Wie sieht die Zukunft des FC Chelsea aus? Sportlich kämpft die Mannschaft des deutschen Trainers Thomas Tuchel gerade in der Premier League um die Qualifikation für die Champions League und steht im Finale des FA-Cups. Doch sportliche Belange stehen beim Londoner Fußballklub längst nicht mehr im Vordergrund. Die weltpolitische Lage, das heißt der russische Angriff auf die Ukraine, hat direkte Auswirkungen auf die Blues.
Klub-Besitzer Roman Abramowitsch, ein russischer Oligarch, wurde wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin mit Sanktionen belegt, die auch den FC Chelsea treffen. Chelsea darf aber weiterhin keine Spielertransfers tätigen, keine Verträge verlängern und generell kein Geld verdienen. Abramowitsch will den Klub verkaufen – doch wer in Zukunft das Sagen an der Stamford Bridge hat, ist noch völlig unklar. Um den FC Chelsea hat sich ein wahres Bieterrennen entwickelt, das nicht immer leicht zu durchblicken ist.
FC Chelsea: Serena Williams und Lewis Hamilton beteiligen sich an Konsortium
Die neuesten Kandidaten haben prominente Namen und sind Legenden des Sports: Tennisspielerin Serena Williams (23-fache Grandslamsiegerin im Einzel) und Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton (siebenfacher Weltmeister) haben ihren Hut in den Ring geworfen. Das Duo beteiligt sich an einem Konsortium, das Interesse am Kauf des FC Chelsea angemeldet hat. Angeführt wird die Investorengruppe von dem britischen Multimillionär Sir Martin Broughton, der vor Jahren für kurze Zeit Vorstandsvorsitzender des FC Liverpool war. Privat soll der Geschäftsmann jedoch Anhänger der Blues sein.
Williams und Hamilton bringen Finanzkraft mit, die sicherlich nötig ist, um den Klub zu erwerben. Allerdings verfügt die Investorengruppe über mehr als genug Geld – was ihr fehlt, sind weichere Faktoren. Denn ein Fußballklub ist kein Unternehmen, das man aufkaufen und von oben herab führen kann.
Das Geflecht zwischen Eigentümern, Vorstand, Trainer, Mannschaft und allen voran den Fans kann für eine komplizierte Gemengelage sorgen – auch im englischen Fußball, der allmächtige Investoren eigentlich mittlerweile gewöhnt ist. Serena Williams und Lewis Hamilton werfen ihre Beliebtheit in die Waagschale, gerade Hamilton ist in Großbritannien ein Volksheld.
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Quelle: "Forbes Magazine"
Abramowitsch, dem der Klub seit 2003 gehört, war bei den Fans respektiert und angesehen, an der Stamford Bridge wurde mitunter sogar sein Name skandiert – doch dass ihr Verein mit dem brutalen russischen Krieg in Verbindung gebracht wird, tut den meisten Chelsea-Fans in der Seele weh. Ungewöhnlich wäre ein Engagement wie das von Williams und Hamilton im englischen Fußball übrigens nicht: So hält US-Basketballstar LeBron James Anteile am FC Liverpool.
An dem Konsortium um Broughton sind auch Josh Harris und David Blitzer beteiligt – zwei Milliardäre, die sich im Sport auskennen und wohlfühlen. Ihre Holdinggesellschaft Harris Blitzer Sports & Entertainment (HBSE) würde Mehrheitseigner des FC Chelsea werden, sollte die Investorengruppe den Zuschlag erhalten. Das könnte wiederum zu Umwälzungen in der Premier League führen: Harris und Blitzer müssten ihre Minderheitsbeteiligung (36 Prozent) am Liga-Konkurrenten Crystal Palace aufgeben. HBSE gehören zudem der NBA-Klub Philadelphia 76ers und das Eishockey-Team New Jersey Devils.
Drei Kandidaten im Rennen
Dennoch ist noch lange nicht ausgemacht, dass Williams, Hamilton und ihre schwerreichen Mitstreiter den Bieterwettkampf für sich entscheiden. Eine weitere Investorengruppe um Steve Pagliuca und Larry Tanenbaum hat Interesse angemeldet. Ihr fehlen zwar die prominenten Namen, Pagliuca ist allerdings Eigentümer des Basketballteams Boston Celtics und hält eine Beteiligung von 55 Prozent am Serie-A-Klub Atalanta Bergamo.
Als dritter heißer Kandidat gilt eine Gruppe um den US-amerikanischen Geschäftsmann und Philantropen Todd Boehly, Mitgründer der Holdinggesellschaft Eldridge Industries. Boehly ist bisher vor allem in Los Angeles als Sportinvestor in Erscheinung getreten – beim Baseballteam Los Angeles Dodgers, dem NBA-Team der L.A. Lakers und dem Frauen-Basketballteam der Los Angeles Sparks.
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Protest gegen "Islamhasser": Erstes Konsortium zog sich schon zurück
Eine weiterer Bieter mit Baseball-Bezug ist hingegen ausgestiegen: Ein von der Ricketts-Familie angeführte Konsortium, Besitzer des amerikanischen Baseball-Teams Chicago Cubs, hat sein Angebot wieder zurückgezogen. Man sei sich nicht über den Kaufpreis einig geworden, meldete die britische Nachrichtenagentur PA. Ob das der wahre Grund war, sei einmal dahingestellt: Die Chelsea-Fans hatten Familienpatriarch Joe Ricketts vorgeworfen, ein Islamhasser zu sein und gegen eine mögliche Übernahme protestiert. Ein weiteres Zeichen dafür, dass in diesem Fall nicht nur Geld den Ausschlag gibt.
Roman Abramowitsch steht unter Druck
Und dennoch geht es natürlich allen voran um das liebe Geld: Roman Abramowitsch ruft Berichten zufolge einen Kaufpreis von rund drei Milliarden Pfund auf, also umgerechnet 3,6 Milliarden Euro. 2003 hatte er selbst den FC Chelsea für umgerechnet fast 180 Millionen Euro gekauft und seitdem Hunderte Millionen in den Klub gesteckt. Allerdings befindet sich Abramowitsch in keiner guten Verhandlungsposition – er steht unter Verkaufsdruck, da er mit dem Klub angesichts der Sanktionen derzeit nur massive Verluste einfährt.
Von Forbes wird der Wert des FC Chelsea auf etwa drei Milliarden Euro geschätzt. Es ist gut möglich, dass der Klub zu dem höchsten Preis verkauft wird, der je für ein Sportteam gezahlt wurde – bislang liegt dieser bei umgerechnet 3,2 Milliarden Euro für das Basketball-Team der Brooklyn Nets 2019. Der sportlichen Leitung, den Spielern sowie den Fans dürfte vor allem baldige Klarheit wichtig sein. Denn solange der Klub noch Roman Abramowitsch gehört und die gegen ihn verhängten Sanktionen auch für den FC Chelsea gelten, befinden sich die Blues in der Sackgasse. Eine Entscheidung wird bis Ende des Monats erwartet.
Quellen: "Sky Sports" / "Slate" / "Guardian" / DPA