Eine Sache zu verkomplizieren, ist ein prima Mittel, um ihr die Schärfe zu nehmen. Was eben noch Wut und Zorn erregte, wirkt plötzlich milde, bloß weil sich ein Wortnebel um den Stein des Anstoßes hüllt und niemand mehr weiß, worum es eigentlich geht.
Diese Strategie hat der europäische Fußballverband Uefa bei der Reform der Champions League verfolgt. Ab 2024 wird das Teilnehmerfeld der sogenannten Königsklasse wieder einmal vergrößert, nun von 32 auf 36 Mannschaften. Künftig wird in einem Ligasystem gespielt; jede Mannschaft bestreitet acht Partien, ab dem Achtelfinale greift wie bisher der K.o.-Modus.
Besonders in Spanien wird man sich freuen
Ursprünglich wollte die Uefa zwei der vier neuen Startplätze an Klubs vergeben, die in der Vergangenheit international erfolgreich waren, sich aber nicht sportlich für die Champions League hatten qualifizieren können. Ein Sturm der Entrüstung setzte ein, vor allem in den kleinen Ligen: Diese Regelung sei eine Art Rettungsschirm für die großen, traditionsreichen Klubs und verzerre den Wettbewerb. Die Uefa beugte sich dem Druck und beschloss am Dienstag folgende Regelung: Zwei Wildcards gehen künftig an Nationalverbände, die in der Vorsaison am besten abgeschnitten haben. Der Leistungswert eines Verbandes errechnet sich, indem die Gesamtzahl der erspielten Punkte durch die Anzahl der teilnehmenden Vereine geteilt wird.
Klingt schön kompliziert – und lenkt davon ab, dass erneut die finanzstarken europäischen Ligen bedient werden. Nach dieser Regelung würde nämlich aktuell die englische Premier League zusätzlich eine Wildcard erhalten, die profitabelste Fußball-Liga der Welt. Auf den Ranking-Plätzen dahinter folgen Spanien, Deutschland und Italien. Allesamt Ligen mit Klubs, die als Weltmarken im Fußball gelten.
Besonders in Spanien wird man sich über die Champions League-Reform freuen. Der Finanzbedarf der beiden hoch verschuldeten Spitzenklubs Real Madrid und FC Barcelona ist nämlich enorm. In diesen Tagen meldete La Liga einen Verlust von 892 Millionen Euro. Für mehr als die Hälfte des Defizits ist allein der FC Barcelona verantwortlich; er erwirtschaftete in der Saison 2020/21 einen Fehlbetrag von einer halben Milliarde Euro.
Eine Reform im Sinne der Großklubs
Mit ihrer Reform protegiert die Uefa unverhohlen die großen europäischen Klubs. Wer nach Gründen dafür sucht, muss zurückblicken auf die Ereignisse im April 2021. Damals hatten zwölf europäische Klubs (darunter Chelsea, Liverpool, Barcelona und Turin) verkündet, fernab der Uefa eine Super League gründen zu wollen: Eine geschlossene Veranstaltung der Großkopferten ohne Ab- und Aufsteiger. Eine Maschine, gebaut, um noch mehr Geld zu drucken.
Nach weltweiten Fanprotesten brach das Projekt innerhalb von nur zwei Tagen zusammen, doch der Schock bei der Uefa, deren Autorität infrage gestellt worden war wie nie zuvor, sitzt noch heute tief. Uefa-Präsident Alexander Ceferin ist seit jenem revolutionären April überaus bemüht, die Fußballprominenz bei Laune zu halten, damit diese bloß nicht wieder auf falsche Gedanken kommt.
Der neue Wettbewerbsmodus bietet den Großklubs ein weiches Kissen. Die ersten acht Teams der 36er-Gruppe erreichen direkt das Achtelfinale; die Mannschaften von Rang 9 bis 24 spielen in Play-offs die übrigen Achtelfinalplätze untereinander aus. Jede Menge Chancen also für die Big Names, eine verpatzte Normalrunde in den Play-offs zu korrigieren. Kleine Klubs werden es künftig noch schwerer haben, für Überraschungen zu sorgen. Aber diese sind in Welt der Uefa sowieso nicht erwünscht.