Manchmal muss man sich auch selber loben. "Der linke Fuß hat's heute gebracht, Boyyy", schrieb Serge Gnabry auf Englisch auf seinem Instagram-Account, nachdem der FC Bayern mit einem 3:0 gegen Olympique Lyon erstmals seit 2013 wieder ins Finale der Champions League eingezogen war. Mit seinen beiden Toren in der ersten Halbzeit hatte der 25-jährige Nationalstürmer maßgeblichen Anteil daran.
Vor allem das erste Tor war wichtig; erzielt, eher untypisch, mit seinem schwächeren linken Fuß nach einem für ihn eher typischen High-Speed-Sprint. Zu diesem Zeitpunkt im Spiel war keineswegs klar, dass die hoch favorisierten Bayern es wirklich ins Finale schaffen würden. Lyon war bis dahin gefährlicher, hatte die besseren Chancen und gezeigt, dass man die Münchner Abwehr durchaus ins Schwimmen bringen kann. Doch just nachdem Toko Ekambi in der 18. Minute den Pfosten von Manuel Neuers Tor getroffen hatte, riss Gnabry das Spiel im Gegenzug herum. Er sprintete von rechts in hohem Tempo in die Mitte, ließ sich nicht aufhalten und zog von der Strafraumgrenze ab. Mit links! Lyons Torhüter Anthony Lopes konnte nichts mehr retten. "Gerade zum richtigen Zeitpunkt hat er das erste Tor erzielt. Serge hat gerade in der Champions League viele Sahnetage", lobte Kapitän Neuer.
Serge Gnabry: Neun Tore in neun Spielen
Wo Neuer recht hat, hat er recht. Mit seinen beiden Treffern gegen den Siebten der französischen Liga hat Gnabry nun im Schnitt in jedem seiner Champions-League-Spiele der Saison getroffen. Neun Mal insgesamt. Man muss schon Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Robert Lewandowski heißen, um eine solche Quote zu übertreffen. Und diese Quote ist kein Zufall. Auch in der Nationalmannschaft hält der Bayern-Stümer den Schnitt: 13 Tore in 13 Spielen. Zum Olympia-Silber des deutschen Teams in Rio trug Gnabry in sechs Spielen - genau - sechs Treffer bei. In der Bundesliga trifft er im Schnitt in jedem zweiten Spiel.
In der deutschen Topliga landete der gebürtige Stuttgarter aber auf Umwegen. Noch ehe die deutschen Spitzenclubs ihn so richtig auf der Rechnung hatten, folgte er mit 16 Jahren dem Ruf auf die Insel. Arsenal London lockte das Sturmtalent für nur 100.000 Euro Aufwandsentschädigung vom VfB Stuttgart weg. Bei den "Gunners" wurde er zunächst in diversen Jugend- und Reserveteams eingesetzt - und zeigte überall seine Torgefahr. Doch trotz allen Talents: In der Premier League konnte der junge Gnabry nicht wirklich Fuß fassen. In seinen vier Jahren in England absolvierte er nur elf Partien in Englands höchster Klasse - zehn im Arsenal-Trikot und eines für West Bromwich Albion, wohin Gnabry ausgeliehen worden war.
Kühl und konzentriert: FC Bayern im Geisterspielmodus
Zuhause in Deutschland war das Talent trotzdem nicht in Vergessenheit geraten. Dass der FC Arsenal so früh auf Gnabry gesetzt hatte, hinterließ Eindruck. Regelmäßig wurde der Außenstürmer mit ivorischem Vater in die Jugendnationalmannschaft berufen, holte mit der U21 2017 - inzwischen in der Bundesliga angekommen - sogar die Europameisterschaft. Ebenfalls im Kader damals: Thilo Kehrer. Der Ex-Schalker und Nationalmannschaftskollege könnte Gnabry am Sonntag das Leben schwer machen. Kehrer gehört zum Stammpersonal der Defensive von Paris Saint-Germain.
Doch weder vom alten U21-Kollegen noch von Neymar, Kylian Mbappé, Angel di Maria oder den anderen Superstars im PSG-Kader wollen sich Gnabry und Co. aufhalten lassen. Während Tuchels Team den ersten Einzug in ein Finale der Königsklasse emotional feierte, verströmten Gnabry und Kollegen eher eine Einstellung, die wie gemacht scheint für das Corona-bedingte Geisterfinale am Sonntag in Lissabon: erfreut, aber sehr konzentriert. Bisher war das enorm erfolgreich: Die Bayern haben alle ihre Spiele vor leeren Rängen siegreich gestaltet.

Noch einmal umrühren
"Wir wollen das Triple unbedingt gewinnen", ließ Gnabry die eigenen Fans, aber auch Gegner PSG nach seiner Zwei-Tore-Gala gegen Lyon wissen, "und werden am Sonntag alles geben, um den Titel zu holen." Vielleicht ja wieder mit einem Tor von Serge Gnabry, der dann einmal mehr Gelegenheit hätte, seinen besonderen Torjubel zu zeigen: die Rühr-Geste. Ein Torjubel, der ein Vorbild hat: "Der kommt aus der NBA", erklärte Basketball-Fan Gnabry in diversen Medien, "James Harden hat das so gemacht". Der Superstar von den Houston Rockets, wegen seiner üppigen Gesichtsbehaarung als "The Beard" bekannt, zeige das "Cooking" immer dann, wenn er besonders viele Punkte gemacht habe.
Bersonders viele Treffer müssen es am kommenden Sonntag vielleicht gar nicht sein. Einmal umrühren und dann das Saison-Triple sowie den dritten Champions-League-Titel feiern, das würde Serge Gnabry und den übrigen Bayern sicherlich reichen.
Quellen: Instagram/Serge Gnabry; Transfermarkt; "Sportbuzzer"; Nachrichtenagentur DPA