Hamburg - Ben Johnson hat den US-Leichtathletikverband beschuldigt, nicht ernsthaft gegen Doping vorzugehen – trotz der jüngsten Aufklärungserfolge. In einem Interview mit dem stern sagte der 42-jährige kanadische Sprinter, der nach seinem Olympiasieg 1988 in Seoul positiv getestet und disqualifiziert wurde, der US-Verband habe seine Athleten geschützt, obwohl doch ohnehin jeder wisse, "dass die schon immer etwas schluckten".
Weil die Amerikaner das meiste Geld in die Leichtathletik fließen ließen, und "der ganze Sport, vor allem bei Olympia, amerikanisch dominiert" sei, habe es immer einflussreiche Leute gegeben, die im Hinblick auf Dopingfälle gesagt hätten: "Wenn ihr uns Amerikaner ausschließt, dann ziehen wir unser Geld zurück." Johnson räumt allerdings ein, dass dies "schwer zu beweisen" sei.
Der Kanadier glaubt nicht, dass es in Zukunft weniger Doping in der Leichtathletik geben werde. Die Aussicht auf "Riesen-Jackpots, schon bei Juniorenmeisterschaften" sei zu groß. Johnson: "Solange die Jungen Hunger auf das große Geld haben, werden sie alles dafür tun." Die Verbände führten zwar Kontrollen durch, signalisierten aber in Wahrheit, dass sie gar nicht wissen wollten, was ihre Athleten machten.
Offen spricht Johnson im stern-Interview über seine eigene Doping-Vergangenheit. 1982 habe ihm sein Trainer gesagt, dass er nie ein Sieger sein werde, wenn er nicht betrüge wie seine Konkurrenten. "Ich war 20. Ich war kein Wissenschaftler, sondern nur ein Bursche, der lief. Aber dann dachte ich: Warum soll ich mir den Arsch aufreißen, und diese Jungs arbeiten weniger und kommen davon?" Angst davor, erwischt zu werden, habe er nie gehabt. "Ich wollte nur rennen und siegen. Alles andere war Nebensache."
Trotz seines Eingeständnisses, bis zu den Olympischen Spielen ständig gedopt zu haben, beharrt Johnson darauf, dass ihm jemand in Seoul eine Substanz ins Essen oder in ein Getränk gemischt habe. "Mein Arzt Jamie Astaphan sagte mir damals, er habe mir nichts gegeben, was in einem Dopingtest hätte auftauchen können. Sie fanden Stanozolol in der Urinprobe. Aber," so Johnson zum stern, "das habe ich niemals genommen."