Aufbruch. überschattet von der Nachricht des Untergangs der „Monsun“, eines Regattateilnehmers, Familienschiff aus Bremen, 30 Jahre alt . Zum Glück sind alle sechs , die an Bord waren, gerettet. Es gab einen Wassereinbruch, heißt es. Was ist geschehen? Bruch? Undichtes Ventil? Brecher? Ein Leck? Womöglich - Alptraum aller Segler - eine Kollision mit einem treibenden Container? Oder bloß das Klo übergelaufen? Noch weiß man es nicht.
Trotzdem Erleichterung. Es wird Zeit, dass es losgeht. Die Warterei hat alle genervt, wohl auch die Organisatoren. Bei der Farewell-Party für die Regatta vor einer Woche gab es Lachs und Lobster und freie Drinks. Bei unserem Goodbye in den ehrwürdigen Räumen der Sommerresidenz des „New York Yacht Clubs“ standen nur noch Hotdogs und Kartoffelsalat auf dem Buffet. Noch eine Woche später und wir würden wahrscheinlich mit einem McDonald-Gutschein verabschiedet.
Also los.
Zum letzten Mal an „Bannisters Wharf“ und „Bowen‘s Wharf“ und all den Kneipen und Shops mit Postkarten und maritimem Kitsch vorbei zum Hafen von Newport. Da liegt sie, unsere „Uca“. Ein Ferrari in der Box. Fertig zum Rennen. Direkt neben ihr die „HSH Nordbank“, einer unserer vier Konkurrenten. Sie ist fünf Fuß kürzer als die „Uca“, hieß bis vor kurzem noch „Morning Glory“ und gehört zur Flotte von SAP-Gründer Hasso Plattner. Der hat mit ihr im Sydney-Hobart-Rennen und zwischen Kapstadt und Rio Rekorde eingefahren. Für die Atlantik-Regatta hat er sie an die Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein verchartert. Wie die „Uca“ wird sie von einer Crew aus Profis und ausgeschlafenen Amateuren gefahren. Kein leichter Gegner.
Auf der anderen Seite des Hafenbeckens liegt die papageienbunte „Team 888“, ebenfalls ein rasanter Racer. Das Boot hat unter dem Namen „Kingfisher“ und der Führung von Ellen McArthur weltweite Regatta-Ehren ersegelt. Jetzt wird es von den englischen Profis Mark Denton und Johnny Malbon gefahren, die am liebsten zu zweit geblieben wären, sich aber noch vier Mitsegler an Bord holen mussten. Regattavorschrift - unter sechs Besatzungsmitgliedern darf kein Boot teilnehmen. „We‘re absolutely thrilled“, sagt Denton über die bevorstehende Jagd über den Ozean. Am Ende des Stegs liegt die holländische „Windrose of Amsterdam“, ein Star der Regatta. Sie passt in keine Box: Ein Schoner, 152 Fuß lang, Teakdeck, alles vom Feinsten. Geht man unter Deck, bekommt man feuchte Augen. Edle Hölzer, breite Kojen, große Küche, Waschmaschine und Trockner, Whirlpool und Weinlager. Und trotzdem schnell! Das im letzten Jahr von Stapel gelaufene Schiff ist mit so viel Cleverness und Hightech-Material gebaut, dass es mit 135 Tonnen gerade mal die Hälfte des Gewichtes vergleichbarer Boote hat. Der Rumpf ist aus besonders leichtem Aluminium, das Rigg aus Kohlefaser, sogar Fallen und Schoten sind aus extraleichten Material. Der Zweimaster kann bis zu 2.000 Quadratmeter Segelfläche tragen, die von einer professionellen 25käpfigen Regattacrew gebändigt werden und das Schiff auf Spitzengeschwindigkeiten von 28 Knoten bringen. Ein stolzer Schwan der Meere, den man Übrigens auch chartern kann, wenn man zufällig gerade 65.000 Dollar pro Woche übrig hat. Neben dieser eleganten Lady „Windrose“ nimmt sich unsere „Uca“ aus wie Pamela Anderson neben Catherine Deneuve.
„Uca’s“ größter Gegner
aber liegt auf der anderen Seite des Hafens, schwarz, flach, wuchtig , noch einen Tick länger als unser Boot, aber 5 Tonnen leichter: die „Zephyrus V“, eine amerikanische Herausforderung. Ihre Leichtigkeit verdankt sie einem Wasserballast-System, das die schwere Kielbombe ersetzt, die der „Uca“ Stabilität gibt. In genau zwanzig Sekunden können bei Kursen Am Wind 5.000 Liter Wasser je nach Bedarf in den Steuerbord- oder Backbord-Tank gepumpt werden. Und wenn kein Bedarf ist, weil der Wind von achtern kommt, bleiben die Tanks leer und das Schiff leicht. Klar, dass ein solches Boot von Vollprofis gesegelt wird, gegen die wir einen schweren Stand haben werden. Als die „Zephyrus V“ nach ihrer Fertigstellung im vergangenen Jahr an der Pazifik-Regatta von San Franzisko nach Hawaii teilnahm, hat sie den bestehenden Rekord auf Anhieb um fünf Stunden unterboten. Und dann locker gleich noch ein paar andere Rekorde auf anderen Weltmeeren angehängt. Wenn die „Uca“ ein Ferrari ist, dann ist die „Zephyrus“ mindestens ein McLaren-Mercedes. Bleikiel gegen Ballast-System - das verspricht spannend zu werden.
Um halb zwölf kommt die Crew an Bord, jeder mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken. Darin die persönlichen Habseligkeiten, Unterhosen, Zahnbürste, Strümpfe und die zwei Sätze Mikrofaserwäsche, die für die nächsten zwei Wochen reichen müssen. Mehr ist nicht erlaubt. Aufgeregt? Ja, sagen selbst die alten Regatta-Routiniers. Man startet nicht alle Tage über den Atlantik. Auf allen Booten läuft jetzt die Routine der letzten Vorbereitungen vor dem Start ab. Noch einmal Sicherheitseinweisung, Diskussionen über den zu erwartenden Wind, die richtige Segelkonfiguration, die Taktik vor dem Passieren der Startlinie. Dann Händeschütteln, Küsse, Tränen - der Abschied.
Exakt um 14 Uhr 10
fällt der Böllerschuss, der die Jagd freigibt. Die „Uca“ hat einen guten Start. Aber nach der zweiten Halse liegt die „Zephyrus V“ vorn. Und da bleibt sie auch erst einmal. Nach zwei Stunden hat sie gut zwei Meilen Vorsprung. Die anderen fahren weit in Lee, abgeschlagen. Die Hubschrauber sind weg, die Begleitboote. Nur noch die fünf großen Yachten jagen durch die See, hoch am Wind. Und dann sind auch sie plötzlich weg. Seenebel hat sie geschluckt. Mit 12 Knoten rauschen wir jetzt in graue Ungewissheit. So beginnt die erste Nacht.
Peter Sandmeyer