Die Frau hat Nerven. Als das Unwetter über Helsinki hereinbrach und Kirsten Bolm stundenlang in der Umkleide- Kabine auf ihren Hürdensprint-Vorlauf bei den Weltmeisterschaften warten musste, bewahrte sie die Ruhe. "Wir haben Kuchen gegessen und Kreuzworträtsel gelöst", sagte die Dritte der Hallen- Europameisterschaft, "es war nervenaufreibend, aber es hat Spaß gemacht." Und es hat die Mannheimerin kein bisschen gebremst. Im Gegenteil: Mit 12,68 Sekunden stürmte sie erst ins Halbfinale und am Mittwochabend mit 12,95 ins Finale, obwohl ihr der Wind mit 3,3 Stundenkilometer ins Gesicht blies. "Es war ziemlich beschissen, aber ich hatte Glück", sagte sie erleichtert.
"Drei Jahre haben mich Verletzungen ausgebremst"
Die in Frechen bei Köln geborene Psychologie-Studentin hat sich die Robustheit bei vielen internationalen Starts erworben. Vor wenigen Wochen in London gewann sie die 100 Meter Hürden und ließ dabei auch Weltmeisterin Perdita Felicién (Kanada) hinter sich. "Das ist Motivation für mich und stärkt mein Selbstbewusstsein", sagte die 30-Jährige. "Ich denke, dass ich für die Damen nun ein Begriff geworden bin. In London waren alle ziemlich schockiert."
Kirsten Bolm ist endlich zur rechten Zeit gesund. "Drei Jahre haben mich Verletzungen ausgebremst. Jetzt läuft es endlich richtig", sagte sie. Die bitterste Erfahrung machte die 1,81 Meter "große Blonde" im Halbfinale der Olympischen Spiele 2004 in Athen, als ein Muskelriss sie zur Aufgabe zwang. "Wenn Kirsten gesund ist, ist sie eine Bank. Und wenn sie im Startblock sitzt, klappt das auch", meinte Trainer Rüdiger Harksen, der sie seit 2001 betreut.
"Ich war immer ein Pferdefan"
Um Verletzungen weitgehend zu vermeiden, hat sie ihre Übungsprogramme neu justiert. "Ich trainiere nur noch produktiv. Die Zeiten, in denen ich humpelnd auf die Bahn gegangen bin, nur um mich zu bewegen, sind vorbei", sagte Kirsten Bolm. Sie trug bei der WM- Eröffnungsfeier die deutsche Fahne und wurde vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zur Teamkapitänin ernannt.
Ungewöhnlich ist die Begründung, warum sie sich aus dem dicken Angebot an Leichtathletik-Disziplinen gerade den Hürdenlauf herausgepickt hat: "Ich war immer ein Pferdefan und fand Springreiten ganz toll. Das kam dem noch am nächsten."
Andreas Schirmer, DPA