Pokalfinale Dortmund gegen Bayern Schwarze Bestie statt schwarze Serie

Von Klaus Bellstedt
Vier Mal haben die Bayern zuletzt gegen den BVB verloren. Im Pokalfinale kommt es nun erneut zum Gigantentreffen. Besiegen die Münchner endlich den Fluch? Die Chancen stehen gut.

Das nennt man dann wohl schwarze Serie: Nach den vergangenen vier Partien gegen Borussia Dortmund schlichen die Münchner als Verlierer vom Platz. Die letzte Pleite liegt gerade erst ein paar Wochen zurück. Am 30. Spieltag schlug der BVB das Team von Trainer Jupp Heynckes mit 1:0 - und machte damit einen Riesenschritt in Richtung Titelverteidigung. Arjen Robben verschoss damals einen umstrittenen Foulelfmeter gegen Roman Weidenfeller. Zu einer Neuauflage dieses ganz persönlichen Duells könnte es am Abend beim Pokalfinale in Berlin zwischen den beiden besten deutschen Fußballmannschaften wieder kommen - spätestens in einem möglichen Elfmeterschießen. Aber im Fokus stehen noch andere Rasen-Begegnungen.

1. Robert Lewandowski gegen Holger Badstuber und Jerome Boateng

Dortmund Stürmer war beim 1:0-Erfolg im Meisterschaftsendspiel vor vier Wochen der entscheidende Mann auf dem Platz. Lewandowski war nicht nur der Schütze des goldenen Tores, der Pole behauptete sich - wie so oft in dieser Saison - glänzend im Angriffszentrum, war stets anspielbereit und strahlte eine enorme Torgefahr aus. Bayerns Innenverteidiger Holger Badstuber und Jérôme Boateng arbeiteten sich wechselseitig an dem kantigen Angreifer ab - mit mäßigem Erfolg. Die beiden deutschen Nationalspieler agierten an diesem aus Münchner-Sicht so verhängnisvollen Abend insgesamt gar nicht mal schlecht, aber der Pole war einfach: besser. In Berlin beim Pokalfinale wird es für die Defensiv-Säulen der Bayern darauf ankommen, Lewandowski vor allem rechtzeitig zu attackieren und diesen vielleicht auch mal zu doppeln. Der Stürmer, der Zuspiele aus dem Mittelfeld oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor annimmt, sich blitzschnell wendet und zum Abschluss kommt, ist sonst nur ganz schwer zu verteidigen. "Robert Lewandowski sollte man 90 Minuten plus x auf den Füßen stehen", hat Gladbachs Trainer Lucien Favre mal gesagt. Badstuber und Boateng sollten sich diesen Ratschlag für den Abend im Olympiastadion zu Herzen nehmen.

Vorteil BVB, Lewandowski ist der Schrecken der Strafräume und ein gnadenloser Knipser, den man auch im Doppelpack nicht ausschalten kann.

2. Lukasz Piszczek gegen Franck Ribéry

Auf dieses Duell kann man sich als objektiver Betrachter des Pokalfinales nur freuen. Warum? Weil der Dortmunder seine Außenverteidiger-Rolle so modern wie kein anderer im deutschen Fußball interpretiert - und Ribéry so etwas überhaupt nicht mag. Piszczek beschränkt sich eben nicht nur darauf, stur sein Terrain in der Defensive zu verteidigen, er schaltet sich auch selbst immer wieder mit in die Angriffe des BVB ein. In der Bundesliga gelangen dem Polen in dieser Saison vier Tore und acht Assists - ein glänzender Wert für einen Abwehrspieler. Wenn es Pisczczek auch im Pokalendspiel gelingen sollte, Ribéry dazu zu zwingen, defensiv zu arbeiten, wäre das in diesem heißen Zweikampf schon die halbe Miete. Blöd nur aus der Sicht des Borussen, dass sich der Franzose jetzt schon seit Wochen in bestechender Verfassung befindet. Seine Sprints und Dribblings haben eine nie dagewesene Wucht. Der Ballkünstler befindet sich rechtzeitig vor den Saisonhöhepunkten in der Form seines Lebens. Jeder Rechtsverteidiger der Welt hat es da schwer.

Vorteil Bayern, Ribéry ist so fit wie nie und von nichts und niemandem zu stoppen.

