Berufswahl Arbeitsalltag, Motivation, Gehalt: Philip Oprong Spenner, warum bist du Lehrer geworden?

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Arbeitsalltag, Motivation, Gehalt: Philip Oprong Spenner, warum bist du Lehrer geworden?
Philip Oprong Spenner ist Lehrer und Familienvater. Bei seiner ersten Anstellung nach dem Referendariat ist er bis heute geblieben.
© Gerald von Foris / Ullstein Verlag
Philip Oprong Spenner kommt aus ärmsten Verhältnissen und hat sich mit dem Lehrerberuf einen Traum erfüllt. Mit dem stern hat er über die positiven und negativen Seiten seines Jobs gesprochen und darüber, was ein guter Lehrer mitbringen muss.

"In meiner Kindheit war die Schule mein Lichtblick und die Quelle meines Selbstbewusstseins", erzählt Philip mir am Telefon. Zuhause gab es diese Dinge nicht für ihn, er lebte mehrere Jahre auf der Straße, kam dann in Kinderheimen unter, in denen er "nur ein weiteres Maul war", das "gestopft werden musste". In die Schule konnte er nur gehen, weil zwei Unterstützer aus Irland und Deutschland sich für ihn einsetzten und die Kosten übernahmen. Er wurde schnell ein guter Schüler, bekam Anerkennung und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Heute hat er dieses Leben wohl, von dem er damals träumte. Philip ist Familienvater, lebt in Hamburg und unterrichtet Englisch, Sport und Philosophie an einer Stadtteilschule. Es gibt viele Kinder dort, die selbst einen Migrationshintergrund haben und Notsituationen kennen. Seine eigenen Kindheitserfahrungen trägt Philip mit in den Unterricht und will den Schülern das Selbstbewusstsein geben, das er selbst in der Schule aufgebaut hat. Im Gespräch erzählt er mir, warum ihm der Lehrerberuf so viel Freude bereitet, wie er seinen Schülern Mut macht und warum Lernen für ihn eine emotionale Angelegenheit ist. 

Philip, wie sieht ein normaler Tag für dich aus?

Ich bin in erster Linie Familienvater. Mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam als Familie frühstücken. Deshalb beginnt mein Tag sehr früh, ich stehe um 5.30 Uhr auf. Zur Schule fahre ich mit dem Rad und bin an den meisten Tagen etwas vor acht Uhr im Klassenraum. Normalerweise enden meine Tage um 15 Uhr, da ich allerdings auch als Beratungslehrer arbeite, habe ich immer wieder Termine nach dem Unterricht und bin entsprechend länger da.

Zur Person

Philip Oprong Spenner ist 42 Jahre alt und Vater von drei Kindern. Er wurde im Westen Kenias geboren und lebte schon mit neun Jahren auf der Straße. Im Alter von 12 wurde er in verschiedenen Kinderheimen in Kenia aufgenommen und kam schließlich als 20-Jähriger nach Hamburg, wo er zunächst sein Jura-Studium fortsetzte und später zu Lehramt wechselte. Seit 2009 unterrichtet Spenner an einer Stadtteilschule in Hamburg in den Fächern Englisch, Sport und Philosophie. Vor zehn Jahren erschien seine Autobiographie "Move on up" im Ullstein Verlag, in der er seinen Lebensweg nachzeichnet. Derzeit arbeitet Spenner an seinem zweiten Buch.

Was macht ein Beratungslehrer?

Beratungslehrer werden ausgebildet, um Kinder psychologisch zu betreuen. Dabei geht es um Probleme mit dem Lernen, aber auch um Konflikte Zuhause oder untereinander in der Klassengemeinschaft. Wir versuchen den Kindern in diesen Beratungen die Dinge mitzugeben, die sie brauchen, um ihre Probleme selbst zu lösen.

Das klingt nach viel zusätzlicher Arbeit. Warum hast du dich dafür entschieden?

