Die ausländerfeindliche Gewalt in Südafrika stellt nach Ansicht des UN-Sonderberaters Willi Lemke die Fußball-WM 2010 in dem Land infrage. "Die Bilder aus Südafrika waren furchtbar. Sie belasten die Fußball-Weltmeisterschaft enorm", sagte der Sonderberater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für Sport, Entwicklung und Frieden.
Er hoffe, dass es sich bei den Übergriffen der jüngsten Zeit um einen "einmaligen Ausbruch" gehandelt habe, sagte Lemke und fügte hinzu: "Denn wenn sich diese Szenen noch einmal wiederholen sollten, wird die Fifa ihre Entscheidung für Südafrika überdenken und zur Not die Reißleine ziehen." Er mahnte aber auch, Südafrika nicht schon jetzt unter Druck zu setzen.
Ausländerfeindlichkeit ein Thema
Lemke kündigte an, er werde im Juni in Südafrika an einer Konferenz über Kriminalitätsbekämpfung durch Sport teilnehmen. "Das hat natürlich eine hohe Aktualität erhalten durch das schreckliche Verhalten der Menschen dort. Ich werde mir aber natürlich auch berichten lassen, wie die Vorbereitungen für die WM insgesamt vorankommen", sagte Lemke. Schließlich gebe es auch auf anderen Gebieten - etwa der Logistik - noch enorme Probleme. "Aber das Thema Ausländerfeindlichkeit wird eine Frage sein, die beantwortet werden muss", forderte Lemke.
Allgemein sei es eine wichtige Entscheidung gewesen, die nächste Fußball-WM in Afrika stattfinden zu lassen. "Das gibt den Menschen ein unheimliches Selbstbewusstsein, und das brauchen sie auch bei all den ganzen Problemen, die sie dort sonst haben", sagte Lemke. "Es wäre daher auch fatal, wenn die Fifa zu dem Schluss käme, dass Südafrika es nicht rechtzeitig schafft."
"Nicht politisches Süppchen kochen"
Mit Blick auf das chinesische Vorgehen in Tibet bekräftigte Lemke sein Nein zu einem Boykott der Olympischen Spiele in Peking. "Wir sollten China und seine Politik vor den Olympischen Spielen sehr differenziert betrachten und uns genau überlegen, ob es richtig ist, die Olympischen Spiele politisch zu missbrauchen", sagte der oberste Sportbeauftragte der Vereinten Nationen. Natürlich könne man Sport und Politik nicht trennen. "Aber wer da von Boykott redet, der hat von Sport keine Ahnung und will nur sein politisches Süppchen kochen."
Kein Protest auf dem Podest
Der frühere Bremer Senator und langjährige Manager des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen verteidigte die Regeln des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), wonach einzelne Sportler sich während der Spiele nicht kritisch äußern sollen. "Ich halte es für notwendig und richtig, dass dort, wo die Olympischen Spiele direkt stattfinden, auf politische Meinungsäußerungen verzichtet wird." Natürlich müsse ein Sportler in Interview oder auf Pressekonferenzen schildern können, was ihm in China gefalle und was nicht. "Er soll aber nicht auf das Olympische Treppchen steigen und dann seine politischen Parolen herausgeben. Dafür sind die Olympischen Spiele nicht gemacht."
Dialog als Erfolg der Diplomatie
Kritisch äußerte sich Lemke zur Debatte, ob Politiker in Deutschland und Europa den Dalai Lama empfangen sollen. "Ich halte vielmehr davon, den Dialog zu verstetigen und konkret etwas für die Menschen in Tibet zu unternehmen“, sagte der SPD-Politiker. "Der jüngste Dialog zwischen China und Vertretern des Dalai Lama ist ein Erfolg, der auch auf die stille Diplomatie von Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier zurückzuführen ist. Darum sollte es gehen und nicht um große Schlagzeilen."
Ein Termin für eine Reise nach China und Tibet steht noch nicht fest. "Das furchtbare Erdbeben hat die Situation völlig verändert - auch für mich und meine neue Aufgabe als UN-Sonderberater für Sport", sagte Lemke. Er bekräftigte seinen Wunsch, sich an Ort und Stelle einen Eindruck zu verschaffen. "Wenn ich heute eine Einladung bekommen, dann sitze ich morgen im Flugzeug nach China."