Joseph Blatter gibt auf. In einer kurzen Rede formulierte er die Worte, die selbst im Sumpf der andauernden Korruptionsvorwürfe an seinen Verband niemand erwartet hatte: Der 79 Jahre alte Schweizer tritt als Präsident des Fußball-Weltverbandes zurück. "Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der Fifa und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist", sagte Blatter in französischer Sprache. Durch die Wahl am vergangenen Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die Fifa-Mitglieder bekommen, "aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. "Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlich Kongress niederzulegen."
Warum die Entscheidung jetzt kommt und wie es weitergeht: die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum tritt Blatter ausgerechnet jetzt zurück?
Der Zeitpunkt - nur vier Tage nach der Wiederwahl - überrascht. Am Wochenende hatte Blatter noch überzeugt für seinen Kurs gekämpft, der Schweizer Zeitung "Sonntagsblick" ein großes Interview gegeben und gegen seine Kritiker ausgeteilt. Die gängigste Spekulation: Sepp Blatter ahnt oder weiß, dass ihm eine Ermittlung droht. Laut US-Medienberichten vom Abend soll er sogar schon mittendrin stecken. Der Sender "ABC" und die "New York Times" berichten von FBI-Ermittlungen gegen Blatter und berufen sich dabei auf Insider und offizielle Stellen.
Hat der Rücktritt mit den Bestechungsvorwürfen zu tun?
Am Dienstagmorgen waren erstmals Vorwürfe gegen Blatters engsten Vertrauten, Generalsekretär Jerome Valcke, bekannt geworden. Er soll laut der "New York Times" dem ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner zehn Millionen Dollar vor der WM-Vergabe nach Südafrika auf ein US-Konto überwiesen haben. Valcke soll allerdings nicht gewusst haben, dass es sich um Bestechungsgelder handelt. Die Fifa hatte die Vorwürfe im Tagesverlauf zurückgewiesen. Ob es genau diese Anschuldigungen gewesen sind, die bei Sepp Blatter für die Rücktrittsentscheidung gesorgt haben, ist noch unklar.
Wann wird Blatters Nachfolger gewählt?
Blatter wird bis zu einem außerordentlichen Fifa-Kongress, der zwischen Dezember 2015 und März 2016 stattfinden soll, Präsident bleiben. Erst dann wird es die Wahl eines offiziellen Nachfolgers geben. In der Zwischenzeit will Blatter mit Fifa-Finanzaufseher Domenico Scala Reformen vorantreiben.
Was passiert bis zur Neuwahl?
Es ist davon auszugehen, dass die Fifa ihrer täglichen Arbeit ganz normal weiter nachgehen wird, geleitet von Blatter und Domenico Scala. Welche Rolle Sepp Blatter in der Übergangszeit bis zum nächsten Kongress genau spielt, darüber lässt sich unmittelbar nach Rücktritt nur spekulieren. Mit Blick auf die Wahl gibt es viele Fragen: Wer ist der neue Kandidat? Das Gemauschel und Geschachere wird in den nächsten Monaten zunehmen.
Zudem gibt es große Aufgaben im Hinblick auf die versprochenen Reformen der Fifa. Vorschläge müssen erarbeitet und gegebenenfalls umgesetzt werden. Die Frage bleibt: Welche Überraschungen bergen die FBI-Ermittlungen noch und welche Fifa-Funktionäre müssen noch zurücktreten?
Was passiert mit der WM in Russland?
Der englische Fußball-Verband hat aufgrund der jüngsten Verhaftungen und Anklagen wegen Korruption einen Boykott der Russland-WM verlangt. Noch ist offen, ob die Engländer bei ihrer Forderung bleiben. Aufgrund der Tatsache, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach einen Boykott für Deutschland ausgeschlossen hat und sich kein weiterer Nationalverband der Forderung angeschlossen hat, ist davon auszugehen, dass am Ende die WM in Russland stattfinden wird.
Was passiert mit der WM in Katar?
Für die WM in Katar ist die Lage nicht so eindeutig. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Herrscherfamilie des Wüstenstaates lässt WM-Stadien und eine gigantische Infrastruktur aus dem Boden stampfen. Doch die Widerstände gegen Katar wachsen. Zuletzt plädierte der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm nach einem Besuch in dem Land für einen Boykott, im dem ausländische Arbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften und es täglich Tote gibt. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die Fifa hier strenger auf die Einhaltung von Standards besteht und mehr Druck auf Katar ausübt.