Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) beabsichtigt, 12,5 Prozent der Medienrechte an Investoren zu verkaufen. Die Laufzeit des Deals soll 20 bis 30 Jahre betragen, danach fallen die veräußerten Anteile wieder an die DFL zurück. Gleich mehrere Private Equity-Firmen haben ihr Interesse bekundet; die DFL rechnet mit einem Verkaufserlös von bis zu zwei Milliarden Euro. 45 Prozent des Geldes geht an die Vereine, die damit ihre Infrastruktur ausbauen sollen. 40 Prozent verbleibt bei der DFL, die die Liga digitalisieren und die Auslandsvermarktung stärken will. Über 15 Prozent der Summe dürfen die Klubs frei verfügen. Am 24. Mai berät die DFL-Führung unter dem Vorsitz von Axel Hellmann (Frankfurt) und Oliver Leki (Freiburg) mit den Bundesligisten über die geplante Anteilsveräußerung. In der Fanszene wird das Projekt mehrheitlich abgelehnt. Mit Spruchbändern und Gesängen wird in Stadien protestiert – viele Fans fürchten einen Ausverkauf des Fußballs.
Herr Giogios, sollte es Sie als Fan von Borussia Dortmund nicht freuen, wenn die DFL Medienrechte an Investoren verkauft? Es käme mehr Geld in die Vereinskasse – und so könnten noch stärkere Spieler zum BVB geholt werden.
Wir Fans wollen keinen Erfolg um jeden Preis. Wir haben ein durchaus reflektiertes Verhältnis zum Geld. Was würde denn eine Einmalzahlung von der DFL bringen? Es wird plötzlich noch mehr Geld für Spielergehälter und Beraterprovisionen ausgegeben, also ein Strohfeuer gezündet, das schnell wieder erlischt. Und was geben wir dafür her? Wir liefern uns einer Heuschrecke aus und verkaufen unsere Zukunft.
Der Einfluss des Investors wäre beschränkt. Es geht lediglich um eine Minderheitsbeteiligung an den Medienrechten der Bundesliga. Wo liegen Ihre Ängste?
Ich befürchte zum Beispiel, dass auf die Gestaltung der Spieltage Einfluss genommen wird. Dass sie noch weiter zerstückelt werden, kaum Spiele parallel stattfinden, weil man mit der Einzelvermarktung mehr Geld erlösen kann.
Axel Hellmann, einer der beiden DFL-Geschäftsführer, hat das kürzlich ausgeschlossen. Man wolle sich vertraglich gegen Eingriffe in die Spieltagsplanung absichern. Misstrauen Sie ihm?
Interessant ist doch, dass dieses Phänomen schon jetzt zu beobachten ist. Erstmals seit ich denken kann, werden alle Partien an den letzten beiden Spieltagen nicht gleichzeitig angepfiffen. Ein Kulturbruch. Früher wollte man so eine Wettbewerbsverzerrung im Ringen um die Meisterschaft und im Abstiegskampf unterbinden. Was absolut nachvollziehbar und richtig ist. Und jetzt treten solche Bedenken offenbar in den Hintergrund, weil es um Gewinnmaximierung geht.
Man kann den Turbokapitalismus im Fußball aus guten Gründen ablehnen. Klar ist aber auch, dass die Attraktivität der Bundesliga weiter zu sinken droht: Die Stars spielen längst in England, Spanien oder auch in Frankreich, bei Paris St. Germain. Dort, wo das große Geld zu verdienen ist. Eine zweitklassige Bundesliga dürfte jedoch auch Ihnen als Fan nicht gefallen. Wie wollen Sie diesen Widerspruch auflösen?
Wir dürfen dieses Rattenrennen, das im europäischen Fußball läuft, gar nicht erst mitmachen. Wenn ausbleibende Champions League-Titel der Preis für finanziell halbwegs gesunde und mitgliedergeführte Vereine ist, dann sollten wir bereit sein, diesen zu zahlen. Dass deutsche Vereine international nicht konkurrenzfähig sind, halte ich ohnehin für ein Schreckgespenst. Paris St. Germain und Manchester City investieren aberwitzige Summen in den Fußball – haben aber noch nie die Champions League gewonnen. Die Rechnung, nach der viel Geld erfolgreichen Fußball bedeutet, ist allzu simpel und falsch noch dazu.