Sicher hatte die Entscheidung auch damit zu tun, dass ich einen Migrationshintergrund habe. In dem Stadtteil, in dem ich arbeite, leben Familien mit den verschiedensten Hintergründen. Viele Kinder können sich mit mir identifizieren, weil ihre Eltern immigriert sind oder weil sie selbst Fluchterfahrungen haben und Notsituationen kennen, die ich nachvollziehen kann. Eigentlich haben sich die Kinder selbst für mich als Ansprechperson entschieden, von Anfang an sind sie mit ihren Problemen zu mir gekommen. Mir ist es wichtig, dass meine Schüler wissen, dass sie mir etwas bedeuten. Und ich hoffe, dass ich ihnen auch etwas bedeute.

Und abseits deiner Tätigkeit als Vertrauenslehrer – was gefällt dir gut an deinem Beruf?

Es macht mir Freude, zu sehen, dass die Kinder sich auf mich einlassen und dass ich sie begleiten kann über die Jahre. Oft erlebe ich Schüler, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt wurden, die wenig Hoffnung haben, dass aus ihnen etwas werden könnte. Es ist etwas Wunderbares, diesen Schülern neuen Mut zu geben und am Ende zu sehen, was daraus wachsen kann. Vor einiger Zeit habe ich bei einem Vortrag an einer anderen Schule eine ehemalige Schülerin getroffen, die mich dort als Lehrerin begrüßte. Als ich sie als Schülerin kennenlernte, hatte sie kein Vertrauen zu sich selbst, sie gehörte zu denen, über die man sagte, dass aus ihnen nicht viel wird. Sie dort als erwachsene, selbstbewusste Frau zu sehen, war großartig. Diese Begegnung hat mir wieder gezeigt, wie wichtig unser Beruf ist.

Gibt es auch negative Seiten?

Auf jeden Fall. Der Beruf entwickelt sich stark zum Organisatorischen hin. Das ist vor allem diese Schriftlichkeit, das Ausfüllen von Berichten und Kompetenzen, die ständige Erreichbarkeit per Mail. Es kommt oft zu kurz, mit den Schülern als Menschen, mit ihnen persönlich zu arbeiten – dabei wäre die Zeit hier meistens besser investiert.

Wie hast du entschieden, dass du Lehrer werden möchtest?

Als ich Kenia verließ, war ich 20 Jahre alt und mitten im Jura-Studium. In Deutschland angekommen, führte ich das Studium weiter, kämpfte mich durch das neue System und die Schwierigkeiten der fremden Sprache. Immer deutlicher hatte ich aber das Gefühl, dass eigentlich die Schule meine Berufung ist. Das hängt sicher auch mit meinen eigenen Schulerfahrungen zusammen. Ich bin immer gerne zur Schule gegangen und bekam dort die Aufmerksamkeit, die mir Zuhause gefehlt hat. In der Schule habe ich gemerkt, dass ich trotz meiner Herkunft eine gute Zukunft haben kann. Daraus nahm ich meine gesamte Motivation. Bis heute glaube ich an diese Kraft der Schule und der Bildung – und sie ist sicher auch der Grund dafür, dass ich Lehrer geworden bin und meinen Beruf gut machen möchte. Was ich in der Schule erfahren habe, möchte ich an meine Schüler weitergeben. Das Jura-Studium habe ich damals abgebrochen, um dann Lehramt zu studieren.

Hast du nach dem Studium schnell eine Anstellung gefunden?

Ich hatte mehrere Vorteile und war damals sicher ein Sonderfall. Mein erstes Buch, eine Autobiographie, wurde zur Zeit meines Abschlusses veröffentlicht und in den Medien aufgegriffen – daraufhin sind einige Schulen auf mich zugekommen. Lehrer mit Migrationshintergrund wurden zudem schon im Referendariat besonders berücksichtigt und ich hatte – gerade für einen Absolventen mit Migrationshintergrund – sehr gute Noten. Bewerben musste ich mich tatsächlich nie. Am Ende habe ich mich für die Schule entschieden, die ich schon während meines Studiums kennenlernte. Damals wirkte ich bei dem Programm "Teach first" mit, das sozial benachteiligte Kinder für Bildung begeistern will.

Was macht einen guten Lehrer für dich aus? Was sollte man mitbringen?

