In Frankreich läuft natürlich alles weiter wie bisher. Die Tour de France auf den Straßen und im Fernsehen. Doch die Grande Nation sorgt sich um den Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins, wo seit gestern ARD und ZDF keine Bilder mehr vom bedeutendsten Radrennen der Welt zu senden. "Schwarzer Bildschirm in Deutschland" schrieb die Sportzeitung L'Equipe. Und Vincent Lavenu, Manager des französischen Teams AG2R, sagt: "Ich finde den Boykott nicht richtig. Wenn die Deutschen ihre Haltung konsequent durchziehen, würde das bedeuten, dass sie nur noch wenig übertragen dürfen in Zukunft. Was ist im Fußball los? Da verschließt das Fernsehen gern die Augen."
Hintergrund des Ausstiegs der öffentlich-rechtlichen Sender ist der Dopingfall Patrik Sinkewitz. Der 26 Jahre alte Fahrer des Team Mobile Teams war, wie erst gestern bekannt wurde, bei einer Trainingskontrolle am 8. Juni mit einem stark erhöhten Testosteronwert aufgefallen. Seit heute berichtet Sat1 anstelle von ARD und ZDF über die Tour.
Alain Gallopin vom Rennstall CSC sagt: "Das deutsche Fernsehen hat seine Fahrer großgezogen und beerdigt sie jetzt. Diese Radikalität irritiert mich stark." Verständnis zeigt dagegen Marc Madiot, Chef der Mannschaft Francaise des Jeux. Er sagt: "Wenn jemand seine Berichterstattung einstellt, wird er seine Gründe haben. In unserem Metier gibt es Idioten, und die bekommen, was sie verdienen. Stop zu sagen, ist hart, aber es ist nicht die Schuld des Fernsehens, wenn gewisse Leute weiter betrügen."
Der stern on Tour
stern-Redakteur Christian Ewers ist bei der Tour de France dabei und berichtet in regelmäßigen Abständen aus Frankreich.
Der Belgier Marc Sergeant von Team Predictor Lotto ist einer der wenigen, die T-Mobile offen kritisieren - wenn auch vorsichtig. "Ich möchte darauf hinweisen, dass T-Mobile zu den abtrünnigen Mannschaften gehörte, die sich vor dem Tourstart in London zusammengetan haben als Allianz gegen Doping. Und nun ist einer ihrer Fahrer verdächtig." Auch Marc Biver, Manager des Team Astana, stichelte: "Es ist gefährlich, eine Kampagne auf die Aussage zu stützen, man sei eine saubere Mannschaft, sauberer als die anderen."
T-Mobile will nach eigener Aussage mit seinem Anti-Doping-Programm für eine "Wende zum Guten im Radsport" (Manager Bob Stapleton) kämpfen. Im vergangenen Jahr hatte der Bonner Rennstall ein internes Kontrollsystem entwickelt, dass bislang als führend in der Branche galt. Die Glaubwürdigkeit von T-Mobile hatte zuletzt - schon vor dem Fall Sinkewitz -stark gelitten. An der Spitze des Anti-Doping-Programms standen unter anderem die Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid. Sie mussten im Mai gestehen, jahrelang die Dopingpraxis beim Vorgängerteam Telekom unterstützt zu haben. Heinrich und Schmid sind mittlerweile entlassen. Immer noch im Amt dagegen befinden sich Sportchef Rolf Aldag und sein sportlicher Leiter Brian Holm. Beide haben während ihrer aktiven Zeit gedopt.