Finanzkraft ist keine Garantie für sportlichen Erfolg, aber er erhöht die Wahrscheinlichkeit dramatisch.
Das ist richtig. Nur: Was würden zusätzliche DFL-Gelder verändern in der Bundesliga? Die herrschende Hackordnung mit dem FC Bayern an der Spitze und Dortmund und Leipzig dahinter würde weiter verfestigt. Ausgeschüttet werden soll nämlich gestaffelt nach sportlichem Erfolg: Wer oben in der Tabelle steht, kriegt viel. Wer unten ist, kriegt wenig. Dadurch zementiert man die Verhältnisse. Das schadet dem Wettbewerb.
Gegenrede: Fußball ist ein globales Geschäft. Es würde zum Beispiel auch dem VfL Bochum nützen, wenn er mehr Geld zur Verfügung hätte, weil der Verein sich dann Spieler leisten könnte, die ansonsten womöglich in die zweite englische Liga gewechselt wären. Weil selbst dort mehr Geld zu verdienen ist als bei einem Mittelklasseverein in der Bundesliga.
Den Kampf mit der Premier League oder mit La Liga in Spanien hat die Bundesliga sowieso schon verloren. Der englische Sprachraum ist riesig, und die Premier League eine Weltmarke. Die spanische Liga hat eine starke Präsenz in Südamerika, auch hier ist die Bundesliga ohne echte Chance. Das sind grundlegende Nachteile, die man schwer wettmachen kann. Zudem: In der Premier League gibt es ein spannendes Meisterschaftsrennen, jedes Jahr aufs Neue. In der Bundesliga hingegen wurde der FC Bayern zuletzt zehn Mal in Folge Meister. Das ist schwer zu vermarkten im Ausland.
Was sollte die DFL Ihrer Meinung nach tun? Vor der Premier League einfach zu kapitulieren, dürfte keine Option sein.
Ich vermisse von der DFL eine Vision, was die Bundesliga sein soll. Welche Geschichte erzählen wir? Was macht uns besonders? Ich höre nichts dazu von der DFL.
Was wäre eine gute Geschichte?
Zum Beispiel, dass der Fußball in Deutschland bodenständig ist und ein Stadionbesuch leistbar für viele Fans – wir haben keine Wahnsinnspreise wie in England. Die Arenen sind voll, die Atmosphäre ist toll. Zudem gibt es die 50+1-Regel. Die Vereine gehören den Mitgliedern, nicht irgendwelchen Staatsfonds aus Saudi-Arabien oder Katar.
Ist das nicht eine sehr deutsche Sicht auf den Fußball? Die Fans von Newcastle United etwa haben gejubelt, als der saudische Fonds PIF zusammen mit zwei Partnern den Klub im Oktober 2022 übernahm.
Weil klar war: Jetzt fließt das große Geld. Ich kann damit nichts anfangen, es befremdet mich. Ich finde es auch schräg, wenn das italienische und das spanische Supercup-Finale in Saudi-Arabien gespielt wird – wie bereits geschehen. Das kann nicht der Weg der Bundesliga sein. Da würde es einen Fan-Aufstand geben.
Am 24. Mai stimmen die DFL-Mitglieder, also die Abgesandten der 36 Erst- und Zweitligisten, über einen Anteilsverkauf ab. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Man bekommt schon mit, dass sich insbesondere die kleineren Vereine von der DFL nicht mitgenommen fühlen. Das könnte bei der Abstimmung eine Rolle spielen, aber natürlich kommt es vor allem auf die namhaften Klubs an. Ich hoffe, dass die Vereinsverantwortlichen nicht nur die Chance auf schnell verdientes Geld sehen, sondern die Zukunft der Liga im Blick behalten. Jetzt sollen Verträge mit 20 bis 30 Jahren Laufzeit abgeschlossen werden. Die meisten Funktionäre, die heute darüber abstimmen, werden am Laufzeitende nicht mehr im Amt sein. Und das ist ein Problem. Die Konsequenzen ihres Handelns muss die nächste Generation tragen.