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Ökostrom-Umlage Wer schuld ist am großen Strompreisschock

Strom wird im kommenden Jahr spürbar teurer. Schuld daran ist aber nicht nur die Förderung der Erneuerbaren. Auch andere Akteure treiben den Preis in die Höhe.
Von Nikolai Fichtner

An der Zahl, die am kommenden Montag offiziell verkündet wird, ist jetzt nichts mehr zu ändern. Auf knapp 5,3 Cent pro Kilowattstunde wird die Umlage für die Ökostromförderung 2013 steigen. Für einen Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch summieren sich die Kosten damit auf 185 Euro pro Jahr - rund 60 Euro mehr als 2012. Ein solch großer Preisschock kommt selten vor. Entsprechend nervös warten Politik und Energiebranche nun darauf, wie wütend die Bevölkerung reagieren wird.

Und: Gegen wen sich diese Wut über die Kostenexplosion richten wird. Energiekonzerne, Industrielobby und FDP zeigen auf den teuren Ökostrom. Umweltverbände und Grüne kontern mit einem Angriff auf die Industrie, die von den Kosten weitgehend befreit ist. Lobbyisten feuern in diesen Tagen eine Studie nach der anderen ab. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Menschen davon überzeugt, dass die anderen verantwortlich für die Mehrkosten sind.

Das Ergebnis der Schuldfrage ist brisant. Es geht darum, ob es Mehrheiten für eine Reform der Ökostromförderung gibt, ob Kosten und Nutzen anders verteilt werden.

Insgesamt 20 Mrd. Euro werden nun 2013 über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) umverteilt: von den Stromkunden per EEG-Umlage an die Besitzer von Windrädern und Solaranlagen, die eine feste Garantievergütung für ihren Strom kassieren; aber indirekt eben auch von den Stromkunden an die Großverbraucher, die kaum EEG-Umlage zahlen und trotzdem vom Preisverfall an der Strombörse profitieren. Für Großhändler sinken nämlich die Preise, wenn das Ökostromangebot steigt.

Angesichts von Industrie-Privilegien und Börseneffekten ist zumindest in der Fachwelt weitgehend Konsens, dass die EEG-Umlage nicht mehr der geeignete Maßstab für die Kosten der Energiewende ist - zumal es nicht nur in der EEG-Umlage, sondern auch bei anderen Bestandteilen des Strompreises Kostentreiber gibt. Die FTD hat fünf Strompreistreiber identifiziert.

Industrieprivileg: 1,5 Cent

Alle zahlen mehr, weil die Industrie fast gar nichts für den Ökostrom zahlt. Lange war das politisch Konsens - eingeführt noch von Rot-Grün, um Arbeitsplätze in der Schwerindustrie im Land zu halten. Doch jetzt, wo es darum geht, die erneuerbaren Energien gegen Angriffe zu verteidigen, kündigen die Ökos den Konsens auf. Von Greenpeace bis zum Umweltministerium berechnen sie, wie sehr die Industrie-Privilegien den Strompreis für Privatkunden treiben. Demnach wäre die EEG-Umlage im nächsten Jahr ohne Industrie-Ausnahmen 1,5 Cent billiger - etwa 0,5 Cent mehr als jetzt. Der Grund: Schwarz-Gelb hatte die Privilegien 2011 im Zuge der Energiewende deutlich ausgeweitet, um die Wirtschaft ruhigzustellen. Die Folge ist, dass jetzt nicht nur Aluschmelzen von der Umlage befreit werden wollen, sondern auch Rechenzentren, Golfplätze oder Hähnchenmastbetriebe, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Greenpeace gibt der "maßlosen Industrieförderung, die von der Ausnahme zur Regel wurde", gleich die ganze Schuld am Strompreisschock. Die Grünen sehen das ähnlich. Und sogar Umweltminister Peter Altmaier (CDU) will nun einige Ausnahmen überprüfen.

