Während einem angesichts der Geschwindigkeit, mit der nach Ende des Arbeitskampfes der Free-Agent-Markt angekurbelt wurde, schwindelig wird, lässt es einer ganz ruhig angehen: Randy Moss wird laut Aussage seines Beraters gegenüber espn.com seine Wide-Receiver-Handschuhe an den Nagel hängen und seine Karriere nach 13 Spielzeiten beenden. Mal abgesehen von Spekulationen, die eher an einen Schachzug von Moss denken, damit endet eine beeindruckende Karriere.
Das Ende kam fast schon zu spät, würde ich sagen, hat Mister Moss doch in den letzten Jahren gewaltig an seiner eigenen Legende gesägt. Allerdings hatte er sich nach seinem Abgang wegen Lustlosigkeit von den Oakland Raiders 2006 bei den Patriots in den Folgejahren 2007, 2008 und 2009 wieder rehabilitiert. Im letzten Jahr stellte er allerdings seinen unrühmlichen Wechselrekord auf, den ich ja auch mehrfach begleitet habe.
Ein großer Spieler und eine Diva
Ich für meinen Teil behalte den Randy Moss im Gedächtnis, der mich 2003 nachhaltig beeindruckt hat, obwohl er gegen "meine" Denver Broncos spielte. Wahrscheinlich habe ich diese Szene bereits einmal erwähnt, aber wie er an jenem 19. Oktober für einen Touchdown seines Teams sorgte, war schon bemerkenswert:
Minnesotas Quarterback Daunte Culpepper hatte Moss mit einem Pass auf die Reise geschickt, doch nach 44 Yards Raumgewinn und bei auslaufender Uhr vor der Halbzeit sah Moss keine andere Chance, als Mitspieler Moe Williams mit einem Überkopf-Wurf anzuspielen. Der hatte wenig Chancen etwas anderes zu tun, als den Touchdown zur 14:7-Halbzeitführung zu erzielen. Die Vikings gewannen das Spiel am Ende 28:20.
Lange Rede kurzer Sinn: In diesen wenigen Sekunden zeigte Moss damals alles, was ihn zu einem Top-Receiver machte. Da wäre zum einen die Fähigkeit, sich im richtigen Moment freizulaufen, obwohl sich natürlich alle Verteidiger bewusst waren, wer die Hauptanspielstation sein würde. Und schließlich seine Spielübersicht, verfolgt von mehreren gegnerischen Verteidigern und in der Hektik des Spiels den Mitstreiter zu finden. Oh ja, für Highlightaufnahmen war er in Topform immer gut - wenn er wollte.
Manchmal wollte er halt nicht, aber ich werde den willigen Randy Moss gerne als richtig guten Spieler und Hall of Famer in Erinnerung behalten - und dem anderen danke ich für glänzende Unterhaltung und einige Lacher.
Die Reise zur Saison 2011
Während es für Moss jetzt also beschaulich zugeht, wird es woanders hektisch. Irgendwie erinnern mich die Ereignisse der letzten Woche an die Reise nach Jerusalem - als ob jemand nach langer Stille die Musik eingeschaltet hätte, stürmten die NFL-Teams den Free-Agent-Markt. Wie im Spiel zu wenig Stühle gibt es auch im Ligaleben zu wenig Akteure. Welche Teams dürfen sich also über den Platz auf den Stühlen freuen und wer muss stehen bleiben? Die Antworten gibt Any Given Wednesday.
Gewinner der Nnamdi Asomugha-Lotterie sind die Philadelphia Eagles - sie sicherten sich die Dienste des besten Cornerbacks, der auf dem Markt war. 60 Millionen Dollar wird der Verteidiger in den nächsten fünf Jahren kassieren. Dazu kommen Dominique Rodgers-Cromartie, der durch den Wechsel von Quarterback Kevin Kolb zu den Arizona Cardinals nach Philadelphia kam und natürlich Asante Samuel - die Cornerback-Position ist bei den Eagles nun hervorragend besetzt. Und schon wollen einige Medien einen unzufriedenen Samuel ausgemacht haben. Keine Frage, bleibt es bei diesem Trio, wird es schwer für die gegnerischen Quarterbacks.
Vor den Dreien gibt es ebenfalls ein neues, aber nicht unbekanntes Gesicht, kann Defensive End Jason Babin, zuvor bei den Titans unter Vertrag, doch auf Pro Bowl-Berufungen zurückblicken. Aus Tennessee kommt mit Vince Young der ideale Ersatz für Quarterback Michael Vick. Vicks Wiederauferstehung als Spieler dürfte es wohl mitunter zu verdanken sein, dass sich so viele Hochkaräter nun ein Herbstdomizil in Philadelphia suchen.
