Handball-WM Im Fahrwasser der Fußball-Euphorie

Nur noch 100 Tage bis zum Start der Handball-WM: Durch die Euphorie bei der Fußball-WM ist der Druck größer als gewohnt. Viele Baustellen müssen noch versorgt werden, mehr Spieler darauf vorbereitet sein einzuspringen.

Mit Begeisterung und dem Ziel WM-Titel wollen die deutschen Handballer bei ihrer Heim-Weltmeisterschaft den Fußballern nacheifern und in Deutschland erneut Feierlaune entfachen. 100 Tage vor dem Eröffnungsspiel am 19. Januar kommenden Jahres in Berlin gegen Panamerika-Meister Brasilien hat Bundestrainer Heiner Brand seine Spieler in die Pflicht genommen: "Wenn wir das Halbfinale erreichen, ist das ein Riesenerfolg. Das heißt aber nicht, dass man damit zufrieden ist. Wir haben schon gesagt, dass das Ziel die Weltmeisterschaft ist."

Bei ihrer ersten WM in Deutschland seit 25 Jahren wollen sich die Handballer selbstbewusst an der euphorisch gefeierten Fußball-WM orientieren. "In einer anderen Dimension ist der Vergleich schon zulässig", sagte Brand. Neben der Stimmung in den Arenen habe ihm auch das Auftreten der "Klinsmänner" gefallen. "Diese Mannschaft hat durch Leistung überzeugt, bescheidenes Auftreten, klare Zielsetzung. Da waren viele positive Dinge, wobei man die nicht alle 1:1 übertragen kann", urteilte der 54-jährige Weltmeister von 1978.

Medaillenjagd

In Berlin starten die deutschen Handballer ihre Medaillenjagd mit dem Zielort Köln. "Da müssen wir hin. Dort ist jedes Spiel sowieso ein Endspiel - Viertelfinale, Halbfinale", forderte Brand. Auf dem Weg dorthin ist in der Vorrundengruppe C Argentinien nach Brasilien der nächste Kontrahent. "Über Argentinien und Brasilien kann ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht viel sagen. Tatsache ist aber, dass man, wenn man eine WM im eigenen Land hat, die zwei Gegner schlagen muss."

Zum Vorrundenabschluss warten in Halle/Westfalen die vom Magdeburger Bundesliga-Trainer Bogdan Wenta betreuten Polen. "Gegen Polen wird sicher ein enges Spiel werden", meinte der Bundestrainer. In Polen hatte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) zuletzt eine Niederlage einstecken müssen und einen knappen Sieg erkämpft. "Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass die Stimmungslage bei dieser WM wesentlich durch Erfolg oder Misserfolg der deutschen Mannschaft beeinflusst wird. Das ist ja beim Fußball auch gewesen."

Bei der sechsten Männer-WM auf deutschem Boden steht der Gummersbacher nicht nur als Bundestrainer, sondern auch als Repräsentant in der Verantwortung. "Verbunden mit der Hoffnung, dass für den Handball möglichst viel dabei herausspringt, ist eine enorme Herausforderung, sicher die größte Herausforderung." Brand ist als Aushängeschild und "Gesicht der WM" eingebunden in fast alle Werbeaktionen wie der am Donnerstag in Köln beginnenden Roadshow. "Ich verspüre sicherlich Druck etwas früher als sonst. Ich werde tagtäglich mit der Weltmeisterschaft konfrontiert."

Den Konkurrenzkampf beleben

Doch auch seine Spieler bekommen die hohen Erwartungen zu spüren. Als Lehre aus den zahlreichen Verletzungen vor Großereignissen der vergangenen Jahre geht Heiner Brand mit einem 26-köpfigen Kader in die letzten drei Monate der Vorbereitung, die mit dem Worldcup vom 24. bis 29. Oktober einen ersten Höhepunkt hat. "Ich werde auch die kommenden Lehrgänge mit 19, 20 Spielern machen", erklärte Brand. Damit will der Trainer, der seinen bis 2008 laufenden Vertrag auf jeden Fall erfüllen will, den Konkurrenzkampf beleben. Andererseits sollen aber auch mehr Spieler darauf vorbereitet sein, im Ernstfall einspringen zu können.

"Ich muss gerade jetzt nach dem Ausfall von Frank von Behren sehen, dass ich diese Ausgewogenheit zwischen Angriff und Abwehr hin bekomme." Der Flensburger fehlt wegen eines Kreuzbandrisses bei der WM. Nur eines der Probleme von Brand, der ergänzte: "Wir haben noch viele Baustellen." Eine Rückkehr von Star Stefan Kretzschmar schloss er trotzdem aus. "Er ist ja zurückgetreten. Er kann erst ein Thema sein, wenn er sagt: Ich will wieder spielen."

Für den angestrebten Erfolg will Brand seine Akteure zwar nicht wie die Fußballer bei ihrer WM abschotten. Aber vor zu vielen Einflüssen aus dem Umfeld soll sie schon geschützt werden. "Alles, was mit Handball zu tun hat, ist ja bei dieser WM auf den Beinen. Und das brauchen die Spieler auch nicht, dass alle ehemaligen Aktiven und ehemaligen Trainer und alle Schlauen, alle Handballkenner den Jungs noch ihre Meinung sagen."

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Martin Kloth/DPA

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