Jule Niemeier warf ihren Schläger weg, vergrub das Gesicht in den Händen und fasste sich immer wieder ans Herz. In einem Nervenkrimi setzte die 22 Jahre alte Dortmunderin ihre märchenhafte Erfolgsserie beim Rasen-Klassiker in Wimbledon fort und erreichte erstmals das Achtelfinale. Die deutsche Tennis-Hoffnung bezwang am Freitag die Ukrainerin Lessia Zurenko 6:4, 3:6, 6:3 und bestätigte ihren vorigen Erfolg gegen die Weltranglisten-Dritte Anett Kontaveit aus Estland.
"Mir ist einfach ein Stein vom Herzen gefallen, das hatte heute nichts mit dem Match von vor zwei Tagen zu tun", sagte Niemeier zu ihrer Jubelgeste. "Ich bin einfach sehr glücklich, dass ich am Ende das Match gewonnen habe, auch wenn ich nicht mein bestes Tennis gespielt habe."
Beide nehmen sich 21-mal den Aufschlag ab
In einem Break-Festival nahmen sich beide Spielerinnen insgesamt 21-mal den Aufschlag ab. Nach 2:04 Stunden verwandelte Niemeier durch einen Rückhandfehler ihrer Gegnerin den ersten Matchball. "Es war eine emotionale Achterbahnfahrt. Ich bin unendlich stolz, dass sie es geschafft hat, in den wichtigen Phasen immer wieder da zu sein, aktiv genug zu spielen", sagte Trainer Christopher Kas. "Wir sind auf einer gewissen Wolke, und die werden wir einfach weiterreiten und dann schauen wir, wie weit die uns trägt."
Für den größten Erfolg ihrer Karriere kassiert sie umgerechnet 219.000 Euro. Bei ihrem Wimbledon-Debüt trifft Niemeier nun auf die Britin Heather Watson, die in der ersten Runde Tamara Korpatsch bezwungen hatte. "Sie ist eine großartige Spielerin, eine erfahrene Spielerin", sagte Niemeier über ihre 30 Jahre alte nächste Gegnerin. "Hoffentlich spielen wir auf einem größeren Court, weil ich mich recht selbstsicher auf Court 1 gefühlt habe."
Statt im zweitgrößten Stadion auf Court 1 wie gegen Kontaveit spielte Niemeier auf Außenplatz 18, bei windigen Bedingungen hatte die Weltranglisten-97. zu Beginn ihre Probleme. Bei ihren zwei souveränen Zwei-Satz-Siegen im Turnier hatte Niemeier noch kein Break kassiert – und gab gegen Zurenko direkt zu Beginn das erste von insgesamt zehn ihrer Aufschlagspiele ab, und das gleich zu null.
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Jule Niemeier beginnt nervös
"Das Match nach so einem Match ist nicht einfach", hatte Coach Kas angesichts des viel beachteten Erfolgs über die an Nummer zwei gesetzte Kontaveit gesagt. Der Beginn geriet nervös, alleine in den ersten drei Spielen unterliefen Niemeier zehn unerzwungene Fehler, schnell hieß es 0:3. Langsam kam sie ins Spiel, glich zum 3:3 aus. Mit ihrer Vorhand und Stopp-Bällen dominierte Niemeier zunächst die Partie. Ein Fehler von Zurenko besiegelte nach 49 Minuten den Gewinn des ersten Satzes.
Das Erfolgserlebnis sorgte aber nicht für Konstanz. Erneut musste Niemeier zwei Aufschlagverluste nacheinander hinnehmen, erneut stand es 0:3. Zwar konnte sie wie im ersten Satz wieder ausgleichen, die Sicherheit kehrte aber nicht zurück. Zurenko attackierte vor allem den zweiten Aufschlag und holte sich den Durchgang nach einem missglückten Schlag Niemeiers am Netz.
Zum Auftakt des dritten Satzes gab es fünf Breaks in Serie, etwas ungläubig schmunzelnd ging Niemeier beim 3:2 zur Bank. Mit einem Volley holte sich die Dortmunderin den ersten Aufschlaggewinn des Durchgangs und hielt den Zeigefinger an ihre Schläfe. Mit Köpfchen brachte Niemeier das Match nach Hause. "Ich glaube, dass viele erwartet haben, dass ich das relativ einfach gewinne heute", sagte sie. "Wir haben uns darauf eingestellt. Wenn man vor zwei Tagen gegen eine Top-Ten-Spielerin gewonnen hat, möchte man auch das nächste Match gewinnen, um es sich auch selber zu beweisen. Das spielte auch schon eine Rolle."