Bereitschaftsdienste Marburger Bund will Arbeitszeit-Regel stoppen

In der EU sollen Arbeitnehmer künftig nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Das fuchst die Klinikärzte: Diese konnten mit ihren Bereitschaftsdiensten ihre Wocharbeitszeit auf 65 Wochenstunden ausdehnen. Nun will die Ärztegewerkschaft Marburger Bund die neue Arbeitszeit-Richtlinie kippen.

Der Arbeitszeit-Beschluss des EU-Ministerrats ist auf Lob und Tadel gestoßen: Die die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte die Einigung, die Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger Bund (MB) kritisierte sie heftig. "Wir finden das alles ganz schrecklich", sagte MB-Hauptgeschäftsführer Armin Ehl in Berlin. Sollte es wegen der Richtlinie zu Änderungen bei der Anerkennung von ärztlichen Bereitschaftszeiten und zu einer "neuen Kategorie der inaktiven Zeit" kommen, "wäre der Arbeitsschutz wieder ausgehebelt", sagte Ehl.

Ärztegewerkschaft plant rechliche Schritte

Er warnte vor "Fehlinterpretationen" der Richtlinie. Dagegen werde sich der MB auch juristisch wehren. Ehl lehnte eine Änderung des deutschen Arbeitszeitrechts ab. Man werde dabei Bundesarbeitsminister Olaf Scholz beim Wort nehmen. Der Marburger Bund setzt darauf, dass das Europäische Parlaments den Ministerrats-Kompromiss noch ändert. Sonst seien Ärzte und Patienten die Verlierer.

Der Ministerbeschluss zur Arbeitszeitrichtlinie sieht vor, dass Bereitschaftsdienste in aktive und inaktive Zeiten gesplittet werden können. Aktive Bereitschaftszeit wird als Arbeitszeit gerechnet, inaktive Bereitschaftszeit nicht. Letztere kann dennoch zur Arbeitszeit gezählt werden, wenn nationale Gesetze dies vorsehen oder die Sozialpartner es vereinbaren.

Angst vor längeren Dienstzeiten

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hat den Beschluss des EU-Ministerrates zur Arbeitszeitrichtlinie scharf kritisiert. Es drohten "gravierende Verschlechterungen des Arbeitsschutzes für Krankenhausmitarbeiter", heißt es in einer BÄK-Mitteilung vom Dienstag in Berlin. Auf sie kämen wieder längere Dienstzeiten und mehr Bereitschaftsdienste zu.

Dagegen sieht die DKG darin eine Chance, die durch Anrechnung von Ruhezeiten während des Bereitschaftsdienstes erzeugte "künstliche Verknappung der ärztlichen Arbeitszeit" zu beenden. "Die Korrektur, die die Krankenhäuser von Anfang an gefordert haben, kommt allerdings sehr spät", kritisierte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Sie korrigiere "eine Fehlentscheidung auf europäischer Ebene, die von Anfang an nicht zu halten war".

Anwendbarkeit muss noch geprüft werden

Inzwischen seien gesetzliche und tarifliche Realitäten in Deutschland geschaffen worden, die bei den Krankenhäusern zu Zusatzkosten von 1,7 Milliarden Euro geführt hätten. Sofern das Europäische Parlament der Änderung der Arbeitszeitrichtlinie zustimme, müsse - so Baum - geprüft werden, inwieweit die Regelungen unmittelbar Anwendung finden oder ob gesetzliche Anpassungen nötig seien.

DPA · Reuters
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