Die Schattenmänner von einst sonnen sich plötzlich im Erfolg: Alois Vogl hat mit seinen Überraschungssieg beim Slalom-Klassiker in Wengen das deutsche Herren-Wintermärchen im alpinen Ski-Weltcup fortgeschrieben. Vier Wochen nach dem Sensationserfolg von Abfahrer Max Rauffer in Gröden triumphierte Vogl am Sonntag im Berner Oberland. "Ich bin am Ziel meiner Träume. Das ist unglaublich, ich bin noch völlig durcheinander", sagte der 32-Jährige aus Zwiesel, der mit seinem Premierensieg für den ersten deutschen Erfolg im Weltcup-Slalom seit dem 8. August 1990 sorgte. Damals hatte Peter Roth in Mount Hutt (Neuseeland) gewonnen.
"Wilder Ritt von oben bis unten"
Nach dem ersten Lauf auf dem technisch schwierigsten Weltcup-Hang hatte Vogl - "das war ein wilder Ritt von oben bis unten" - noch auf Platz vier gelegen. Trotz zweier Fehler lag er am Ende in 1:35,38 Minuten vor Weltmeister Ivica Kostelic (1:35,59), der ihn im Ziel auf den Schultern trug und erstaunt sagte: "Schaut ihn an, diesen Sieger." Benjamin Raich (Österreich) wurde in 1:35,59 Minuten Dritter und verkürzte im Gesamtweltcup mit 850 Punkten seinen Rückstand auf Bode Miller (USA/1048), der im Slalom ebenso ausschied wie Felix Neureuther (Partenkirchen). "Er riskiert einfach zu viel. Das muss er eben noch lernen", sagte Margreiter.
Drei Fragen - drei Antworten
Sie haben mit ihrem Überraschungscoup für den ersten deutschen Slalomsieg seit über 14 Jahren gesorgt. Haben Sie das selbst für möglich gehalten?
Das ist für mich ein unglaubliches Gefühl. Im vergangenen Jahr bin ich noch ausgeschieden. Aber ich mag diesen schwierigen Hang. Dass es ein Sieg wird, hätte ich nie geglaubt. Ich bin völlig durcheinander. Darauf habe ich hingearbeitet, seitdem ich 10 Jahre alt bin. Ein Traum ist wahr geworden. Ich bin am Ziel meiner Träume
Zwölf Jahre haben die deutschen Herren im Weltcup nicht gewonnen, nun standen Sie und Max Rauffer ganz oben. Wie ist das zu erklären?
Das ist das Ergebnis von sehr gutem Training in den vergangenen zwei Jahren. Die Trainer stehen hinter uns, es war eine Aufbruchstimmung spürbar. Ich habe zudem seit zwei Jahren keine Rückenprobleme mehr. Ab und zu zwackt es noch, aber das kennt ja jeder Skifahrer.
Sie liegen nun auf Platz drei im Slalom-Weltcup. Was ist bei der Weltmeisterschaft im Februar in Bormio möglich?
Ich glaube, dass ich derzeit auf jedem Hang gut fahren kann, egal ob flach oder steil. Aber über die WM mache ich mir noch keine Gedanken. Ich hoffe, dass durch unsere Erfolge nun wieder mehr junge Leute angespornt werden, Ski zu fahren. Man darf nicht vergessen, dass wir nur eine kleine Mannschaft sind. Ich hoffe, dass etwas nachkommt.
Knapp zwei Wochen vor der Weltmeisterschaft in Bormio (Italien) ist Vogl plötzlich ein ernsthafter Medaillen-Aspirant. "Ich glaube, ich bin derzeit auf jedem Hang schnell, ob flach oder steil", sagte der BGS-Beamte. Immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen, war er bereits abgeschrieben worden, doch Cheftrainer Werner Margreiter holte ihn zurück. "Wenn mir jemand vor einem Jahr erklärt hätte, dass wir innerhalb von vier Wochen eine Abfahrt und einen Slalom gewinnen, hätte ich ihn für verrückt erklärt", sagte der Österreicher. "Alois liebt die schwierigen Hänge, das war heute sehr beeindruckend."
Vogl hatte bereits beim Slalom in Flachau/Österreich kurz vor Weihnachten mit Rang drei seine Zugehörigkeit zur Weltspitze unter Beweis gestellt. "Ich hatte mir heute vorgenommen, so zu fahren, wie ich es kann. Vielleicht sogar ein wenig besser als in Flachau", sagte Vogl. In der Disziplin-Wertung ist er mit 204 Punkten Dritter hinter Raich (330) und Giorgio Rocca (Italien/280), der in Wengen zwar der Schnellste war, wegen eines Torfehlers jedoch disqualifiziert wurde.
Ausnahmestellung der österreichischen Abfahrer
Bei den 75. Lauberhorn-Rennen von Wengen stellten Österreichs Abfahrer ihre Ausnahmestellung erneut unter Beweis. Weltmeister Michael Walchhofer setzte sich am Samstag in 2:27,05 Minuten vor seinem Landsmann Christoph Gruber (2:27,14) durch. "Ich wollte hier unbedingt siegen. Ich habe schon den Druck gespürt", sagte Walchhofer nach seinem ersten Abfahrtserfolg in diesem Winter. Einzig Miller als Dritter konnte mithalten. Titelverteidiger Hermann Maier (Österreich) erzielte als Vierter sein bestes Abfahrts-Ergebnis der Saison.
Vor der imposanten Kulisse der Berggipfel Jungfrau, Eiger und Mönch blieb den deutschen Abfahrern diesmal nur die Statisten-Rolle: Max Rauffer (Leitzachtal) wurde in 2:29,84 Minuten 27., Florian Eckert (Lenggries/2:30,09) fuhr auf Rang 30. "Ich hatte mir hier mehr vorgenommen", sagte Rauffer nach der Fahrt voller Fehler. Walchhofer liegt durch seinen vierten Weltcupsieg auch in der Abfahrts-Wertung nach sieben von elf Rennen mit 431 Zählern vor Miller (378). "Bei diesem Rennen meldet sich nach zwei Minuten dein Selbsterhaltungstrieb", sagte Miller voller Respekt vor der mit über 4,4 km längsten Abfahrt im Weltcup-Zirkus.