Enttäuschung WM-Anpfiff ohne Ballack

Alles beten, kneten und massieren hat nichts geholfen: Michael Ballack wird beim Eröffnungsspiel gegen Costa Rica nicht auflaufen können - die Muskelverhärtung in der Wade wiegt doch zu schwer. Der Nationaltrainer hat bereits Alternativen.

Gastgeber Deutschland fühlt sich bereit zu großen WM-Taten - und das trotz der Unstimmigkeiten um den Ausfall von Anführer Michael Ballack. Das tagelange Kneten und Massieren der "Wade der Nation" war vorerst umsonst, doch das bittere Aus für den Kapitän im WM-Eröffnungsspiel ändert für Jürgen Klinsmann nichts an der Sieg-Vorgabe gegen Costa Rica und dem großen Vertrauen in seine junge und unerfahrene Mannschaft. "Wir hätten uns gewünscht, dass Michael Ballack an Bord ist. Er ist unser Leader und Kapitän. Es ist schade, aber weil wir wissen, wie gut alle drauf sind, ist das kein Problem", verkündete ein kämpferisch gestimmter Bundestrainer. Der 41-Jährige verkaufte die bittere Nachricht vor dem Auftaktspiel am Freitag (18.00 Uhr) in München sogar als Chance: "Das ist eine zusätzliche Motivation für uns."

Dass Klinsmann am Donnerstag nur ein öffentliches Verwirrspiel um Ballack aufgeführt haben könnte und die lädierte Wade über Nacht noch eine Wunderheilung erfährt, scheint ausgeschlossen. Der Bundestrainer scheut vielmehr jedes Risiko, weil der 29-jährige Mittelfeldstar im Turnierverlauf noch dringend gebraucht wird. "Das Allerwichtigste ist vorauszublicken. Wir hoffen, dass er zum zweiten Spiel zur Verfügung steht", betonte Klinsmann.

Verletzung "unterschätzt"

Das Topspiel der Vorrunde gegen Polen am kommenden Mittwoch wird zur neuen Zielvorgabe für den Kapitän, dem Klinsmann bei der Pressekonferenz vor der Anreise nach München unterschwellig vorhielt, nach der im Kolumbien-Spiel erlittenen Blessur nicht richtig reagiert zu haben. Statt frühzeitig die DFB-Ärzte zur Behandlung aufzusuchen, hatte Ballack den kurzen Pfingsturlaub bei seiner Familie bis zum Treffpunkt am Montag ausgeschöpft. Ballack habe die Verletzung "unterschätzt", sagte Klinsmann am Donnerstag wörtlich.

Nach der Ankunft in München wehrte sich Ballack mit deutlichen Aussagen gegen Unterstellungen, "unprofessionell gehandelt" zu haben. Er habe erst am Sonntagabend "leichte Muskelprobleme" verspürt. Der 29-Jährige ließ über den DFB sogar eine Stellungnahme verbreiten, in der er sich zur Wehr setzte: "Es ist fast schon eine Rufschädigung, wie über mich gesprochen und was über mich verbreitet wird." Er täte seit Tagen alles, um schnellstmöglich wieder fit zu werden. "Die WM ist das größte Ereignis meiner bisherigen Karriere." Klinsmann kündigte derweil an, dass Ballack Sonderschichten nach seiner Gesundung absolvieren müsse: "Er muss dann doppelt so viel arbeiten."

Klinsmann wild entschlossen

Klinsmann lebte am Donnerstag die Kampfeslust und Vorfreude im schwarz-rot-goldenen Team förmlich vor. Beim letzten Medienauftritt hatte er die Ärmel seines dunkelblauen Hemdes bereits hochgekrempelt, mit entschlossenen Parolen eröffnete er verbal den geplanten Sturmlauf Richtung Finale. "Jeder fiebert dem Moment entgegen, dass es losgeht. Die Mannschaft weiß, was sie will. Sie will einen positiven Start. Wir wollen einen Dreier. Wir werden uns zerreißen", versprach Klinsmann in beschwörenden Sätzen. Nach 1954, 1974 und 1990 ist der vierte WM-Stern auf dem DFB-Trikot das Ziel - die Rekordprämie von 300.000 Euro würde es jedem Spieler einbringen.

Der Projektleiter der "Mission 2006" weiß, dass wie vor vier Jahren beim deutschen WM-Rekordsieg gegen Saudi-Arabien (8:0) das erste Spiel Richtung weisend ist: "Was wir zeigen, wird die Stimmung vorgeben für die nächsten Tage." Einen "Selbstläufer" dürfe niemand erwarten, eher ein "Geduldsspiel" und einen Abnützungskampf. "Wir bekommen den ersten Gradmesser gegen Costa Rica. Die werden uns das Leben schwer machen von der ersten Sekunde an. Die werden auf alles losgehen, was sich bewegt", prophezeite Klinsmann.

"Von der ersten Minute an Vollgas geben"

Mental und physisch will der Gastgeber voll dagegen halten, der große Erwartungsdruck soll mit Hilfe des Publikums in positive Energie umgesetzt werden. Miroslav Klose, der 2002 in Sapporo mit drei Toren gegen die Saudis gleich durchstartete, glaubt fest an eine Siegesparty an seinem 28. Geburtstag. "Wir nehmen uns vor, von der ersten Minute an Vollgas zu geben und das Publikum hinter uns zu ziehen", sagte der Sturmführer, der sich trotz einer Bindehautentzündung am rechten Auge fit und in Top-Form fühlt.

Die harte Trainingsarbeit dürfte sich für Tim Borowski auszahlen. Der Bremer ist der logische Ersatzmann für Ballack, auch wenn Klinsmann den Dortmunder Sebastian Kehl mit als Nachrücker ins Spiel brachte. "Die laufen auf Hochtouren", sagte der Bundestrainer über die zwei Alternativen. Der offensivstarke Borowski und der defensive Kehl eröffnen mehrere taktische Variationsmöglichkeiten im Mittelfeld. Bei einer Versetzung von Bernd Schneider nach rechts in die Abwehrkette könnten im Extremfall sogar beide in der Startelf auflaufen. "Lasst Euch überraschen, was auf dem Spielberichtsbogen steht", entgegnete Klinsmann am Donnerstag den fragenden Reportern.

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