München 2022 Die European Championships zeigen Olympia und Co., wie es geht

Sport und Begeisterung in der Stadt: Lisa Brennauer, Bahnrad-Europameisterin mit dem Team, winkt den Menschen in München zu,
Sport und Begeisterung in der Stadt: Lisa Brennauer, Bahnrad-Europameisterin mit dem Team, winkt den Menschen in München zu,
© Marius Becker / DPA
Dass IOC und Fifa angesichts der Euphorie um die European Championships von ihrem Gigantismus abrücken, ist kaum zu erwarten. Trotzdem: Die Multi-Europameisterschaften haben gezeigt, wie Sport-Großevents künftig sein müssen.

Wenige Tage vor dem Start der European Championships hatte kaum jemand überhaupt auf dem Schirm, dass in München ein Sport-Großereignis steigt. Nur zehn Tage später, am Tag nach den Multi-Europameisterschaften in neun Sportarten, könnte die Euphorie kaum größer sein. Wie Olympia – nur kleiner, besser, begeisternder. So der Tenor. Ein enormer Erfolg. Und mehr als nur ein Hinweis, in welche Richtung sich Sport-Großereignisse entwickeln müssen, wollen sie die Herzen der Menschen wieder erreichen.

Natürlich ist es leicht, sofort Wasser in den Wein zu schütten. Wäre die Begeisterung auch so groß, hätten die deutschen Sportler:innen nicht so enorm gut abgeschnitten? Hält das Konzept stand, wenn bei Olympia und Weltmeisterschaften naturgemäß viel mehr Aktive am Start sind? Internationales Olympisches Komitee (IOC) und Weltfußballverband Fifa werden durch die Tage von München kaum geläutert sein und auch künftig auf Gigantismus, Geldmacherei und eine Art verordnete Begeisterung setzen.

Championships von München als Blaupause

Dass die Leichtathletik über einen Ausstieg aus den Championships nachdenkt, wie zu hören ist, und das Schwimmen schon diesmal nach Rom auswich, nur weil die Veranstalter mit allem Recht nicht gewillt waren, die frisch erneuerte Olympiahalle von acht auf zehn Bahnen zu erweitern, mag allen Unkenrufern recht geben. Es zeigt in der Tat einmal mehr, wie die Unbeweglichkeit und Hybris von Funktionären dem Sport und der Begeisterung dafür schadet. Die Schwimm-EM fand so im Schatten des Münchner Events statt, die Sportler:innen wurden um ein außergewöhnliches Erlebnis gebracht. Und die Leichtathletik-Bosse unterschätzen offenbar, wie sehr erst die Wettkämpfe und Erfolge der deutschen Radsportler:innen oder der Turnerinnen die Bühne bereitet haben für die Triumphzüge von Gina Lückenkemper, Julian Weber, Konstanze Klosterhalfen und Co. im Olympiastadion.

Trotz all' dem bleibt der Vorbild-Charakter der Münchner Championships-Tage. Vor allem, weil sie, wo möglich, die Aktiven und ihren Sport zu den Menschen in die Stadt brachten. Weil ein Rahmprogramm aus Musik-, Kultur-, Kunst-, Technik- und Food-Events, vieles davon kostenlos, die Sportveranstaltung zu einem Festival für alle machte. Weil all' dies in schon vorhandenen Sportstätten stattfand und nicht in kostspieligen und pompösen Neubauten. Weil die lokale Wirtschaft profitierte statt internationale Großsponsoren, deren sündhaft teuer bezahlte Ansprüche jedes Lokalkolorit ersticken. Und weil die Kosten im Rahmen gehalten wurden: die Championships mit 4700 Aktiven kosteten mit 130 Millionen Euro nur gut ein Prozent jener 13 Milliarden bei Olympia in Tokio für 11.700 Athletinnen und Athleten aufgebracht werden mussten.

European Championship ein zeitgemäßes internationales Sportevent

Kurzum: Die European Championships haben zeigt, wie ein zeitgemäßes internationales Großevent im Sport aussehen kann, ja aussehen sollte. Der nun diskutierte neue Versuch, Olympia in den 2030er-Jahren wieder einmal nach Deutschland zu holen, muss dem Münchner Vorbild folgen: vorhandene Sportstätten nutzen, viel Wert auf Nachhaltigkeit, viel Event und Nähe zu den Menschen, Kosten im Rahmen halten und vor allem: den Sport und die Athlet:innen in den Mittelpunkt rücken. Skepsis, dass das IOC sich so weit bewegen kann und wird, überwiegt. Doch sollte es gelingen, mit einem klugen Konzept solche Spiele zu realisieren, dann wäre das ein Olympia-Triumph noch bevor die Wettkämpfe begonnen haben.

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