Axel Kintzinger (Financial Times Deutschland) erkennt beim 1:1 in Hamburg die alten Werte der neuen Bayern: „Der HSV fügte sich zu keinem Moment in die ihm eigentlich zugedachte Opferrolle, rang den Münchnern in zähen Zweikämpfen erst jeden Meter und zuletzt ein Unentschieden ab. Die Bayern zeigten nicht ihr neues, offensiv- und kombinationsstarkes Gesicht, sondern die alte, hässliche Fratze des Ergebnisfußballs. Die Hamburger gingen deutlich aktiver ins Spiel als ihre Gegner. Sie waren häufiger in Ballbesitz, und es gelang ihnen, Franck Ribéry nahezu vollständig auszuschalten. (...) Nicht nur die gestrige Spielweise, sondern besonders Kloses Treffer erinnert an frühere Zeiten der Bayern: nicht viel tun, mehr Druck auf den Schiedsrichter ausüben als auf den Gegner – und dann dank eines 'Lucky Punch' gewinnen.“
Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) weist auf die Begleitumstände des Spiels hin: „Auffällig gut war die Leistung des Schiedsrichters Meyer, der sich absolut unbeeindruckt vom Manöver Uli Hoeneß' zeigte. Der hatte gefordert, die Bayern-Stars unter Artenschutz zu stellen. Meyer aber ließ ein Spiel mit vielen Zweikämpfen zu, und so kam es, dass die Münchner erstmals in dieser Saison überhaupt gefordert wurden. Lediglich Bastian Schweinsteiger leistete sich ein Foul, für welches der Bayern-Manager gern hohe Strafen verhängt sehen würde. Aber beim eigenen Mann ist es natürlich was anderes.“
Wenn Diego spielt, so wie er es im Moment, auch wieder beim 2:1 gegen Frankfurt tut, schlägt Frank Heikes (FAZ) Herz schneller:
„Es war ein Gala-Auftritt Diegos, gewürzt mit viel Einsatz und Kampf. Der Frankfurter Spielmacher Streit schrumpfte neben Diego auf Kindergröße, obwohl er sich für einen Nationalspieler hält. Höhepunkt des Nachmittags war Diegos Zuspiel mit dem Rücken: eine Bundesliga-Premiere. Diego wird längst verehrt wie Klose in seinen besten Zeiten. Weinende Mädchen mit seinem Autogramm auf der Kappe, Handy-Fotos, Gekreische, ein Baby mit seiner Unterschrift auf dem Strampelanzug: der kurze Weg von der Kabine zum Auto dauerte zehn Minuten für Bremens Superstar.“
Quelle
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Kommende Tor-Männer für die Nationalmannschaft
Schalke gegen Leverkusen (1:1) – für Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) eine Torwartmesse:
„Selten haben zwei sich gegenüber stehende Torhüter in der Bundesliga so selbstverständlich auch als Feldspieler agiert. Nicht nur in der Rolle des Bälle abfangenden Liberos hinter der Viererkette, sondern auch als versierte Spieleröffner. Dort im Mittelfeld, wo es oft um Zentimeter geht, hat diese Exaktheit mittlerweile eine enorme Bedeutung. Natürlich gelten René Adler und Manuel Neuer längst als die kommenden Männer für die Nationalmannschaft. Und was ihre internationale Zukunft betrifft, beginnt für die beiden gerade jetzt eine wichtige Phase. Denn nach der EM tritt Jens Lehmann zurück, dann wird die Torhüterhierarchie im deutschen Fußball neu geordnet, und wer sich jetzt die günstigste Position erarbeitet, der hat vielleicht sogar die Chance, Timo Hildebrand und Robert Enke bereits in einem Jahr zu überflügeln.“
Marcel Reif (Tagesspiegel am Sonntag) bemerkt zu den gegenläufigen Entwicklungen in Berlin und Wolfsburg (2:1):
„Fangen wir mit den Wolfsburgern an. Dort haben sie offensichtlich endlich eingesehen, dass ihr bisheriges Bundesliga-Schaffen im Planungsstab von keinerlei sportlicher Kompetenz begleitet war. Da haben sie Felix Magath erst einmal mit VW und Audi überredet, dass Wolfsburg viel schöner ist als Real Madrid und ihn zum Felix Almighty gemacht. Das mutet ein bisschen mittelalterlich an mit einem Patriarchen, der über alles, bis runter zur Höhe des Rasenschnitts, das letzte Wort hat. Aber bitte, wenn’s der Wahrheitsfindung dient, bisher diente es nicht. Und Hertha? Da haben sie gerade das Modell der Alleinherrschaft aufgegeben, und siehe: Manager Dieter Almighty kann loslassen. Und dies auch mit einem erstaunlichen Ansatz: Wenn es heißt, dass man in der Mitte des Flusses die Pferde nicht wechseln sollte, dann muss man wohl sagen, dass Hertha sie dort erst bestiegen hat. So spät dürfte wohl noch nie ein nahezu kompletter Kader aufgestellt worden sein.“
Ausgedünnte Fußballregion
Rostock und Cottbus am Ende der Tabelle – Michael Horeni (FAZ) findet nicht viel Blühendes im Fußballosten:
„Glück lässt sich im Fußball kaufen, aber eben nicht von allen. Und so kommt das Profi-Prekariat des deutschen Fußballs auch nach bald siebzehn Jahren Einheit verlässlich aus dem Osten. Auch in der zweiten Liga gibt es für Erzgebirge Aue und Carl Zeiss Jena gegen eine Übermacht aus dem Westen auf lange Sicht keine ernsthafte Aufstiegsperspektive. Die ganze Kraft geht dafür drauf, wenigstens den zweitklassigen Status zu bewahren. Wie anregend wäre es da angesichts der zementierten Fußball-Teilung, wenn das ehrgeizigste Projekt im hochbezahlten deutschen Fußball derzeit nicht im Kraichgau auf den Weg gebracht würde, sondern, sagen wir mal, im Erzgebirge. In dieser Woche aber hat der Reißbrett-Zweitligaklub 1899 Hoffenheim des hochambitionierten SAP-Gründers Hopp vier ausländische Jungstars für sagenhafte zwanzig Millionen Euro verpflichtet. Das sind Dimensionen aus dem Silicon Valley des deutschen Fußballs, vor denen auf Dauer nicht nur Klubs aus dem Osten kapitulieren werden – aber diese ausgedünnte Fußballregion wird es härter als alle anderen treffen.“ Timo Symanzik (taz) schließt nach dem Rostocker 0:1 gegen Dortmund pessimistisch: „Frank Pagelsdorf, der in Rostock nach zwei Aufstiegen in die Bundesliga als Messias verehrt wird, wirkt ratlos. Diesmal war zwar das Auftreten seiner Mannschaft deutlich engagierter – mehr aber auch nicht. Die Spielzeit für Rostock scheint zu einer unlösbaren Prüfung zu werden.“