Lieber den Manning in der Hand...
Das Thema Quarterback ist das passende Stichwort - die Blitzperiode der Free Agents zeigt, dass die Spielmacher heiß begehrt sind. Anders lassen sich die "Marktpreise" nicht erklären. Die Eagles erhielten zum Beispiel im Gegenzug für Kolb nicht nur Rodgers-Cromartie, sondern auch noch einen Zweitrundenpick im nächsten Jahr dazu. Da können sich die Indianapolis Colts glücklich schätzen, sich die Dienste Peyton Mannings für 90 Millionen Dollar in den nächsten fünf Jahren gesichert zu haben.
Das Ex-Team von Kolbs Nachfolger Vince Young, die Titans, sorgten nach dem Rücktritt von Kerry Collins und noch vor der Entlassung Youngs für einen neuen Spielmacher: Matt Hasselback, bis dahin der Mann bei den Seattle Seahawks. Er kassiert nun in Nashville sieben Millionen Dollar pro Jahr für die nächsten drei Spielzeiten. Meiner Meinung nach ganz schön viel für jemanden, der in den letzten drei Jahren jeweils mehr Interceptions als Touchdowns auf der Habenseite sammelte.
Die Titans brauchen allerdings einen erfahrenen Quarterback an der Seite von Rookie Jake Locker - da sollten sich Hasselbecks 12 NFL-Jahre doch auszahlen. Da es nicht viele seines Kalibers gibt, macht die Ausgabe vielleicht doch Sinn. Zumal die ähnlich erfahrenen Quarterbacks wie Donovan McNabb, der zu den Vikings wechselte, kaum noch zu haben sind.
Da wären nur noch Jake Delhomme, Marc Bulger und mit Abstrichen Rex Grossmann auf dem freien Markt zu haben. McNabb kommt in Minnesota übrigens eine ähnliche Rolle wie Hasselbeck zu - er soll nebenbei Rookie Christian Ponder helfen, sich als NFL-Spielmacher zu etablieren.
Der gute Samariter aus Boston
Übrigens haben alle von mir erwähnten Spieler der letzten Woche die Weichen für ihre Zukunft gestellt. Neben dem zurückgetretenen Moss freuen sich Kicker Adam Vinatieri, Running Back DeAngelo Williams und Kollege Cedric Benson über den Verbleib in Indianapolis, Carolina und Cincinnati. Während Asomugha wie erwähnt eine neue Heimat an der Ostküste fand, zog es Sidney Rice von Minnesota weg zu den Seattle Seahawks.
Einer, den ich auch in die Kategorie der mit Vorsicht zu genießenden Spieler eingeteilt hätte, der aber nicht offiziell "zu haben" war und der des Öfteren Auftritte in dieser Kolumne hatte, ist ebenfalls bei einem neuen Team untergekommen: Chad Ochocinco wechselte zu den Patriots, genau wie Problemkind Nummer zwei, Albert Haynesworth.
Damit hat Bill Belichick sich wieder einmal zweier Fälle angenommen, an denen andere Coaches verzweifelt sind. Und wer, wenn nicht er, könnte mit ihnen Erfolg haben - hat er dies doch unter anderem mit Randy Moss bewiesen. Ganz uneigennützig und nur um die beiden Spieler von ihren Miseren zu befreien, geschah dies natürlich nicht. Von beiden erhofft sich Belichick eine Verbesserung der Pats, die sich im Erfolgsfall ebenfalls als Gewinner der Free Agency fühlen dürften.
Übrigens genau wie der Divisionrivale aus New York, scheuten doch die Jets nicht vor einer Verpflichtung von Plaxico Burress zurück. Das dürfte dem Wide Receiver ganz recht sein, muss er sich doch noch nicht einmal eine neue Wohnung suchen und auch der Weg zu den Heimspielen bleibt derselbe, teilen sich doch Ex-Arbeitgeber Giants und die Jets die Spielstätte.
Doch noch sind einige Wechselgeschäfte zu machen und einige Spieler bei Teams unterzubringen, bis ein endgültiges Urteil gesprochen werden kann. Immerhin, bereits in der nächsten Woche fliegt der Ball wieder, wenn die ersten Vorbereitungsspiele starten. Es geht also wirklich los...
Sven Kittelmann