Kommt ein Mann zum Arzt. "Sie haben eine hässliche rote Hose an", sagt der Arzt. "Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen", antwortet der Mann und geht. Klingt wie ein missratener Witz, bloß wird nach ähnlichem Muster derzeit in der Führungsetage des größten Sportverbandes der Welt diskutiert. Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) geht es in diesen Tagen um so etwas wie die Farbe der Hose. Um Äußerlichkeiten, um Oberflächliches – eine Diagnose jedoch, woran der sieben Millionen Mitglieder starke Verband wirklich krankt, stellt hier niemand.
Der DFB denkt gerade laut darüber nach, ob der Claim "Die Mannschaft" noch zum Männer-Nationalteam passt. Sportdirektor Oliver Bierhoff findet ihn gut, Hans-Joachim Watze, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Mitglied des DFB-Präsidiums, findet ihn schlecht. Der Markenname würde arrogant wirken, meint Watzke, der allerdings selbst seit Jahren laut und wenig bescheiden versucht, eine Marke zu werden.
Aktuelle Studie befeuert Diskussion
Die Diskussion um den Claim wird nun durch eine aktuelle Studie befeuert. Das Nürnberger Institut SLC Management will nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung herausgefunden haben, dass die Bevölkerung mit dem Markennamen "Die Mannschaft" fremdelt. Die Zustimmung sei von 55 Prozent im Jahr 2016 auf 21 Prozent in 2022 gesunken. Laut SLC wünschen sich 78,4 Prozent der insgesamt 5300 Befragten, dass der Claim wieder abgeschafft wird. Studienleiter Alfons Madeja kommt zu dem Schluss, dass das Label gescheitert sei.
Stimmt dies tatsächlich? Ist "Die Mannschaft" nur der falsche Name für das richtige Produkt? Oder ist es nicht vielmehr umgekehrt – das Etikett schon okay, aber das Produkt selbst mit Mängeln behaftet?
Der Verpackungskünstler Bierhoff hatte den Claim seiner Elf übergestülpt, nachdem sie 2014 die Weltmeisterschaft gewonnen hatte. Damals hatte Bierhoff jedes Recht, sein Team "Die Mannschaft" zu nennen – denn das war sie ja auch nach dem Triumph in Brasilien: Die Mannschaft der Stunde, auf die der Rest der Fußballwelt blickte. Bloß ging es nach der Nacht von Rio (Flanke Schürrle, Drehschuss Götze) stetig abwärts. Tiefpunkt war die WM 2018 in Russland, als Titelverteidiger Deutschland bereits nach der Vorrunde ausschied, als Gruppenletzter hinter Südkorea.
Von diesem Turnier hat sich die Nationalmannschaft bis heute nicht erholt. Die Beliebtheitswerte sinken; der DFB hatte zuletzt bei einigen Heimspielen Mühe, die Stadien zu füllen. Mitunter wurden Karten verschenkt (wie in Wolfsburg, beim Spiel gegen Liechtenstein), damit es nicht allzu sehr nach Geisterstunde aussah auf den Rängen und Tribünen.
Viel Mittelmaß
Im August vergangenen Jahres war dann die bleierne Zeit unter Joachim Löw endlich beendet. Mit Hansi Flick als neuem Bundestrainer hoffte man, verloren gegangene Sympathien zurückzugewinnen. Flick legte auch gut los: Die Qualifikation für die WM in Katar war ohne Makel, Sieg reihte sich an Sieg. Bloß in diesen Tagen, in der Nations League, vermag Flicks Elf das Publikum nicht mehr zu entflammen. 1:1 gegen Italien, 1:1 gegen England, 1:1 gegen Ungarn. Nichts Berauschendes, nichts Großes, viel Mittelmaß stattdessen.
Umso irritierender ist es, dass jetzt um einen Claim gestritten wird in der DFB-Spitze. Die wirklich drängenden Fragen in der Frankfurter Verbandszentrale lauten: Wie kommt diese Mannschaft noch in WM-Form – bei nur noch wenigen Tagen gemeinsamer Vorbereitungszeit? Woher einen Mittelstürmer nehmen? Wer spielt defensiv auf den Außenbahnen? Begabte Flügelläufer gibt es viele in Flicks Kader – aber wer beherrscht auch die Kunst der Verteidigung?
Ziemlich dröge, ziemlich biedere Themen sind das. Sie aber gilt es zu allererst zu beantworten, wenn man irgendwann mal wieder einen großen Titel gewinnen und den Titel "Die Mannschaft" mit einigem Recht tragen will.