Im Land der Pharaonen hat Joachim Deckarm 1999 seinen bisher letzten großen Auftritt vor internationalen Fernsehkameras genossen. "Sie haben mich wie einen König behandelt - und ich habe mich wie ein König gefühlt", erzählte "Jo" später. Der einst begnadete Handballspieler freute sich riesig über die Glückslose, die er in Ägypten der deutschen Handball- Nationalmannschaft für die spätere WM bescherte. Der Weltverband hatte den Weltmeister von 1978 eingeladen, und Deckarm bewies, zu welchen Leistungen Menschen nach einem Unfall mit Hirnverletzungen dank eisernem Willen, Disziplin und unglaublicher Energie fähig sein können.
Deckarm-Gedenkspiel am 30. März
Am 19. Januar wurde Deckarm 50 Jahre alt. Die Weltmeister-Mannschaft mit Trainer Vlado Stenzel wird den Geburtstag mit ihm feiern. Die aktuelle DHB-Auswahl, mit Deckarms Freund und Bundestrainer Heiner Brand an der Spitze, spielt ihm zu Ehren am 30. März gegen eine Weltauswahl. Es sollen wieder denkwürdige Tage für Joachim Deckarm werden, dessen Leben sich nach seinem folgenschweren Unfall am 30. März 1979 so einschneidend verändert hat.
Tragödie auf dem Betonfußboden
Das Gummersbacher Idol war auf dem Höhepunkt seiner Karriere bei einem Europacupspiel im ungarischen Tatabanya mit dem Hinterkopf auf den Betonfußboden der Halle gestürzt. Bewusstlos, mit einem Schädelbasisbruch und Gehirnquetschungen blieb der hoch intelligente Sport- und Medizinstudent liegen. Erst über vier Monate später war allen klar: Jo kommt durch - aber in seinem zweiten Leben wird er für immer auf fremde Hilfe angewiesen sein.
"Ein Wunder, wie Jo zurecht kommt"
Deckarm erinnert sich an die schreckliche Szene nicht mehr. Er lag 131 Tage im Koma, ehe er dank der Kunst der Ärzte wieder aus dem Tiefschlaf erwachte. Längst kann er seine persönlichen Dinge selber regeln und sich artikulieren, wie einer seiner Betreuer, Horst Eggert, bestätigt: "Es ist für mich ein Wunder, wie Jo zurecht kommt."
Zwischen dem Unfall, der seine Karriere für immer zerstörte, und dem runden Geburtstag liegen fast 25 Jahre unermüdlicher Fein- und Kleinarbeit. Die kann wohl keiner besser beurteilen als Deckarms Mutter, bei der der Sohn immer noch die Wochenenden verbringt, sowie seine ehemaligen Trainer Reinhard Peters und Albert Hippchen. Und Physiotherapeut Eggert, der von Deckarms erstem, inzwischen verstorbenen persönlichen Betreuer Werner Hürther die Arbeit übernommen hat.
Der lebenslange Kampf um Unabhängigkeit
Bei aller Unsicherheit und mangelhafter Motorik merkt man dem 1,94 Meter großen Deckarm an, welche Konzentration, welche Anstrengungen er aufbringt, um ein Quäntchen Unabhängigkeit mehr zu gewinnen. Am Computer kann er seine Fanpost selbst erledigen. Im Fernsehen gehören Krimis zu seinem Lieblingsprogramm, Schwimmen, Radfahren, vor allem aber Sprechunterricht und das Schachspiel zum ständigen Training.
"Wir haben alle wenig Hoffnung gehabt. Es ist erstaunlich, was Jo aus sich gemacht hat. Aber man darf es auch nicht zu positiv sehen, weil er immer auf Hilfe von außen angewiesen ist", sagt Brand in Anerkennung für seinen alten Freund. Der lebt seit jenem 30. März 1979 in seiner eigenen Welt, zu der ganz unverzichtbar auch die häufigen Kontakte mit den WM-Kollegen von 1978 gehören. Er ist fast immer dabei, wenn sich das Team trifft. Nur logisch, dass am 19. Januar alle zu ihm nach Hause kamen. Vielleicht wird sich Deckarm wieder wie ein König fühlen.