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Debatten vor dem Start Handball-WM – oder: So kompliziert sind Großveranstaltungen in der Pandemie

Uwe Gensheimer und leeres Handballstadion in Ägypten
Sehen Sie im Video: Turnier ohne Fans - Veranstalter wirbt mit irreführendem Video für Handball-WM.






Bilder von Menschen, die Flughäfen und Hotelanlagen desinfizieren damit Touristen unbekümmert nach Ägypten reisen können. Mit diesem Video wirbt der Veranstalter für die Handball-Weltmeisterschaft in Ägypten in wenigen Tagen. Die Bilder sind jedoch irreführend. Denn Zuschauer wird es nicht geben.
Das teilen die Veranstalter nun via Twitter mit. Damit reagieren sie auf einen Appell von 14 Kapitänen europäischer WM-Teilnehmer – darunter auch Uwe Gensheimer:
„Wir sind äußerst besorgt über die Corona-Situation und die Entscheidung, dass die Zuschauer an den Spielen teilnehmen dürfen. Unsere Besorgnis hat aufgrund der jüngsten Eskalation in den europäischen Ländern zugenommen. Für uns hat dies Bedenken hinsichtlich des Turniers ausgelöst.“
Auch in Ägypten schnellten die Zahlen der Neuinfektionen zuletzt hoch. Ursprünglich war geplant, die vier Hallen bis zu 20 Prozent mit Zuschauern zu befüllen.  Für die Partien in Ägyptens Handball-Tempel, der Cairo Stadiums Sports Hall, hätten so 3400 der insgesamt 17.000 Plätze belegt werden dürfen.
Die Handball-WM findet vom 13. bis 31. Januar in Ägypten statt.
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Lange Zeit verfolgten der Handball-Weltverband und die WM-Organisatoren den Plan, die Endrunde in Ägypten trotz der Corona-Krise mit Zuschauern auszutragen. Auf den letzten Drücker rücken sie doch noch davon ab. Fragezeichen rund um das Turnier bleiben aber.

Die Erleichterung der deutschen Handballer über den Fan-Ausschluss bei der WM in Ägypten war ebenso groß wie die Freude über den starken Auftritt im letzten WM-Test gegen Österreich. "Das ist eine sehr gute Nachricht für den Handball-Sport und seine Außenwirkung in den nächsten Wochen", sagte Torwart-Oldie Johannes Bitter nach der mit 34:20 (19:5) gewonnenen Turnier-Generalprobe über die gemeinsame Entscheidung des Weltverbandes IHF und der WM-Organisatoren.

Nach einem Gespräch zwischen IHF-Präsident Hassan Moustafa und dem ägyptischen Premierminister Mostafa Madbouly sowie weiteren hochrangigen Regierungsvertretern des nordafrikanischen Landes wurde das geplante Zuschauerkonzept mit einer Auslastung von 20 Prozent der Hallenkapazitäten am Sonntagabend auch auf Drängen von Europas Top-Nationen endgültig verworfen.

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Weltverband reagiert auf dringlichen Appell der Akteure

Ursprünglich hätten bis zu 1040 Zuschauer die Vorrundenspiele der DHB-Auswahl in Gizeh gegen Uruguay, Kap Verde und Ungarn verfolgen können. Bei den Partien in Ägyptens Handball-Tempel, der Cairo Stadium Sports Hall, hätten sogar 3400 der insgesamt 17.000 Plätze belegt werden dürfen. Dieser gewagte Plan ist nun vom Tisch. "Alle Parteien haben sich darauf geeinigt, dass die WM ohne Zuschauer stattfinden soll, um die Sicherheit und Gesundheit der an der Veranstaltung beteiligten Akteure zu gewährleisten", teilte die Internationale Handball-Föderation mit.

