In Moskau ist es nicht so einfach eine neue Wohnung zu kaufen. Heute benötigt ein interessierter Käufer eine Bescheinigung, dass er keine psychischen Krankheiten habe. Das liegt nicht daran, dass es zu viele verrückte Russen gibt – die Verkäufer wollen sich so gegen einen möglichen Betrug absichern.
Brodelnder Immobilienmarkt
Wirtschaftskrise hin- oder her, der Immobilienmarkt der russischen Hauptstadt explodiert. Jedes Jahr werden Wohnungen und Häuser im Wert von 29 Milliarden US-Dollar verkauft. Und von diesem Geschäft wollen sich Betrüger eine möglichst große Scheibe abschneiden, berichtet die "New York Times". Die gesetzlosen Jelzin-Jahre sind zwar lange vorbei, bei Themen wie Betrug ist das russische Justizsystem nach wie vor weit hinter den Anforderungen der modernen Zeit - so haben illegale Makler freie Hand.
Sie nutzen eine Eigenheit der Justiz. Die Gerichte folgen einer sowjetischen Tradition: Sie wollen vor allem verhindern, dass Hilflose und Alte obdachlos werden. Vor Gericht reicht es, eine herzzerreißende Geschichte zu präsentieren und zu behaupten, der Verkäufer sei im Moment des Kaufs nicht zurechnungsfähig oder betrunken gewesen. Darum benötigt man beim Kauf einer Wohnung nicht nur eine Bescheinigung der geistigen Gesundheit, häufig ist bei der Unterzeichnung des Vertrages auch eine Krankenschwester zugegen, die den Alkoholspiegel der Beteiligten misst.
Rückabwicklung des Verkaufs
Der Klassiker des Betruges geht so: Die Makler arbeiten mit den Besitzern einer Wohnung zusammen. Sie bieten die Immobilien an, finden einen Käufer. Nach dem Kauf tauchen Verwandte auf, die behaupten, die Oma sei nicht bei Verstand und hätte die Wohnung nicht verkaufen können. Sie lassen den Vertrag für ungültig erklären und behalten die Wohnung.
Die geprellten Käufer können nun versuchen auf dem Gerichtsweg ihr Geld wieder zu bekommen, aber das kann dauern. Und am Ende bedeutet ein gewonnener Prozess noch lange nicht, dass das Geld wieder auftaucht.
Das Drama der Co-Investoren
Noch verbreiteter ist der Betrug mit im Bau befindlichen Wohnungen, schreibt die "NYT". Zuerst werden Käufern große Rabatte angeboten, wenn sie unterschreiben – obwohl die Wohnungen nicht fertig sind. Außerdem sind sie nicht einfach Käufer, ihnen wird der Status von Co-Investoren, Mit-Bauherren, angeboten. Diese Rechtskonstruktion kann Kosten sparen, führt aber vor allem dazu, die Gesetze zum Schutz von Käufern zu umgehen. Hat die Firma genügend Geld von den Kunden eingesammelt, geht sie – wie von Anfang an geplant – in den Konkurs. Die Gelder der Käufer sind verschwunden.
Valery Ryabkov ist so ein Co-Investor. Er hat seine alte Wohnung verkauft, das Geld ist in ein betrügerisches Bauprojekt geflossen. Er sagte dem Portal "Meduza": "Wir haben alle Hoffnung verloren. Wir waren im Kreml. Wir sind zum Bürgermeister gegangen. Nichts …. Niemand kann den Bauherrn zwingen, den Bau des Hauses zu beenden - der Bauherr ist bankrott gegangen. … Wir haben sieben Klagen gewonnen, und wir sind offiziell als betrogene Co-Investoren registriert. Und es passiert nichts."
Wohnungseigentümer ertränkt
Diese und ähnliche Tricks kennt man aus vielen Ländern, hinzu kommt die Brutalität der russischen Gangster. Im Herbst 2018 flog eine Gruppe von Immobilienmaklern auf. Sie besaßen ein schönes Domizil. Es lag ruhig, hatte wenige Nachbarn und befand sich am Wasser. Dieses Refugium diente einem einzigen Zweck. Die Makler suchten alte oder kranke Moskauer, die ihre Wohnungen verkaufen wollten und in spezielle Seniorensiedlungen außerhalb der Stadt umziehen wollten. Der Kaufpreis für die Moskauer Immobilie wurde auf ein Treuhandkonto überwiesen.
Formal vollkommen korrekt, nur dass die Gangster tatsächlich Zugriff auf das Konto hatten. Um die Transaktion zu feiern, wurden die alten Leute in die See-Residenz eingeladen. Dort wurden sie dann ermordet und die Leichen im See versenkt. Die Seniorensiedlung, von der sie glaubten, sich dort eingekauft zu haben, existierte natürlich nicht. "Ich wartete etwa zehn Minuten, und wenn es keine Lebenszeichen gab, ging ich", sagte der Anführer der Gruppe in einem Geständnis-Video der Polizei.
Das russische Fernsehen berichtete von einem weiteren Fall. Diese zweite Makler-Bande hielt Ausschau nach alleinstehenden Alkoholikern, die eine Immobilie besaßen. Sie entführten die Unglücklichen und ließen sich die Wohnungen übereignen. Dann verschleppten sie ihre Opfer auf eine abgelegene Farm, wo sie als Zwangsarbeiter schuften mussten. 30 Personen konnte die Polizei befreien.
Quellen:
"The New York Times" – "Selling Real Estate in Russia? Are You Crazy?"
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