Fußball-Presseschau Kein Gegner aus Fleisch und Blut

Ein Bayern-Tor wird nicht anerkannt, und schon diskutiert Deutschland über den Videobeweis / Bayerns imponierend starker Auftritt bei sehr guten Leverkusenern / Dortmund ist auch Karlsruhe nicht gewachsen / Erneuter Stuttgarter Schiffbruch, diesmal in Rostock / Bremen 2007 wie Bremen 2006. stern.de und indirekter-freistoss blicken in die Gazetten.

Miroslav Klose hat ein Tor geschossen, das nicht gewertet worden ist – Jörg Hahn (FAZ) schließt sich Uli Hoeneß’ Forderung nach Konsequenzen an: „Stammtischgespräche über das Wembley-Tor und ähnliche Vorkommnisse mögen ja unterhaltsam sein, doch die Frage Tor oder nicht Tor? ist zu wichtig, um sie folkloristisch zu betrachten. Die Fachmänner der Fifa sind gefragt – und sie sollten Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben. 'Die Fifa verfolgt eine klare Mission: das Spiel entwickeln, die Welt berühren und eine bessere Zukunft gestalten', heißt es so schön in der Selbstdarstellung des Dachverbandes. Nichts berührt einen Fußballfan so wie ein einwandfreies Tor. Alles spricht deshalb für einen schärferen Blick auf die Torlinie.“

Der Nächste bitte

Nach dem 0:1 Leverkusens gegen Bayern München will Daniel Theweleit (Financial Times Deutschland) Kapitulation bei den Bayern-Konkurrenten festgestellt haben:

„Es hat sich ein Verdacht erhärtet, der schon länger über dem Kreis der 18 besten deutschen Fußballmannschaften liegt: Die Bundesliga besteht in dieser Saison aus 17 Teams, und jedes darf zwei Mal gegen den außer Konkurrenz mitspielenden Meister 2008 antreten: Bayern München. Weil Bayer Leverkusen beim phasenweise hinreißend schönen 0:1 nur in wenigen Momenten unterlegen war, betrachteten die Rheinländer den Tag ohne eigenes Tor und ohne Punkt brav als Anlass, sich zu feiern. Wäre es einem Team, das internationale Ambitionen hegt, nicht angemessener, dem FC Bayern einen Punkt abluchsen zu wollen? Offenbar ist der FC Bayern in der laufenden Saison ein Mythos, kein Gegner aus Fleisch und Blut. Die Ambitionen an Spiele gegen den Favoriten sind selbst bei hoch gehandelten Klubs wie Bayer derzeit bescheiden: Hauptsache nicht vorgeführt werden.“

Quelle

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Ohne Sinn und Verstand zusammengewürfeltes Ensemble

Beim 1:3 in Karlsruhe prüft Tobias Schächter (SZ) Borussia Dortmund auf Herz und Nieren und muss dem Patienten schlechte Nachrichten mitteilen: „Die Krise hat viele Gründe:

Am nachhaltigsten wirken wohl die Fehleinschätzungen von Trainer Doll und Manager Zorc, was das Leistungsvermögen einzelner Spieler angeht. Selbst das Fehlen von Kringe, Frei, Petric und Degen darf für einen Klub mit internationalen Ambitionen keine Ausrede sein. Aber diese Zielsetzung ist wohl auch nur ein Ausdruck von Selbstüberschätzung. In Karlsruhe bot Doll erstmals seit dem zweiten Spieltag wieder die Veteranen Kovac und Wörns in der Innenverteidigung auf. Es war ein Desaster, was die zusammen 68 Jahre alten Abwehrspieler boten. Wörns wurde mehrfach mit einfachen Drehungen schwindelig gespielt, Kovac wurde in jedem Sprintduell überlaufen. In gegnerischen Mannschaftssitzungen ist die lahme und technisch klägliche Dortmunder Hintermannschaft längst als Schlüssel zum Erfolg erkannt. Die Dortmunder Mannschaft wirkte wie ein ohne Sinn und Verstand zusammengewürfeltes Ensemble. Allem Anschein nach beweist auch Giovanni Federico, dass er nur in Karlsruhe funktioniert, Diego Klimovic erscheint als ewiges Rätsel, und Nelson Valdez erregt inzwischen nur noch Mitleid. Die Dortmunder könnten vom Karlsruher SC lernen, wie man eine Mannschaft wachsen lässt und durch gezielte Zukäufe verbessert – trotz geringer finanzieller Mittel.“

In Southampton an der Kaimauer zerschellt

Claudio Catuogno (SZ) haut nach dem 1:2 in Rostock das Stuttgarter Scheitern in Stein:

„18 Minuten dauerte es nur, bis engagierte Rostocker ihre Gäste zerlegt und fachgerecht entsorgt hatten. Es ist schon peinlich genug, wenn der Meister bei einem Aufsteiger untergeht. Aber so früh, nach 18 Minuten? In Rostock, wo man gerne von der Hansa-Kogge spricht, die nach stürmischer Fahrt und gewaltiger Schieflage nun wieder ruhigeres Gewässer erreicht habe, darf man wohl sagen: Es war sogar so peinlich für den VfB, als wäre die Titanic schon in Southampton an der Kaimauer zerschellt. (...) Frank Pagelsdorf hat in Rostock mittlerweile eine Truppe zusammengestellt, die, mit gutem Auge für Lauf- und Passwege, ihr Spiel entwickeln kann. Sie braucht dafür Zeit und Platz, aber beides ließen die Stuttgarter irritierenderweise zu.“

Entfesselungskünstler

Sebastian Stiekel (FAZ) betont Kraft und Schönheit der Bremer Stoiker, 8:1-Sieger gegen Bielefeld:

„Werder gelang ein schöner Brückenschlag: zwischen dem vergangenen Herbst, als Bremer Kantersiege die Regel waren, und diesem Herbst, in dem Werder viele Verletzte beklagt. In ihrer Dominanz und Leichtigkeit erinnerten die Bremer an 2006. Das eigentlich Bemerkenswerte an Werder Bremen im Herbst 2007 ist, dass sich die Bremer trotz des Ausfalls von bis zu elf Spielern wieder an die Spitze der Liga herangearbeitet haben. In der Mannschaft steckt noch viel Steigerungspotential, denn im Oktober sollen Frings, Borowski, Andreasen und Baumann wieder dazustoßen. Auch ein gesunder Realitätssinn ist dem Team zu eigen, Werder ließ sich genauso wenig von einem 0:3 in Dortmund aus dem Konzept bringen, wie es jetzt nach einem 8:1 gegen Bielefeld die Bodenhaftung zu verlieren droht. Dafür wirkt diese dezimierte Mannschaft zu gefestigt.“

Vom verstaubten Klischee des Männersports befreit

Schon wieder Weltmeister! Kathrin Steinbichler (SZ) bereitet Birgit Prinz und Co. einen Eintrag ins Geschichtsbuch vor:

„Zwölf Spielerinnen, die 2003 den ersten deutschen WM-Sieg schafften, waren noch im Kader, doch nur sechs davon standen auch in China in der Startelf fürs Finale. Der Abschied der Alten wird mit den Olympischen Spielen 2008 konkret werden. Es wird der Abtritt einer Generation, die den Frauenfußball in Deutschland zu einem modernen, beliebten Sport für Mädchen und Frauen gemacht und vom verstaubten Klischee des Männersports befreit hat. Auch wenn die Alten bei der WM in China noch eine Stütze waren, so war dennoch zu erkennen, wie die Zukunft aussehen könnte.“

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