Mit einer Nacht- und Nebel-Aktion hat der Vorstand des Hamburger SV Klaus Toppmöller als Trainer gewonnen, seine Glaubwürdigkeit aber verloren. Nach der plötzlichen Trennung von Kurt Jara am Mittwochabend mussten sich am Tag darauf sowohl der Vereinsvorsitzende Bernd Hoffmann als auch Sportchef Dietmar Beiersdorfer kritische Fragen und Vorwürfe gefallen lassen. Noch am Montag hatten sie Treueschwüre auf Jara geleistet und ihm eine Arbeitsplatzgarantie für das Spiel gegen Schalke 04 am Samstag gegeben. Auch die Spieler zeigten sich mehrheitlich irritiert. Und vielleicht am schlimmsten: Idol Uwe Seeler ging auf Distanz zu seinem Verein: "Diesen Schritt kann ich nicht nachvollziehen. Ich will es aber auch nicht", meinte Ex-Präsident fassungslos.
Zusätzliche finanzielle Belastung
Mit Toppmöllers Verpflichtung geht der mit einem Millionendefizit belastete HSV ein neues wirtschaftliches Risiko ein. Nach dem Scheitern im UEFA-Cup und dem damit verbundenen Minus von zwei Millionen Euro muss der Verein nun auch noch Abfindungen für den entlassenen vierköpfigen Trainerstab aufbringen. Allein Jara, dessen Vertrag erst im August bis 2005 verlängert worden war, soll rund 500 000 Euro "Schmerzensgeld" kassieren. "Trotz der Kosten werden wir die Auflagen der DFL erfüllen», sagte Hoffmann, der dem scheidenden Jara noch einen besonderen Hieb versetzte. "Toppmöller bringt genau das, was wir bisher vermisst haben: Leidenschaft und Begeisterung."
"Körpersprache" von Mannschaft und Trainer ausschlaggebend
Hoffmann sah sich wegen seines Wortbruchs zu einer öffentlichen Entschuldigung bei Jara, Mannschaft, Fans und Medienvertretern gezwungen. Für den plötzlichen Meinungswandel lieferte Sportchef Beiersdorfer die Begründung: "Die Körpersprache von Mannschaft und Trainer hat uns zum Umdenken bewogen." Die Trennung von Jara sei keine Meisterleistung, dennoch stehe die HSV-Führung dahinter. "Die moralische Bewertung müssen wir anderen überlassen", meinte Beiersdorfer.
Toppi will "Euphoriewelle" auslösen
Toppmöller, der seit seiner Entlassung bei Bayer Leverkusen am 16. Februar dieses Jahres arbeitslos war, will in Hamburg einen Verein "mit dem besonderen Klick" gefunden haben. "Die Mannschaft hat unter ihren Möglichkeiten gespielt. Ich will dem HSV neues Leben einhauchen. Ich will hier eine Euphoriewelle lostreten wie schon in Mannheim, Frankfurt, Saarbrücken und Leverkusen", verkündete der ehemalige Erfolgstrainer von Leverkusen. Der 52-Jährige will mit dem Bundesliga-Dino "an alte glorreiche Zeiten" anknüpfen. Beiersdorfer schwärmte von der Begeisterung und dem Detailwissen des gebürtigen Rivenichers. Noch vor der ersten Übungseinheit gab Toppmöller der Mannschaft auf den Weg: "Bei mir wird knallhart nach Leistung aussortiert."
Spieler stehen zu Jara
Die Spieler stehen dem Trainerwechsel mehrheitlich skeptisch gegenüber. "Das ist für Kurt Jara entwürdigend", klagte Abwehrspieler Milan Fukal den Vorstand für die Abkehr von eigenen Grundsätzen an und befürchtet sogar negative Auswirkungen auf die Motivation in der Mannschaft. Von "deprimierend" (Kapitän Nico Jan Hoogma) bis "brutal" (Martin Pieckenhagen) reichten die Beschreibungen.