Ukraine-Krieg Das dröhnende Schweigen der russischen Sportler und ihre Angst vor Putin

Lang ist's her: Wladimir Putin zeichnet 2012 den russischen Eishockey-Nationalspieler Alexander Owetschkin (r.) aus
Lang ist's her: Wladimir Putin zeichnet 2012 den russischen Eishockey-Nationalspieler Alexander Owetschkin (r.) aus, einer der allergrößten Spieler der Geschichte
© Sergei Karpukin / DPA
Einige russische Sportler zeigen offen ihre Unterstützung für Wladimir Putin und den Ukraine-Krieg. Die Mehrheit appelliert zwar allgemein für Frieden, vermeidet aber jede Kritik am Präsidenten – auch aus Angst.

Der zweifache Olympiasieger Jewgeni Rylow trug neben seinen Medaillen aus Tokio ein "Z" in den Nationalfarben Russlands auf der Brust und sendete die Botschaft hinaus in die Welt: "Ich unterstütze den russischen Präsidenten und den Krieg in der Ukraine." Rylow gehörte zu der Riege einiger russischer Spitzenathleten, die bei der Propaganda-Veranstaltung des Kreml im Moskauer Luschniki-Stadion mit auf der Bühne standen. Putin versuchte mit der aufgeblasenen Show im Stile eines Diktators zum achten Jahrestag der Krim-Annexion am 18. März die nationalistischen Gefühle des russischen Volkes zu umgarnen. Schließlich steht mit der Invasion in der Ukraine ein viel größeres Unterfangen auf dem Plan.

Sportliche Aushängeschilder wie Rylow spielen im System des Autokraten Wladimir Putin eine wichtige Rolle. Neben dem Schwimmer traten Athleten wie Skilangläufer Alexander Bolschunow und Eiskunstläuferin Wiktorija Sinizina auf. Zur gleichen Zeit töteten russische Raketen ukrainische Zivilisten.

Viele Athleten sind jetzt abhängiger vom Staat

Ob alle Auftritte freiwillig geschehen, ist fraglich. Viele Athleten dürften durch den Ausschluss von internationalen Wettbewerben und die Sanktionen abhängiger vom Staat sein als zuvor, vermuten Experten, da Sponsoren massenweise Verträge kündigten. "Man muss erkennen, dass die Sportler eine gewisse Abhängigkeit zum Staat, staatlichen Förderstellen und Konzernen haben. Da gilt das Prinzip: Man beißt nicht die Hand, die einen füttert", sagt der Sportsoziologe Jan Haut von der Uni Wuppertal.

Der Auftritt von Schwimmer Rylow hatte ein Nachspiel: Wegen eines möglichen Verstoßes gegen Fina-Regeln führte die Disziplinarkommission des Schwimm-Weltverbands Ermittlungen gegen ihn. Zudem verlor er seinen Sponsor Speedo. Das "Z", das er trug und "Za Pobedu" (deutsch: "Auf den Sieg") bedeutet, ist zum nationalistischen Zeichen der Putin- und Kriegsunterstützer geworden, nachdem es zuerst auf russischen Panzern und Militärfahrzeugen in der Ukraine aufgetaucht war. Turner Iwan Kuliak war einer der ersten, der es zur Schau trug und beim Weltcup in Doha für einen Eklat sorgte.

Putin werden die Sympathie-Bekundungen gefallen. In der Vergangenheit ließ er sich gern mit Sportlerinnen und Sportlern ablichten. Auch NHL-Star Alexander Owetschkin, einer der größten Eishockeyspieler aller Zeiten, ist auf vielen Fotos mit ihm zu finden. Owetschkin hatte sich schon 2017 in den Wahlkampf eingeschaltet und um Unterstützung für Putin geworben. Mehrere namhafte Athleten schlossen sich damals an.

Lieber allgemeine Friedensappelle ausrufen

Der Eishockey-Profi, der sein Geld bei Washington Capitals verdient, hat sich für eine beliebte Taktik unter russischen Athleten entschieden: lieber allgemeine Friedensappelle ausrufen statt den Angriffskrieg klar zu verurteilen. Der 36 Jahre alte Russe - mittlerweile auf Rang drei der ewigen Torjägerliste in der NHL - forderte: "Bitte, keinen Krieg mehr. Wir müssen in Frieden leben." Mit Kritik am Kreml hielt er sich zurück, er sei "kein Politiker".

Owetschkin ist in den Augen vieler NHL-Fans außerhalb der US-Hauptstadt zum Hassobjekt geworden, seit Kriegsausbruch wird er regelmäßig ausgepfiffen. "Er ist mein Präsident", sagte er zu seiner Verteidigungund fügte hinzu: "Ich bin nicht in der Politik. Ich bin Sportler, und wie ich schon sagte, hoffe ich, dass alles bald erledigt sein wird. Es ist im Moment eine schwierige Situation für beide Seiten."

In die Friedensriege mit möglichst zurückhaltender Kritik am Kreml hat sich auch die russische Tennis-Elite begeben. Daniil Medwedew, der derzeit mit dem Serben Novak Djokovic um die Spitze der Weltrangliste kämpft, bat wenige Tage nach Kriegsbeginn um "Frieden in der Welt". Andrej Rublew, derzeit Weltranglisten-Siebter, schrieb in englischer Sprache "Bitte kein Krieg" auf die Linse einer Fernsehkamera.

Die Schachspieler bezogen klar Stellung

Der russische Fußballstar Artjom Dsjuba, Sohn eines ukrainischen Vaters und einer russischen Mutter, bat darum, vorerst nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert zu werden. Manche interpretierten dies als zumindest leisen Protest. In der Nationalelf kann Dsjuba nicht spielen, sie ist von der Fifa von internationalen Spielen ausgeschlossen worden.  

Doch warum nutzen so wenige Spitzensportler ihr internationales Ansehen, um unabhängiger vom russischen Staat zu sein und klarer Stellung zu beziehen? Das es geht, zeigten 44 russische Schachspieler – darunter der aufstrebende Daniil Dubow. Sie verurteilten kurz nach Beginn des Einmarsches den Krieg in einem offenen Brief. "Warum sie das nicht oder nur wenig nutzen, hängt möglicherweise damit zusammen, dass man den Unmut einiger Landsleute auf sich zieht und natürlich bei vielen Sportlern auch eine ideologische Nähe zu Putin besteht."

DPA
tis / Felix Schröder

PRODUKTE & TIPPS