Der Weltverband reagierte damit auch auf einen dringlichen Appell von 14 Kapitänen europäischer WM-Teilnehmer, darunter Uwe Gensheimer, die in einem Brief an IHF-Boss Moustafa mit deutlichen Worten auf die Risiken eines Turniers mit Zuschauern mitten in der Corona-Pandemie hingewiesen hatten. Initiiert hatte die letztlich erfolgreiche Aktion unter anderen Johannes Bitter. "Wir wollten kein Ultimatum stellen, sondern auf das Problem aufmerksam machen", sagte der 38-Jährige.

Diese Strategie erwies sich als erfolgreich. "Die Entscheidung ist eine weitere Steigerung der Sicherheit. Darüber freuen wir uns sehr", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer. "Wir haben das zwar nicht mit höchster Priorität behandelt, die Initiative der Spieler aber unterstützt. Die haben die richtigen Worte gefunden."

Auch Bundestrainer Alfred Gislason äußerte sich zufrieden über das Einlenken der Funktionäre und Politiker. "Ich finde es sehr, sehr positiv, dass so entschieden wurde. Das erhöht die Sicherheit, dass die WM-Blase hält und sich niemand mit Corona infiziert", sagte der 61 Jahre alte Isländer.

Die Spieler, die sich bei der am Mittwoch beginnenden XXL-Endrunde mit erstmals 32 Mannschaften ohnehin an strenge Hygienevorschriften halten müssen, haben damit eine Sorge weniger. "Das ist fantastisch. Wir befinden uns in einer Blase, und durch das Hygienekonzept ist es für uns sicher. Es gibt kaum Risiken, sich zu infizieren, wenn sich alle strikt daran halten", sagte Torwart Andreas Wolff. "Zuschauer in der Halle wären da kontraproduktiv gewesen."

Wolff selbst sorgt allerdings auch für Diskussionsstoff, weil er die coronabedingten Absagen einiger Teamkollegen für die WM in Ägypten erneut kritisch hinterfragt hat. "Der Deutsche Handballbund hat immer gesagt, dass man die Entscheidungen akzeptiert, und so handhabe ich es auch. Ich habe mir nie Gedanken über eine Absage gemacht", sagte Wolff in einem am Montag veröffentlichten "Kicker"-Interview und ergänzte: "Aber wenn man sieht, dass andere Nationen mit voller Kapelle anreisen und keine derartigen Absagen haben, könnte man etwas sarkastisch schon behaupten, dass andere Spieler wohl besser in der Lage sind, ihre kurzzeitige Abwesenheit zu organisieren."

Handball-WM: Andreas Wolff und die Familienväter

Wolffs ehemalige Kieler Mannschaftskameraden Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold hatten aus familiären Gründen auf ihre Teilnahme am Turnier vom 13. bis 31. Januar in Ägypten verzichtet. Ich bin kein Familienvater, da kann ich mich nicht hineinversetzen, aber Familienväter aus anderen Ländern nehmen auch teil", sagte Wolff dem "Kicker". Bereits zuvor hatte der 29 Jahre alte Keeper des polnischen Spitzenclubs Vive Kielce die Entscheidungen kritisiert.

Im Anschluss an das Österreich-Spiel zog Wolff einen Schlussstrich unter die von ihm ausgelöste Diskussion. "Absagen sind kein Thema bei der Weltmeisterschaft, wir müssen nach vorne schauen. Es war kein Thema und wird auch keines sein", sagte der 29-Jährige. Auch Bundestrainer Alfred Gislason und DHB-Sportvorstand Axel Kromer hakten die Debatte, die für Unruhe gesorgt hatte, ab.

Er freue sich dennoch auf die Weltmeisterschaft und denke, dass die DHB-Auswahl trotz der fehlenden Erfahrung das Potenzial habe, für eine Überraschung zu sorgen, sagte Wolff. "Doch insgesamt ist es schade für uns, dass wir nicht in Bestbesetzung antreten können. Aber und das sehe ich ähnlich wie Bundestrainer Alfred Gislason – bedeuten solche Absagen auch immer die Chance für neue, junge Spieler, die jetzt heiß sind, um sich zu beweisen."

Das DHB-Team startet am Freitag gegen Uruguay in die WM.

tim mit Eric Dobias/dpa

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