"Ich muss einsehen, wann die Zeit gekommen ist, meine professionelle Karriere zu beenden", schreibt Roger Federer am Donnerstag bei Instagram und löst damit zahlreiche Eilmeldungen rund um den Globus aus. Zwar ist der Schweizer inzwischen 41 Jahre alt und gehört schon seit Längerem nicht mehr zu den aktuell besten seines Sports. Sein letzter Grand-Slam-Sieg liegt bald fünf Jahre Zurück, sein letztes Turnier gewann er, als Corona für die meisten noch eine Biersorte war. Trotzdem geht an diesem Tag eine Ära zu Ende, eine Sportlerkarriere, wie es wohl keine zweite gibt oder geben wird.
Roger Federer – Stationen einer einzigartigen Tennis-Karriere
Roger Federer wird von vielen, inklusive dem Autor dieser Zeilen, als der GOAT, der greatest of all time, des Tennis angesehen. Zwar hält er inzwischen nicht mehr den Rekord der meisten Grand-Slam-Siege, seine ewigen Konkurrenten Rafael Nadal und Novak Djokovic haben ihn um einen respektive zwei Gewinne überholt. Doch wie mein geschätzter Kollege Tim Sohr hier 2018 schon an ganz ähnlicher Stelle schrieb: Seine Bedeutung ist nicht in Zahlen zu messen.
Federer hat diesen Sport über Jahre in einer Weise dominiert, die heraussticht aus all den großen Namen des Tennis. Er hat stets begeistert mit seiner Art zu spielen, mit den federleichten Schritten, dem eleganten Schwung. Bei ihm sah es immer so leicht aus, ist eine abgedroschene Phrase, aber wenn jemand sie verdient hat, dann er. Er zerstörte die Konkurrenz jahrelang auf dem Platz und wirkte dabei oft, als hätte er noch nicht mal angefangen zu schwitzen. Er befreite sich immer wieder aus den aussichtslosen Situationen. Wenn der Gegner schon abgeschaltet hatte, weil er dachte, der Punkt sei ihm sicher. Federer aber fiel doch immer noch was ein. Er kam an die unmöglichsten Bälle und verwandelte sie in unglaubliche Winner. Youtube ist voll mit diesen Ballwechseln, unzählige Zusammenschnitte von Schlägen, wie nur er sie konnte.
Roger Federer verkörpert Fair Play wie kein zweiter
Federer aber ist so viel mehr als nur sportliches Können. Er ist ein großer Botschafter seines Sports. Oft regiert im internationalen Sportgeschäft die Kaltschnäuzigkeit, die Chuzpe. Wer sich kleine Vorteile sucht und ausnutzt, der gilt als clever und abgebrüht. Nicht so im Tennis. Dort dominiert (für die allermeisten) der Fairplay-Gedanke. Und niemand verkörpert diesen so sehr wie Federer. Er lieferte sich über Jahre erbitterte Duelle mit Nadal und Djokovic, geprägt vom unbedingten Willen zu gewinnen. Trotzdem zeigte er in unzähligen Situationen auch und gerade dann, wenn es um Alles ging, seine Größe. Er überstimmte den Schiedsrichter, wenn der eine Fehlentscheidung zu den eigenen Gunsten getroffen hatte, brach ab, wenn der Gegner gestürzt war und ließ Punkte wiederholen.
Auch in den bitteren Momenten bewahrte er seinen Charakter, zeigte sich stets als fairer Verlierer. Immerhin elf seiner 31 Grand-Slam-Finals hat er schließlich als zweiter Sieger beenden müssen. Dann würdigte er etwa seinen Widersacher Nadal, wenn der ihn mal wieder bezwungen hatte. Unvergessen die Schlacht von Wimbledon 2008, zwei Null nach Sätzen hinten gelegen, dann doch zurückgekämpft und am Ende 7 zu 9 im Fünften verloren. Zwar stand ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, doch nicht nur die. Selbst in solchen Momenten strahlte er die ehrliche, anerkennende Freude für die Leistung und den Erfolg seines Kontrahenten aus. Weil er immer ein fairer Sportsmann war und ist.
Stets bescheiden
So auch abseits des Courts. Wer so lange einen Sport dominiert, so könnte man meinen, muss ja geradezu abheben. Und wer hätte es ihm verübelt? Wer so spielt, darf auch ein bisschen arrogant sein. Doch nicht Federer. Der schlich bescheiden, manchmal fast schüchtern wirkend über die Tour. Eurosport-Kommentator Matthias Stach wusste zu berichten, wie Federer vom Turnierdirektor über den Schiedsrichter bis zum Balljungen allen Verantwortlichen immer auf Augenhöhe begegnete.
Auch weil er selbst als Balljunge in Basel angefangen hatte, wie er in seinem Abschiedsposting schreibt. Die großen Spieler habe er beobachtet und bewunderte damals. Vermutlich ohne sich erträumen zu können, wie er in den nächsten Jahren einer von ihnen und schließlich der größte von allen wurde. Der Größte mit dem kleinsten Ego.