Sozialer Aufstieg ist möglich – so lautete das Versprechen der westlichen Gesellschaften in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuerst galt der Zusatz "durch harte Arbeit" – später wurde daraus "durch gute Ausbildung". Doch seit dem Ende des Kalten Krieges wird dieses Versprechen brüchig. Anstatt der Gewissheit, dass es die Kinder einmal besser haben werden, herrscht in vielen Schichten die Abstiegsangst und die Befürchtung, dass es den Kindern eher schlechter gehen wird.
Mit dieser Angst liegt man nicht falsch. "Arm geboren, um arm zu sterben", scheint das Motto von heute zu sein. Diese Studie von Standard Life Investments nährt diesen Verdacht (Global Overview - The lottery of birth). Jeremy Lawson, Chefökonom von Standard Life und Autor der Studie, hat sich den Zusammenhang von Reichtum beziehungsweise Armut der Eltern und den Einkommensaussichten ihrer Kinder angesehen. Sein Befund lautet, sozialer Aufstieg werde immer schwerer. Die Oberschicht mauert sich ein, das scheint ein Trend in allen entwickelten Ökonomien zu sein. Freundlicher könnte man so formulieren: Gesättigte Volkswirtschaften mit geringen Zuwachsraten entwickeln vermutlich nicht mehr so eine wirtschaftliche Dynamik, die breite Schichten nach oben tragen könnte.
Selbst in den skandinavischen Ländern, Australien, Deutschland und Kanada ist dieser Großtrend zu spüren – aber noch geringer ausgeprägt als in Großbritannien, Frankreich, USA und Italien. In den letztgenannten Ländern gibt es aus unterschiedlichen Gründen traditionell stärker abgegrenzte Oberschichten. Aber auch in Deutschland nimmt die Tendenz zur Abschottung zu - vermutlich steigert sich diese Entwicklung sogar nach dem Jahr 2000.
Alle Studien, die Einkommensvergleiche der Generationen anstellen, hinken der Entwicklung immer etwas hinterher. Ein sinnvoller Vergleich kann erst nach Schule und Ausbildungsphase ansetzen - dann sind die "Kinder" selbst schon 30.
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Reichtum wird vererbt
"In fast allen Ländern, für die Daten vorliegen, gibt es den Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und den Aussichten der Kinder, Geld zu verdienen", sagt Jeremy Lawson. Geringe soziale Mobilität führt allerdings auch zu gesellschaftlichen Kosten. Frustration und Verschwendung von Talenten ist die Folge. Hohe soziale Ungleichheit führt in aller Regel zu einer abnehmenden Produktivität der Gesellschaft. "Es ist schwer, der geringen sozialen Durchlässigkeit zu begegnen, sagt Lawson. "Da gibt es kein Allheilmittel für die ganze Welt, jedes Land muss seine eigenen Herausforderungen meistern." Eine einfache Lösung sei es, den Zugang zur Bildung auch den Kindern armer Eltern zu ermöglichen.
Verschärfter Verteilungskampf
Ein verschärfter Verteilungskampf zwischen den einzelnen Gruppen ist in Zeiten lahmen Wirtschaftswachstums die Hauptursache für die abnehmenden Aufstiegschancen. Die USA blicken auf drei Jahre schrumpfender Reallöhne zurück. Deutschland muss mit der extremen Zunahme schlecht bezahlter Jobs im Niedriglohnsektor fertig werden.
Erstaunliches lässt sich allerdings in China beobachten. Die Wirtschaftskraft dort reicht aus, die Lebensbedingungen aller Schichten zu verbessern. Von Durchlässigkeit kann aber keine Rede sein. Trotz spektakulärerer Einzelkarrieren sind die Schichten streng voneinander separiert, ein Aufstieg über die eigene Gruppe hinweg kommt kaum vor. Den entwickelten Volkswirtschaften droht das Vorbild USA. Lawson findet es besonders beunruhigend, dass dort der Anteil der 30-Jährigen, die mehr als ihre Eltern verdienen, kontinuierlich kleiner wird. Ein deutliches Zeichen für das Absinken weiter Schichten.
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Für Deutschland gibt es auch keine Entwarnung. In einem OECD-Ranking der sozialen Unbeweglichkeit, das auf den Bildungschancen von Kindern basiert, rangiert Deutschland auf Platz drei der Aufstiegsverhinderer – direkt hinter den USA und Frankreich. Hier geht es um die verspielten Zukunftschancen schulpflichtiger Kinder - wenn sie irgendwann im Erwerbsleben stehen, dürften sie kaum zu den sozialen Aufsteigern gehören.
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