Fußball-Deutschland trauert um Jupp Derwall. Der ehemalige Bundestrainer, der die deutsche Nationalmannschaft zwischen 1978 und 1984 betreute und sie zur Europameisterschaft führte, erlag am Dienstag im saarländischen St. Ingbert im Alter von 80 Jahren einer kurzen, schweren Krankheit. Der deutsche Fußball-Bund erklärte, mit Derwall verliere der deutsche Fußball "einen herausragenden Trainer, der in seiner Zeit eine hohe internationale Anerkennung hatte".
Spott, Mäkelei und Beleidungen
Der Fußballlehrer, der seit 1970 dem Stab von Weltmeister-Trainer Helmut Schön angehörte und den "Langen" schließlich beerbte, hatte es nicht leicht. Schon vor Amtsantritt äußerten Kritiker Bedenken gegen Derwall, weil sie dem jovialen und meist gut gelaunten Rheinländer den knallharten Job nicht zutrauten, ihn als "Häuptling Silberlocke" gar verspotteten.
Doch Derwall erwies sich als zäher denn vermutet und eilte mit der Nationalmannschaft zu einer eindrucksvollen Erfolgsserie. Seine Ägide begann mit 23 aufeinander folgenden Spielen ohne Niederlage. Die Mäkeleien verstummten, als die Nationalmannschaft 1980 in Rom Europameister wurde. Ein weiterer, allerdings von Enttäuschung über die entscheidende Niederlage begleiteter Erfolg war der zweite Platz bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien.
Eine 0:1-Niederlage gegen eben dieses Spanien in der Vorrunde der Europameisterschaft 1984 besiegelte dann das Ende der Ära Derwall: Die Boulevardpresse und Fans setzten den Bundestrainer mit herabsetzenden, teilweise sogar beleidigenden Anwürfen dermaßen unter Druck, dass Derwall sich zum Rücktritt gezwungen sah. Nach der Achterbahnfahrt von sechs Jahren im Amt des Bundestrainers betreute der am 10. März 1927 in Würselen bei Aachen geborene Wahlsaarländer von 1984 bis 1988 den renommierten türkischen Verein Galatasaray Istanbul und gewann mit seiner Mannschaft zwei Meisterschaften und den Pokal.
Späte Genugtuung in der Türkei
Der Erfolg in der Fremde trug zu Derwalls Rehabilitierung bei, und man erinnerte sich plötzlich wieder daran, dass der einstige Bundestrainer von den 67 Länderspielen unter seiner Regie 45 gewann und nur elf verlor. Nachfolger als Nationalcoach wurde im Übrigen Franz Beckenbauer, der Deutschland 1990 zum Weltmeistertitel führte.
1989 kehrte Derwall nach Deutschland zurück und lebte fortan im saarländischen Dudweiler oder in Lenzerheide in der Schweiz. Er ließ es ruhiger angehen, zumal ihn 1991 ein Herzinfarkt ereilte. Als Spieler erreichte er mit Alemannia Aachen 1953 das Pokalfinale, in seiner Zeit bei Fortuna Düsseldorf wurde er als Halbstürmer in die Nationalmannschaft berufen. Später trainierte er die deutsche Amateur-Nationalmannschaft und führte sie 1974 zum geteilten Europameistertitel - kampflos gegen Mittitelträger Jugoslawien, weil der Endspielplatz für die Finalisten unbespielbar war.
Die späte Genugtuung in der Türkei tat das ihre, dass Derwall im Alter auf überwiegend gute Erinnerungen zurückblicken konnte. So verlieh die Universität Hacattepe in Ankara dem Fußballrepräsentanten aus Deutschland die Ehrendoktorwürde. Und hinzu kam ein auch finanziell höchst lukratives Angebot: Galatasaray offerierte "Häuptling Silberlocke" einen Trainervertrag auf Lebenszeit. Doch Derwall sagte Nein und kehrte der Türkei den Rücken