Tourfavorit Andreas Klöden "Sittenwidrig und menschenunwürdig"

Wochenlang hatte der deutsche Tour-Mitfavorit Andreas Klöden nicht nur die Presse, sondern auch die Ehrenerklärung des Rad-Weltverbandes UCI boykottiert. Jetzt unterzeichnete er das Papier doch noch - wenn auch nicht ganz freiwillig.

Nach langem Zögern hat auch der deutsche Mitfavorit Andreas Klöden die Ehrenerklärung des Rad-Weltverbandes UCI unterzeichnet. Mit der Verpflichtungserklärung stimmen die Radprofis zu, bei einem positiven Doping-Befund mit einem Jahresgehalt zu haften und ihre DNA zum Abgleich mit dem Inhalt der beim mutmaßlichen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes sicher gestellten Blutbeuteln zur Verfügung zu stellen.

"Ich fühle mich erpresst, finde das sittenwidrig und menschenunwürdig", sagte der Cottbuser wenige Tage vor dem Tour-de-France-Start der Tageszeitung "Die Welt" und begründete seine späte Unterschrift auch mit den Worten: "Ich wollte einfach noch ein wenig provozieren." Er sei in einem Alter, so der 32 Jahre alte Radprofi, wo er "keine Lust habe, wie eine Schachfigur hin und her geschoben zu werden".

Nach seinem wochenlangen Presse-Boykott bekräftigte Klöden wenige Tage vor dem Prolog der Frankreich-Rundfahrt an diesem Samstag, "nie etwas Verbotenes getan" zu haben. "Ich bin neun Jahre bei Telekom gefahren und kann nur sagen: Mir sind von Walter Godefroot nie Dopingmittel angeboten worden." Auch wenn der Glaube an eine dopingfreie Tour bei den übertragenden Fernsehanstalten offenbar gering ist, halten ARD/ZDF und Eurosport an ihrer umfangreichen Berichterstattung fest. "Es war keine einfache Entscheidung. Wir fahren nicht mit ganz großer Euphorie hierher", erklärte ARD-Teamchef Roman Bonnaire in London.

Neues Dopinggesetz geplant

Auch die Organisatoren der Rad-Weltmeisterschaften in Stuttgart bekommen die Folgen der jüngsten Doping-Skandale deutlich zu spüren. Für die Veranstaltung vom 25. bis 30. September sind im Vorverkauf erst 874 Karten von 10.000 Tribünenplätzen im Zielbereich verkauft worden. Einige Stadträte forderten sogar die Absage der WM. Ein Antrag der Bündnis 90/Grünen-Bundestagsfraktion, die geplanten Steuermittel von 150.000 Euro für die WM zu streichen, wurde vom Sportausschuss des Bundestages abgelehnt. Gleichzeitig wurden jedoch in Berlin die Weichen für ein neues Gesetz im Kampf gegen Doping gestellt.

Trotz heftiger Einwände der Opposition stimmte der Sportausschuss den geplanten Gesetzesverschärfungen zu. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden und sieht vor, "den Handel und den Besitz nicht geringer Mengen" von Dopingpräparaten zu bestrafen, während gedopte Athleten weiter der Sportgerichtsbarkeit unterliegen. Zudem plant der Bund, die Mittel für die Nationale Anti- Doping-Agentur (NADA) um knapp drei Millionen Euro zu erhöhen.

Gemischte Gefühle bei Berichterstattern

Für das am Samstag in London beginnende größte Radsport-Ereignis der Welt haben ARD/ZDF und Eurosport jeweils rund 90 Live-Stunden eingeplant. Die ersten Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind bereits in der englischen Hauptstadt. "Zur Live- Übertragung gehören auch Beiträge, Gespräche und Analysen zum Thema Doping", versicherte ZDF-Mann Peter Kaadtmann. Er ist der gemeinsame Chef des ARD/ZDF-Teams, das sich weiterhin einen Ausstieg aus der Berichterstattung vorbehält. Die TV-Anstalten haben sich dabei auf eine Linie geeinigt. "Wenn, dann steigen wir gemeinsam aus. Es wird keinen Alleingang eines Senders geben", sagte Bonnaire, meinte aber auch: "Wir wollen den Fahrern aber ganz genau auf die Füße treten."

Die meisten Reporter sehen der Tour mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. "Beim derzeitigen Zustand kann ich mir nicht vorstellen, dass man es schaffen kann, diese Rundfahrt ohne die bekannten Hilfsmittel zu gewinnen", erklärte ZDF-Reporter Peter Leissl im "Express". "Ich bin gespannt, ob die Veranstalter ihre Ansprüche tatsächlich umsetzen, und ob die Teams Transparenz praktizieren. Auch wenn es schwer wird, den Restposten Sport in den Radrennen zu erkennen, können wir auf jeden Fall eine Tele-Novela, nein: Velo-Novela in 21 Folgen erwarten", sagte Eurosport-Reporter Ulli Jansch. In der Pressemappe des Spartensenders taucht das Wort "Doping" kein einziges Mal auf.

Fuentes schiebt Schuld von sich

Der mutmaßliche Doping-Arzt Eufemiano Fuentes meldete sich unterdessen vier Monate nach Einstellung der Ermittlungen im größten Dopingskandal in der Geschichte des Radsports ohne jegliche Anzeichen von Reue erstmals wieder öffentlich zu Wort. "Mit den meisten meiner Behandlungen in 30 Jahren Berufstätigkeit bin ich zufrieden. Keiner meiner Patienten hat sich danach über gesundheitliche Probleme beschwert", sagte Fuentes am Mittwoch. "Keiner der von ihm behandelten Sportler sei dazu gezwungen worden. "Sie kamen nicht mit einem Messer an der Kehle". Vielmehr sei es so, dass zuweilen Ärzte unter Druck gesetzt würden und Behandlungen gegen ihren Willen machten. Vom Doping riet Fuentes. Seine Begründung: "Weil es illegal ist". Außerdem müsse ein Arzt die Gesundheit seiner Patienten schonen. Allerdings trage Doping dazu bei, die Erschöpfung zu mildern und die Leistung zu verbessern. Gedopt werde in vielen Sportarten. "Im Radsport wird aber mehr kontrolliert.", sagte Fuentes.

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Wolfgang Müller/DPA

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