jahr in der Champions League mindestens das Halbfinale erreichen will. Das werden die Verantwortlichen auch bemerkt haben – und in der Winterpause doch noch einmal kräftig nachbessern?

3.) Baustelle "Einstellung"

Phlegmatisch seien sie gewesen, nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen und mit den Gedanken irgendwie woanders – die Äußerungen der Bayern-Spieler nach dem Bremen-Debakel lassen auf nichts Gutes schließen. Wie ist es möglich, dass in einem so wichtigen Spiel die Einstellung nicht stimmt? Fragen, die sich jetzt auch Trainer Klinsmann gefallen lassen muss. Zumindest an diesem denkwürdigen Samstag-Nachmittag versagten seine Motivationskünste.

Im harten Liga-Alltag kann sich Klinsmann schnell verbrauchen. Alle seine Spieler sind erfahren darin, Titel zu gewinnen. Da schleicht sich schnell Routine ein – eine große Gefahr, der Klinsmann jetzt begegnen muss. Viel Zeit hat er nicht, denn ohne Kampfeswillen verliert man auch die Pflichtaufgabe gegen Nürnberg.

Ein Aus im DFB-Pokal – und der Druck auf Klinsmann wäre jetzt schon riesengroß.

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