Fabian Hambüchen trainierte schon fleißig in London und twitterte aus der Olympia-Stadt, da belud Vater Wolfgang zu Hause noch das Wohnmobil. Das Erfolgs-Gespann des deutschen Turnens ist bei den Olympischen Spielen gesprengt. Damit kommt es zu einer Situation, die beide seit acht Jahren nicht mehr kannten. Während Fabian bei seinen dritten Olympischen Spielen endlich seinen Traum vom Gold verwirklichen will, muss der Trainer und Vater als Tourist auf der Tribüne in der North Greenwich Arena Platz nehmen.
"Ich habe da schon ein komisches Gefühl. Es ist einfach ungewohnt", gesteht Wolfgang Hambüchen vor der Abenteuer-Tour. Gemeinsam mit seinem Bruder Bruno, dem Mental-Coach des deutschen Ausnahme-Turners, setzt er am Freitag mit der Autofähre aufs britische Festland über und wird während der Spiele im Wohnmobil auf einem Campingplatz rund eine Stunde entfernt von London wohnen. "Natürlich finde ich das schade. Denn gerade bei der unmittelbaren Vorbereitung an den Olympia-Geräten wäre ich gern dabei gewesen. Aber auch das wird Fabian mit seiner Erfahrung meistern", meinte Wolfgang Hambüchen.
Natürlich ist es nicht optimal, dass einer der deutschen Medaillen-Kandidaten nicht von seinem gewohnten Coach betreut werden kann, auf den er seit dem vierten Lebensjahr fixiert ist. Aber die Zahl der Betreuer ist aufgrund der Größe des gesamten deutschen Olympia-Teams gegenüber Peking stark reduziert, so dass nur Cheftrainer Andreas Hirsch und Waleri Belenki, der in Marcel Nguyen und Sebastian Krimmer zwei der fünf Olympia-Turner am Stützpunkt Stuttgart betreut, in London mit auf das Podium dürfen.
Täglicher telefonischer Kontakt
"Nachdem mit meiner Achillessehnen-Operation im Vorjahr alles fraglich war, mussten wir uns schon länger auf diese Variante einstellen. Aber in Athen bin ich als 17-Jähriger auch ohne meinen Vater klargekommen, da wird es mir in London auch gelingen", meinte der Reck-Weltmeister von 2007. Er sieht die Situation eher gelassen und handelt professionell nach dem Prinzip: Jammern bringt nichts.
Natürlich wird das Erfolgsduo nahezu täglich den telefonischen Kontakt suchen und Fabian kann sich jeden Rat von seinem Dad einholen. Blickkontakt besteht aber im Wesentlichen nur zwischen Podium und Tribüne. "Es wird schlimm. Ich werde noch unruhiger sein, als wenn ich selbst da unten stehe", befürchtet Wolfgang Hambüchen.
Angesichts der verschärften Sicherheitsmaßnahmen zu Olympia graut ihm vor der täglichen Tour nach London. "Ich werde mit einem Vorortzug bis zur Viktoria Station fahren und dort in die U-Bahn umsteigen. Aber wenn ich höre, dass die Eröffnungszeremonie verkürzt wird, weil die U-Bahnen nicht bis Mitternacht fahren, dann kann man sich auf einiges einstellen", fürchtet der Wetzlarer, der für Kurzstrecken auch das Fahrrad mit nach England nimmt.
Sorge bereitet dem "Touristen" auch, dass die bestellten Tickets für die sehr teuren Turn-Veranstaltungen - bis zu 500 Euro für normale Karten - noch nicht geliefert wurden. Ähnlich geht es Karsten Oelsch, dem Heimtrainer von Philipp Boy, der ein Reiseangebot über den Landessportbund nutzt und gleichfalls von der Tribüne aus die Übungen seines Schützlings verfolgt.