Offshore-Windkraft: 0,25 Cent

Nicht nur Verbraucherschützer, auch Ökobranche und Umweltpolitiker warnen vor dem "Kostentreiber der Zukunft". Wenn die Windkraft in Nord- und Ostsee wie geplant ausgebaut wird, treibt das die EEG-Umlage weiter in die Höhe. Kein Wunder: Offshore-Windstrom wird inzwischen höher vergütet als Solarstrom - und die geplanten Mengen sind enorm. Aber selbst wenn der Ausbau nicht wie geplant läuft, wird es teuer für die Stromkunden. Im Bundestag liegt gerade ein Gesetz, nach dem Verbraucher mit 0,25 Cent pro Kilowattstunde den Schaden bezahlen, der entsteht, wenn die Offshore-Industrie ihre Kabel nicht rechtzeitig legt.

Solaranlagen: 1,4 Cent

Für Energiekonzerne, FDP-Politiker und viele Industriebosse ist klar: Die Solarbranche ist schuld. Satte Renditen über das EEG schufen zuletzt einen Solarboom nach dem anderen. Die Bundesregierung erwies sich mit ihren Kürzungsversuchen gegenüber der Solarlobby als machtlos. Solaranlagen steuern zwar weniger als ein Viertel des Ökostroms bei - verursachen aber mehr als die Hälfte der Kosten. Selbst wenn man Industrie-Privilegien und andere Strompreiseffekte herausrechnet, bleibt immer noch ein großer Kostenblock: Mehr als 1,4 Cent kostet allein die Solarförderung die Stromkunden, wie der Ökobranchenverband BEE ausgerechnet hat. Das ist siebenmal mehr als bei der Windkraft an Land, die viel mehr Strom liefert. Das größte Problem sind allerdings die teuren Altanlagen. Durch die vielen Kürzungen belasten neue Anlagen die Umlage nicht mehr so stark. Insgesamt entfallen 0,3 Cent der Umlagensteigerung auf neue Windräder, Solar- oder Biomasseanlagen.

Norbert Röttgen: 0,7 Cent

Vor einem Jahr ließ sich der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) noch dafür feiern, dass die EEG-Umlage fast gar nicht gestiegen war. Das passte ihm gut in den Kram, hatte er doch fest versprochen, dass sie trotz Atomausstieg und Energiewende konstant bei 3,5 Cent bleiben würde. Ein Jahr später wird klar: Er schaffte das nur mit Trickserei. Denn allein 0,7 Cent der aktuellen Strompreiserhöhung entfallen darauf, dass Röttgen damals die Kosten kleingerechnet hat. Jetzt müssen die Stromkunden den Nachschlag zahlen. Die Netzbetreiber wussten es übrigens schon damals besser: Sie beantragten einen Reservepuffer von zehn Prozent, Röttgen erlaubte nur drei. Sein Nachfolger Altmaier hat nun den großen Puffer bewilligt - und kann damit auf einen positiven Wahlkampfeffekt hoffen. Denn so kann es passieren, dass im kommenden Jahr die Umlage wieder sinkt statt steigt.

Stromversorger: 0,3 Cent

Die Stromversorger gelten oft als größte Bösewichte, diesmal spielen sie nur eine Nebenrolle. Der Vorwurf, den vor allem SPD und Grüne laut äußern: Die Versorger können ihren Strom an der Börse zwar günstiger einkaufen, weil dort die Preise durch die Ökostromschwemme deutlich gefallen sind. Sie geben den Vorteil aber nicht an ihre Kunden weiter. An den Spotmärkten bekommt man die Kilowattstunde fast ein Cent günstiger als im Vorjahr. Für Versorger, die ihren Strom nicht spontan, sondern an den Terminmärkten kaufen, beträgt der kostendämpfende Effekt der Energiewende immerhin 0,3 Cent, wie das Öko-Institut berechnet hat. SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber fordert die Versorger nun auf, den Strompreis entsprechend zu senken, um wenigstens einen Teil der EEG-Mehrkosten zu kompensieren. Die Stadtwerke Bonn, in deren Aufsichtsrat er sitzt, haben das schon beschlossen.

FTD

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