Ein bisschen angefressen war Maria Riesch schon. Lindsey Vonn, die Gesamtweltcupsiegerin aus den USA, ist nicht nur ihre größte Rivalin auf der Ski-Piste, sondern vor allem ihre beste Freundin. Und im Sommer haben die beiden sogar wieder mal gemeinsam Urlaub gemacht, in Mexiko übrigens. Doch beim Geld hört Freundschaft bekanntlich auf. Maria Riesch jedenfalls war ziemlich verstimmt, als sie erfuhr, dass Lindsey Vonn vor dem Olympia-Winter ausgerechnet zu jener Ski-Firma wechselte, bei der sie selbst unter Vertrag steht. "Am Anfang habe ich mir schon gedacht: Puh, krass, da gibt es Sparmaßnahmen ohne Ende und dann kaufen die die Lindsey ein", sagt Maria Riesch.
Grund für den Unmut: Die Partenkirchenerin musste im Zuge der Einsparungen bei den Ski-Herstellern den Servicemann ihres Ausrüsters (Head) auf eigene Kosten zum Trainingslager in Neuseeland anreisen lassen. Gelder für die sicher nicht günstige Verpflichtung ihrer Freundin und Rivalin, deren bisheriger Partner (Rossignol) in finanziellen Nöten ist, waren dagegen vorhanden. Im vergangenen Jahr belegten Lindsey Vonn, Maria Riesch und Anja Pärson (Schweden) die Plätze eins bis drei im Gesamtweltcup, im Olympia-Winter fahren sie nun alle auf den gleichen Brettern zu Tal. "Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, für niemanden", weiß Riesch.
Weltcup-Gesamtsieg ist überfällig
Das gilt für den Riesenslalom zum Auftakt der Weltcup-Saison am Samstag in Sölden nur bedingt. "Zufrieden wäre ich, wenn ich mich unter den Top 15 platzieren könnte", sagt die 24-Jährige. Der Riesenslalom ist ihre Problem-Disziplin, der Hang in Sölden extrem schwierig. Keine Ausreden, das heißt für Maria Riesch: Im Kampf um den Gesamtweltcup ist nach Platz drei (2008) und Platz zwei (2009) der Gewinn der großen Kristallkugel im Grunde genommen überfällig. Die Slalom-Weltmeisterin hat deswegen vor allem das Training in Abfahrt und Super-G intensiviert - da ließ sie im vergangenen Winter viele Punkte liegen.
Damen-Cheftrainer Mathias Berthold hat außerdem eine kleine, elitäre Kombi-Gruppe gegründet, in der das Training für die Spitzenfahrerinnen zielgerichteter abgewickelt werden kann. Das Weltcup-Finale findet am Ende des Winters passenderweise bei Maria Riesch vor der Haustüre statt - in Garmisch-Partenkirchen. Doch die exponiertesten Rennen werden vom 12. bis 28. Februar 2010 in Whistler ausgetragen. "Olympia ist das Wichtigste für uns", sagt Maria Riesch. Die Olympia-Strecken liegen ihr ganz offensichtlich: Beim Weltcup im Februar 2008 gewann Riesch dort den Super-G und die Super-Kombination (damals Super-G/Slalom), in der Abfahrt stürzte sie mit überlegener Bestzeit kurz vor dem Ziel.
"Ich will eine Goldmedaille"
Dem Weltcup sieht Maria Riesch einigermaßen entspannt entgegen. "Man startet ganz normal in die Saison und hofft, dass die Formkurve noch oben geht", behauptet sie. Tatsächlich weiß sie, dass eine gute Form im Weltcup die Voraussetzung für ein erfolgreiches Abschneiden bei Olympia ist, sie betont aber auch: "Wenn man sich das Interesse von außen anschaut, ist es schon wurscht, wie die Saison läuft, wenn man bei Olympia zuschlägt. Medaillen stehen über allem." Und deshalb gilt: "Ich will eine Goldmedaille. Dafür habe ich gearbeitet." Gold bei ihren ersten Olympischen Spielen würde wohl auch die Arbeit ihres neuen Managers erleichtern.
Seit diesem Sommer vertritt Marcus Höfl ihre Interessen - der 35-Jährige betreut unter anderem "Kaiser" Franz Beckenbauer und Boris Becker. Das hatte zunächst mal zur Folge, dass die Ski-Rennläuferin plötzlich medial sehr präsent war, bei zahlreichen Galas auftauchte, in der Fernsehshow von Carmen Nebel erschien und auf der Durchreise zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans sogar bei der Hochzeit von Becker mitfeierte. "Ich hatte einen stressigen Sommer, viele Termine, aber es hat Spaß gemacht", sagt Maria Riesch, der die Verwandlung zu einem Glamour-Girl durchaus zu gefallen scheint. Wenn der Sommer 2010 noch turbulenter werden soll, muss sie aber erstmal gut Ski fahren.
Und am besten fängt sie gleich damit an. Denn, wie sagt Cheftrainer Berthold: "Der Weltcup ist für Olympia extrem wichtig. Wer ohne gute Ergebnisse nach Whistler fährt, hat dort keine Chance."
Felix Neureuther fehlt beim Herren-Auftakt
Unterdessen muss der deutsche Ski-Rennläufer Felix Neureuther auf den Start in den Olympia-Winter verzichten. Beim Auftakt-Rennen des alpinen Weltcups am Sonntag auf dem Rettenbach-Gletscher im österreichischen Sölden wird der 25-Jährige wegen der Nachwirkungen einer schweren Viruserkrankung wie erwartet fehlen. "Ich erhole mich zwar jeden Tag etwas mehr von meiner Krankheit, für ein Weltcup-Rennen fehlt mir aber noch die nötige Kraft", sagte Neureuther am Mittwoch.
Das Virus hatte sich der Partenkirchener Anfang Oktober nach einem Trainingslager im Pitztal zugezogen, während der zweiwöchigen Zwangspause verlor er sechs Kilogramm Körpergewicht. "Nicht zuletzt aufgrund der Höhenlage auf dem Rettenbachferner muss ein Athlet dort hundertprozentig fit sein. Felix ist es momentan noch nicht, deshalb macht ein Start keinen Sinn", sagte Cheftrainer Karl-Heinz Waibel.
sid/feh