Halbleiter Infineon-Aktionäre verlieren die Geduld

Infineon-Chef Ulrich Schumacher ist unter Druck: Zum zweiten Mal in Folge musste er vor den Aktionären einen Milliardenverlust eingestehen. Doch die Chancen auf eine Wende steigen.

Der ehrgeizige Manager musste den Infineon-Aktionären am Dienstag auf der Hauptversammlung in München zum zweiten Mal in Folge einen Milliardenverlust vorlegen und dafür auch Häme einstecken. «Herr Schumacher, Sie sind nur noch Mister 10 Prozent», sagte ein Kleinaktionär aus Stuttgart mit Blick auf den mehr als 90-prozentigen Kursverlust der Infineon-Aktie seit ihren Höchstständen im Jahr 2000. Für Schumacher, der nach Angaben aus seinem Umfeld durchaus Ambitionen auf den Chefsessel bei Siemens hegt, ist das laufende Jahr ein Jahr der Bewährung. Einen dritten Verlust in Folge wollen die Anleger nicht hinnehmen. Nach Einschätzung von Branchenbeobachtern stehen die Chancen auf eine Trendwende bei Infineon aber nicht schlecht.

In Zeiten des

Börsenbooms war Schumacher für die Anleger eine der Ikonen der Hightech-Branche. Zum Börsengang in New York fuhr er an der Wall Street mit dem Rennwagen vor. Auch wenn Schumacher das schon längst bereut hat und keine Fotos mehr von sich im Rennanzug machen lässt, verfolgt ihn das Thema hartnäckig. Diesmal sprach ein Kleinaktionär den Vorstandsvorsitzenden aus Versehen gar mit «Michael Schumacher» an. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat festgestellt, dass Schumacher «seine Rennfahrer-Mentalität derzeit gut versteckt».

Auch wenn

der 44-Jährige momentan zurückhaltend auftritt und sich vor allem mit Prognosen extrem zurückhält, beteuerte er: «Ich bin immer noch die gleiche Person und werde es auch bleiben.» Er machte für die hohen Verluste und die Kursrückgänge vor allem die Branchenkrise und die generelle Konjunkturflaute verantwortlich. «Ausnahmslos alle Halbleiter-Aktien haben erhebliche Verluste hinnehmen müssen.» Ein Aktionär entgegnete allerdings: «Dieses Weltwirtschafts-Blabla interessiert mich nicht.»

Doch gerade

den extrem schwankenden Preisen bei Speicherchips kann sich kaum ein Unternehmen der Branche entziehen. Zuletzt zeichnete sich hier zumindest eine Stabilisierung auf etwas höherem Niveau ab. «Ich denke schon, dass wir in den nächsten zwei bis drei Quartalen die Talsohle durchschritten haben werden», sagte Schumacher daher. Nach einem deutlich verringerten Verlust im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2002/03 (30. September) dürften nach Einschätzung von Branchenkennern daher schwarze Zahlen für Infineon in Sicht sein. Dank der Investitionen in die 300-Millimeter-Fertigung im neuen Dresdner Werk hat Infineon gegenüber den meisten Konkurrenten einen technologischen Vorsprung, von dem es bei wieder steigender Nachfrage profitieren kann.

Nicht nur deshalb

forderten die Aktionäre fast schon ultimativ Gewinne. «Die Uhr tickt», sagte Aktionärsschützern Bergdolt. Wenn Infineon zum dritten Mal in Folge einen Verlust ausweisen sollte, müsste der Aufsichtsrat Konsequenzen auf höchster Ebene ziehen. Falls aber der nächste zyklische Aufschwung einsetzt, könnte Infineon wieder schnell hohe Gewinne einfahren. Dann könnte Schumacher, der seine gesamte Karriere bei Siemens und dem Ableger Infineon absolviert hat, vielleicht sogar gerade rechtzeitig seine Außenseiter-Chancen auf den Vorstandsvorsitz beim Siemens-Konzern verbessern.