In einem der "Berliner Zeitung" vom Dienstag vorliegenden Schreiben an Job-Center und die Arbeitsgemeinschaften der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Kommunen zur Betreuung der Arbeitslosen fordert Clement, dem Leistungsmissbrauch entschieden entgegenzutreten.
Besonders die so genannten Bedarfsgemeinschaften müssten überprüft werden. Clement vermutet, dass eheähnliche Gemeinschaften sich als Bedarfsgemeinschaft ausgeben. In diesem Fall ist der Partner des Empfängers von Arbeitslosengeld nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Der Minister verweist in dem Schreiben auch auf Tipps für Missbrauchsmöglichkeiten, die im Internet oder in Zeitschriften veröffentlicht werden.
"Ich gehe davon aus, dass Sie vor dem Hintergrund Ihrer vielfältigen Erfahrungen aus dem Bereich der Sozialhilfe oder der Arbeitslosenhilfe bereits Maßnahmen zum Gegensteuern ergriffen haben", zitiert die Zeitung aus dem Schreiben Clements.
Nach Medienberichten, die die Bundesregierung als nicht nachvollziehbar bezeichnet hatte, droht im Haushalt 2005 wegen Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt ein Loch von zehn Milliarden Euro.
Hartz IV wird zunehmend Wahlkampfthema
Angesichts von Berichten über mangelnde Erfolge bei der Arbeitslosenvermittlung warf die CSU Rot-Grün am Montag vor, die Arbeitslosenversicherung gerate außer Balance und forderte Einschnitte in die Angebote. Die Grünen forderten dagegen eine Ausweitung des Arbeitslosengeldes II zu einer "echten Grundsicherung", lehnten aber eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I ab.
Das ARD-Magazin "Report Mainz" berichtete vorab, dass viele für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen vorgesehenen Mitarbeiter mit Problemen der Auszahlung von Hartz-IV-Bezügen überlastet seien. Die aus gemeinnützigen Trägern bestehende Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit kritisierte in der Sendung, dass auch fast ein halbes Jahr nach Einführung der Reform noch nicht einmal die Hälfte der 157.000 offenen Ein-Euro-Jobs vermittelt worden seien.
Die bundesweite Zahl aller Ein-Euro-Jobs ist nicht zu beziffern
Das Bundeswirtschaftsministerium wies das als falsch zurück. Derzeit übten mindestens 131.500 Menschen einen so genannten Ein-Euro-Job aus, hieß es in einer in Berlin verbreiteten Erklärung. Allerdings habe der Umbau am Arbeitsmarkt und in der Bundesagentur für Arbeit in der Anlaufphase organisatorisch und personell viel Kraft gekostet. Ein Ministeriumssprecher räumte ein, dass man die bundesweite Zahl aller Ein-Euro-Jobs nicht beziffern könne, weil es keine zentrale Erfassung gebe.
Der CSU-Arbeitsmarktexperte Johannes Singhammer kritisierte, dass in der Arbeitslosenversicherung die Leistung der Beitragszahler und Gegenleistung schon lange nicht mehr übereinstimmten. "Die Förderung unwirksamer, nicht zielgerichteter und überflüssiger Maßnahmen muss aufgegeben werden", forderte Singhammer in Berlin. Dagegen mahnte der SPD-Politiker Klaus Brandner zur Geduld. Brandner sagte im Deutschlandradio Kultur, Instrumente wie Ich-AGs und Personalservice-Agenturen seien erst sehr kurz am Markt. Daher sei es vorschnell, wenn sie CDU und FDP nach einem Wahlsieg abschaffen wollten.
Grüne uneins zu Rappes Vorstoß
Das Hartz-IV-Ombudsratsmitglied Hermann Rappe forderte ein längeres Anrecht auf das reguläre Arbeitslosengeld I für Betroffene mit hoher Lebensarbeitszeit. "Wer sehr lange in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat, der muss auch länger Arbeitslosengeld I bekommen", sagte der ehemalige IG-Chemie-Chef der "Berliner Zeitung". Ähnliche Forderungen hatte zuvor der CDU-Arbeitnehmerflügel aufgestellt, die FDP hatte dies aber strikt abgelehnt.
Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert wies Rappes Forderung zurück. In der "Netzeitung" argumentierte sie, dass dies für viele Menschen eine Verschlechterung bedeute. Geschlossene Erwerbsbiografien seien oft nicht mehr gegeben, weil viele zwischen Angestelltenverhältnissen und Selbstständigkeit hin und her wechselten. Zudem unterbrächen vor allem Frauen ihre Erwerbstätigkeit, um Kinder zu kriegen. Die ostdeutsche Grünen-Abgeordnete Cornelia Behm begrüßte dagegen Rappes Vorschlag. Es sei nur gerecht, wenn sich der Bezug des Arbeitslosengeldes I nach Dauer und Höhe des Einzahlungsbetrages richte, erklärte sie in Berlin.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) forderte unterdessen, den Ausbau des Arbeitslosengeldes II "zu einer echten Grundsicherung". Trittin sagte der "Welt", nach der bereits beschlossenen Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten werde man bei der Frage, "wie man mit anderen Formen der Altersvorsorge umgeht, noch einmal nachdenken müssen".