Sein Verhandlungsgeschick gilt als legendär, und Karl-Heinz Rummenigge hatte im Januar 2012 die passende Anekdote dafür parat. Den 60. Geburtstag von Uli Hoeneß beging der FC Bayern damals im nobel hergerichteten Münchner Postpalast. Gekommen waren viele Weggefährten, von Wirtschaftsbossen über Funktionäre aus Politik und Fußball bis hin zu aktuellen und ehemaligen Spielern.
Es wurde gegessen und gelacht, und später, als die Stimmung schon recht gelöst war, stand der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende auf der Bühne mit Moderator Thomas Gottschalk, sang, schunkelte und schwenkte wie ein Fan den roten-weißen Vereinsschal über seinem Kopf. Schöne Momente voller Wertschätzung genoss Hoeneß an diesem Abend. Doch die rührendsten für ihn waren jene, als Rummenigge seine Anekdoten über den "Manager, Macher, Mensch" Hoeneß erzählte.
Als 1999 der Spieler Roque Santa Cruz aus Paraguay verpflichtet wurde, so berichtete der Vorstandsvorsitzende also in seiner Laudatio, hatte Hoeneß den Preis von 17 Millionen auf zehn Millionen Mark gedrückt, mit dem Hinweis auf seine Angst vor dem Vereinsbeirat, der ihm im Nacken sitze und ihn andernfalls hochkant rauswerfen werde. Der Präsident von Olimpia Asuncion habe damals trotz "Sicherheitskräften samt Pumpgun vor der Tür beinahe selber Angst bekommen vor diesem furchterregenden Beirat" - und dem Deal für zehn Millionen Mark zugestimmt.
Später, beim Zwischenstopp in Buenos Aires, sei "Uli ein malader, aber auch glücklicher Mensch" gewesen, trotz des Muskelfaserrisses, den er sich beim Spurt durchs Terminal von Asuncion zugezogen hatte, weil sie den ersten Flieger zu verpassen drohten. In Buenos Aires saßen sie dann in einer Churrascaria, einem Restaurant, und speisten fürstlich. Hoeneß habe sich ins Fäustchen gelacht, erzählte Rummenigge. "Denen haben wir eine schöne Lektion erteilt", habe Hoeneß gesagt, woran man sehe, befand Rummenigge, "warum mitten im Wort Manager die Silbe Ätsch steckt". Ein größeres Kompliment hätte er dem Metzgersohn aus einfachen Verhältnissen in Ulm kaum machen können. Hoeneß herzte Rummenigge nach der Rede innig.
Wie sehr Hoeneß nun seinen Punktsieg bei der Aufsichtsratssitzung am Montagnachmittag in der Münchner Allianz Arena genießt, darüber kann man nur mutmaßen. Doch zumindest bis auf Weiteres heißt es für den Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden jetzt, wenn man so will: Ätsch, ich bleibe!
Er behält alle Insignien der Macht
Mit den acht Gremiumsmitgliedern, Rummenigge und den drei weiteren Vorständen der FC Bayern München AG hatte Hoeneß zuvor getagt. Herausgekommen war dabei ein Ergebnis, mit dem wegen der Steueraffäre nicht unbedingt zu rechnen war: Uli Hoeneß lässt seine beiden Ämter nicht ruhen, nicht jetzt und nicht nach dem Finale der Champions League am 25. Mai in London gegen Borussia Dortmund. Sondern: Es passiert nichts.
Wie Hoeneß es Stück für Stück geschafft hat, dieses Zugeständnis von den Vereinswächtern zu erhalten, ist nicht bekannt. Der Verein teilte lediglich mit, der 61-Jahrige habe sein Bedauern "über den Vorfall ausgedrückt und sich entschuldigt" sowie dem Gremium "angeboten, das Amt des Aufsichtsatsvorsitzenden ruhen zu lassen, bis die zuständigen Behörden über die strafbefreiende Wirkung seiner Selbstanzeige entschieden haben".
Im Interesse des FC Bayern und wegen der beiden Endspiele in der Champions League und im DFB-Pokal am 1. Juni habe sich der Aufsichtsrat "nach intensiver Diskussion einvernehmlich entschieden", dass Hoeneß seinen Vorsitz "weiter ausüben soll".
Nicht kann, sondern soll. Dass zumindest Teile des Gremiums, vor allem die Vorstände der Großsponsoren Audi und Adidas, die mit je 9,1 Prozent an der AG beteiligt sind, Bedenken drücken, war aber schon herauszulesen. Man werde "die Angelegenheit weiterhin beobachten und sich bei Vorliegen neuer Erkenntnisse mit dem Thema befassen".
Taktieren mit der Staatsanwaltschaft
Für Hoeneß ist das ein Etappensieg. Er hat sich Luft verschafft. Und er will sein Lebenswerk FC Bayern unbedingt fortführen. Zugleich verbessert sich möglicherweise seine Position im juristischen Ringen mit der Staatsanwaltschaft. Laut Medienberichten hat Hoeneß ja schon versucht, über seine Anwälte einen Deal mit der Behörde einzufädeln. Demnach sei er bereit, eine Geldstrafe und eine Haftstrafe für ein Jahr auf Bewährung zu akzeptieren. Das Gesuch soll abgelehnt worden sein - heißt es jedenfalls.
Doch möglicherweise steht eine Einigung in Aussicht, trotz der immer wieder genannten angeblichen Steuerschuld von 3,2 Millionen Euro, womit die Bewährungsgrenze eigentlich deutlich überschritten wäre. Vielleicht hat Hoeneß die Aufsichtsräte mit der Perspektive besänftigt, vielleicht doch nicht ins Gefängnis zu müssen. Schließlich sind die Aufseher um das Image des Klubs besorgt - und vor allem um ihr eigenes.
Hoeneß selbst dürfte seinen Teilerfolg jedenfalls als ein Signal der Stärke gegenüber der Justiz verstehen. Und offenbar ist er sich sicher, dass er bei seiner Selbstanzeige allenfalls Formfehler, inhaltlich aber alle nötigen Schuldeingeständnisse gemacht hat. Jetzt kann er für sich beanspruchen, dass führende Wirtschaftskräfte hinter ihm stehen.
Und auch aus der Politik hatte es kurz vor der Sitzung bereits derartige Verlautbarungen gegeben. "Es ist in meinen Augen vertretbar, wenn Uli Hoeneß bis zur vorläufigen Klärung der Angelegenheit durch die Staatsanwaltschaft als Präsident im Amt bleibt. Dafür hätte ich Verständnis", hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) der Online-Ausgabe der Münchner "Abendzeitung" gesagt. "Er muss nicht vorher zurücktreten, ehe die Behörden abschließend ermittelt haben. Dafür gibt es die Rechtsstaatlichkeit."
In Limousinen waren sie gekommen, in Limousinen brausten sie auch wieder davon, die acht Aufsichtsräte der FC Bayern München AG und der Vorsitzende des Gremiums, Präsident Uli Hoeneß. Bei der großen Geburtstagsgala zu seinem 60. Geburtstag waren viele von ihnen dabei. Kumpel Seehofer überreichte ihm, dem in Ulm im heutigen Baden-Württemberg geborenen Hoeneß, damals eine Einbürgerungsurkunde. "Civis Bavariensis honoris causa", stand darauf, Bayer ehrenhalber. Und an der großen Leinwand des Postpalastes war ein Leitspruch von Uli Hoeneß zu lesen: "Geht nicht, gibt‘s nicht."