3. Sebastian Kehl gegen Toni Kroos

Zugegeben: Im Mittelfeld ist eine Zuordnung der Pärchen wegen der Raumdeckung natürlich problematisch, aber dass sich Sebastian Kehl und Toni Kroos in Berlin öfter als nur beim Shakehands kurz vor dem Anpfiff begegnen werden, ist nahezu gesichert. Der Kapitän des BVB ist einer der größten Gewinner der Saison. Wegen einer unfassbaren Verletzungsserie stand Kehl vor anderthalb Jahren noch kurz vor der Invalidität. Die Meisterschaft im vergangenen Jahr war nicht seine, diese jetzt umso mehr. Kehl absolvierte in der Liga 27von 34 Spielen und ist vielleicht so stark wie nie. Als die Borussia die Bayern im April zum vorerst letzten Mal in die Knie zwangen, degradierte der schwarz-gelbe Leader Toni Kroos in der ersten Hälfte zum Statisten. Kehl hat ein wunderbares Gefühl für ein Spiel, stopft viele Löcher und verfügt noch dazu über ein exzellentes Timing beim Kopfball. Kroos muss irgendwie versuchen, sich dem Dortmunder Allrounder im Mittelfeld zu entziehen. Der Nationalspieler muss mutig agieren und seinen manchmal zu sehr auf Sicherheit gepolten Stil ablegen. Gelingt ihm das, können seine öffnenden Pässe Spiele entscheiden. Die Fähigkeiten dazu hat Kroos, Kehl hat andere Stärken.

Unentschieden. Kehl und Kroos begegnen sich auf Augenhöhe.

4. Shinji Kagawa gegen Luiz Gustavo

Entscheidet sich Jupp Heynckes gegen den BVB für eine eher etwas defensivere Ausrichtung, dann würde die Doppelsechs wohl aus Bastian Schweinsteiger und Luiz Gustavo bestehen. Der Brasilianer bekäme es dann wie vor vier Wochen in erster Linie mit Shinji Kagawa zu tun. Und damals machte es der beinharte Brasilianer, der sich in dieser Saison einen Stammplatz bei den Bayern erkämpft hat, richtig gut. Schnell, bissig, zupackend: Luiz Gustavo spielte genau so, wie es sich gegen Dortmunds Superdribbler gehört. Kagawa ist aber natürlich trotzdem nie ganz auszuschalten. Genau wie Gustavo hat sich der Japaner im Laufe der Saison immer weiter gesteigert, 24 Scorerpunkte (11 Tore + 13 Assists) stehen für ihn zu Buche. In diesem Duell wird es auch auf den ersten (unfairen) Zweikampf ankommen. Und darauf, wie der Schiedsrichter diesen interpretieren wird. Sieht Gustavo schnell die Gelbe Karte, spielt das dem BVB in die Karten. Denn kaum ein anderer Spieler bei den Bayern lebt so sehr von seiner Zweikampfhärte und Zweikampfstärke wie der defensive Mittelfeldmann.

Wieder Unentschieden. Gustavo und Kagawa sind beide in Topform und heiß auf Titel. Besonders der Brasilianer, der fehlt den Bayern ja im Champions-League-Endspiel ... .

5. Roman Weidenfeller gegen Arjen Robben

Elfmeter verschossen, Großchance vergeben, Abseits beim Gegentor aufgehoben: An Arjen Robben nagen die bitteren 90 Minuten vom 11. April in Dortmund ganz besonders. Der Niederländer ist ein Ehrgeizling. Und genau deshalb würde er trotz des verunglückten Strafstoßes am Samstag erneut gegen Roman Weidenfeller vom Punkt antreten. Das hat Robben vor der Partie schon mal verlauten lassen. Dass er wieder Verantwortung übernehmen kann, hat der Flügelstürmer im denkwürdigen Königsklassen-Halbfinale gegen Real Madrid schon bewiesen, als Robben per Elfmeter Iker Casillas bezwang und zum zwischenzeitlichen 1:2 traf. In einem möglichen Shootout nach Verlängerung, aber vielleicht sogar schon aus dem laufenden Spiel heraus, könnte es in Berlin also wieder zu diesem Duell kommen. Roman Weidenfeller hat sich im Laufe seiner Karriere bis zu jenem Schuss von Robben nicht eben als Elfer-Killer hervorgetan, im April versorgte ihn Torwarttrainer Teddy de Beer mit den nötigen Informationen über die Schießgewohnheiten des Niederländers und schickte ihn so in die richtige Ecke. Aber ganz so leicht wird es dieses Mal für den Keeper der Dortmunder nicht, dafür ist Robben viel zu abgezockt. Frag nach bei Casillas!

Vorteil Robben! Wie schon erwähnt: In Madrid hat er Nervenstärke bewiesen und sich so eine Extraportion Selbstvertrauen zugefügt. Der Niederländer traf übrigens zuletzt auch am 34. Spieltag gegen Köln mit einem Traumtor. Nichts spricht dafür, dass Robben ein weiteres Mal vom Punkt versagen wird. Da kann sich Weidenfeller noch so sehr strecken.

Fazit:

Die Bayern, denen spätestens nach dem Sieg über Real wieder der Ruf der "Schwarzen Bestie", der "bestia negra", vorauseilt, liegen in den entscheidenden Duellen dieses Pokalfinales unserer Meinung nach in der Endabrechnung ganz knapp vor Borussia Dortmund. Abgesehen davon: In Berlin geht es auch um das Renommee der Münchner. Denn fünf Niederlagen nacheinander gegen den BVB würden der stolzen Mia-san-Mia-Seele doch ziemlich arge Schmerzen bereiten.

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