Clemens Tönnies ist nicht gerade als feinsinniger Mensch bekannt. Der Aufsichtsratschef von Schalke 04 , ein Metzgersohn, setzt sich als größter Fleischproduzent Europas mit Ellenbogen auf einem der härtesten Märkte überhaupt durch. Mitunter bewegt er sich am Rande der Legalität, doch für die Entwicklungen in seinem Fußballklub hat er offenbar sein sehr feines Gespür. Jedenfalls ahnte Tönnies schon im vorigen Sommer, dass sich die Wege von Felix Magath und Schalke 04 weit vor dem vereinbarten Vertragsende im Sommer 2013 trennen würden - und nahm mit Horst Heldt einen Ersatzmanager unter Vertrag. Einen Mann, für den es eigentlich gar nichts zu tun gab, in dem von Felix Magath beherrschten Imperium.
Doch nun ist die Zeit von Heldt gekommen, denn Trainermanager Magath wird Schalke spätestens zum Saisonende verlassen, wie die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" in der Nacht zum Dienstag verkündete. "Die Entscheidungsgremien trauen dem 57-Jährigen nicht mehr zu, seinen Masterplan in die Tat umzusetzen", lautete die Begründung. Woher genau diese Information stammt und wie groß ihr Wahrheitsgehalt ist, musste danach niemand mehr überprüfen. Denn die Ahnung, dass Magaths Tage in Gelsenkirchen gezählt sind, verdichtete sich in dieser Woche auch ohne Bestätigung aus Vereinskreisen zur Gewissheit. Magath und die Vertrauten, die er mitbrachte, sind isoliert. Intern werden sie als "Besatzungsmacht" bezeichnet, und angeblich verhalten sie sich auch so. Das alte Schalke wird aufatmen, wenn der einstige Wolfsburger Meistertrainer zum letzten Mal in seinem Luxus-VW vom Klubgelände braust.
Ein Führungsstil, der Teams verbrennt
Denn Magaths Führungsstil, der auf Unterwerfung und Gehorsam basiert, ist ein antiquiertes Gegenmodell zu den demokratischen Strukturen jüngerer Trainer wie Jürgen Klopp, Robin Dutt oder auch Joachim Löw. Nun ist ein Zeitpunkt erreicht, in dem die zerstörerische Wirkung des autoritären Regiments, nach Teilen der Mannschaft, der Mehrheit der Fans und vielen Klubangestellten auch den Aufsichtsrat um Clemens Tönnies erreicht hat.
Schon beim FC Bayern und in Wolfsburg hinterließ Magath völlig ausgebrannte Teams, die einer Grundsanierung bedurften, ein ähnliches Szenario wollen sie auf Schalke unter allen Umständen verhindern. Zwar entlockt der Trainer dem Team in den Pokalwettbewerben noch regelmäßig gute Leistungen, doch die langfristige Entwicklung gibt kaum Anlass zur Hoffnung auf die versprochene goldene Zukunft. Die Mannschaft ist auch nach eineinhalb Magath-Jahren noch ein heterogenes Konstrukt im permanenten Umbruch. Und teuer dazu.
Sollte Schalke am Samstag nicht gegen Eintracht Frankfurt gewinnen, droht ernsthaft die Gefahr eines Abstieges, und schon jetzt ist absehbar, dass im kommenden Sommer - wie in jeder Transferperiode unter Magath - wieder wild hin- und her transferiert werden würde. Eine konzeptionell durchdachte Entwicklung ist nicht zu erkennen. Und das ist der Moment, in dem Heldt ins blau-weiße Rampenlicht treten wird.
Wer folgt? Dutt? Rangnick? Rehhagel gar?
Der 41-Jährige soll eine Art Strategiechef werden, während für den Trainerposten ein junger, moderner Trainertyp vorgesehen ist. Der Freiburger Robin Dutt ist im Gespräch, vielleicht wäre eine zweite Amtszeit von Ralf Rangnick auch eine interessante Option. Heldt wird die Verhandlungen führen. Möglicherweise sogar schon in den kommenden Tagen, denn auch das Szenario einer sofortigen Trennung von Magath ist denkbar. Für diesen Fall gelten Hans Meyer und Otto Rehhagel als Interimskandidaten zur Sicherung des Klassenerhaltes. Die Magath-Truppe wird weiter ziehen, vielleicht nach Hamburg, wo seit dieser Woche ein Nachfolger für Armin Veh gesucht wird.
Doch Magaths Ruf ist schwer beschädigt. Die Art und Weise, wie er Spieler behandelt - emotionslos, wie lebloses Arbeitsmaterial, das bei Bedarf in Gebrauch genommen, und ansonsten zwischen Tribüne, Auswechselbank und zweiter Mannschaft hin- und hergeschoben wird - ist nicht mehr zeitgemäß. In der Wochenzeitung "Die Zeit" war vor einigen Wochen ein verstörendes Psychogramm Magaths zu lesen, in dem ein namentlich ungenannter Vereinsfunktionär beschreibt, wie es ist, mit dem Erfolgstrainer zusammen zu arbeiten: "Der Weg zu Magath führt Schritt für Schritt in die Abhängigkeit und dann in die Demütigung."
Magath darf sich am Ende seiner Schalker Episode nur finanziell als Gewinner fühlen. Er verlässt Schalke als reicher Mann und wird womöglich auch noch viele Millionen Euro Abfindung kassieren. Dass dieses Geld den Verein nach den lukrativen Erfolgen im DFB-Pokal und in der Champions-League nicht ruiniert, ist der einzige Grund, aus dem die Schalker ihrem scheidenden Trainermanager doch ein wenig zu Dank verpflichtet sind.