Lernen ist für mich emotional. Schüler sind keine Tabula rasa, keine weißen Wände, die man neu beschriften kann. Sie sind vielschichtige Wesen, die ihre ganz eigenen Kräfte mitbringen. Ich sehe es als Aufgabe von Lehrern, diese Kräfte zu erkennen und sie den Schülern bewusst zu machen, damit sie das Selbstbewusstsein finden, ihre ganz eigenen Ziele und Vorstellungen zu erreichen. Mir geht es nicht so sehr um die Kompetenzen, die in den Bildungsstandards aufgeführt sind. Ich denke, ein guter Lehrer gibt seinen Schülern das Gefühl, sie ernst zu nehmen und sie zu sehen in ihrer Persönlichkeit. So wächst eine Vertrauensbasis, auf der man miteinander arbeiten kann. Mein persönliches Berufsziel ist dann erreicht, wenn ich es geschafft habe, meinen Schülern zu helfen, sich selbst zu helfen.

Welche Eigenschaften braucht es dafür?

Vor allem sehr viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die ganz eigenen Situationen und Wahrnehmungen der Schüler. Und es braucht natürlich sehr viel Motivation. Ein Schüler sitzt anders im Unterricht, wenn er weiß: dieser Lehrer gibt sich Mühe, mir etwas beizubringen; ich bedeute ihm etwas.

Wieviel verdient man als Lehrer?

Ich sage es mal so: Mein Gehalt reicht mir, um gut zu leben. Ich habe eine Familie und ein Haus, das ich abbezahle, meine Kinder sind gut versorgt. Ich habe meine Besoldungsstufe in den letzten Jahren erhöht, indem ich mich auch außerhalb meines normalen Unterrichts engagiert habe, zum Beispiel als Vertrauenslehrer.

Info: Gehalt eines Lehrers

Das Gehalt eines Lehrers setzt das jeweilige Bundesland fest. Grund-, Haupt- und Realschullehrer verdienen in der Regel weniger als Gymnasiallehrer. In den meisten Bundesländern gehören Grund-, Haupt- und Realschullehrer zur Besoldungsstufe A12, das sind zum Beispiel in Bayern 3.929,17 Euro brutto im Monat, im Saarland ist der Verdienst am geringsten mit 3.487,17 Euro brutto im Monat als Einstiegsgehalt. In den meisten Bundesländern steigt das Gehalt allerdings mit den Jahren – so können Lehrer im Saarland nach 20 Berufsjahren schon 4710,00 Euro brutto im Monat rechnen. Gymnasiallehrer werden direkt nach Uniabschluss der Besoldungsgruppe A13 zugeordnet und bekommen entsprechend mehr. Im Durchschnitt verdienen sie zum Berufsstart 4.191,51 Euro brutto im Monat. Wer als Quereinsteiger in den Lehrerberuf wechselt, hat auch die Chance auf eine Verbeamtung und damit auf das gleiche Gehalt eines studierten Lehrers. Allerdings: Wer mit Fachhochschulabschluss, einem Meistertitel oder einem Hochschulabschluss mit weniger als sieben Semestern Regelstudienzeit als Lehrer arbeitet, wird nach einem Tarifvertrag bezahlt. Das mag in der Summe nicht immer weniger sein, aber als verbeamteter Lehrer zahlt man keine Sozialabgaben. Es bleibt also am Ende mehr übrig.

Hast du noch einen Rat für Menschen, die darüber nachdenken, Lehrer zu werden?

Wenn meine Schüler mich fragen, ob ich noch einen Tipp für die Klausur habe, sage ich Ihnen: Habt Vertrauen in euch und darin, dass alles gut wird. Das würde ich auch jemanden raten, der vor großen Entscheidungen in der Berufswahl steht. Wichtig ist das Vertrauen darin, dass man seine eigenen Stärken kennt und darauf aufbauend gute Entscheidungen für sich treffen kann. Ich denke, die meisten Menschen wissen selbst am besten, ob sie ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin werden würden.

Lehrerin
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© Tetra Images/Picture Alliance / Picture Alliance
Was verdienen eigentlich Lehrer?

Sehen Sie im Video: Von Lehrern in Deutschland wird viel erwartet: Hausaufgaben kontrollieren, Klausuren berichtigen und vor allem Wissen und Werte vermitteln. Aber was verdienen Pädagogen in Deutschland eigentlich?

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