Im Vorstellungsgespräch stehen Bewerberinnen und Bewerber vor einem Balanceakt: Natürlich wollen sie sich so präsentieren, dass sie den Job bekommen. Andererseits wollen sie sich auch möglichst teuer verkaufen. Doch wie leicht schieße ich mich mit einer zu hohen Gehaltsforderung ins Aus? Macht es einen schlechten Eindruck, wenn ich nach der Zahl der Urlaubstage frage? Und worauf achten Personaler bei der Bewerbung eigentlich besonders?
Diese Fragen hat das Stellenportal "meinestadt.de" sowohl potenziellen Bewerbern als auch den Personalverantwortlichen auf der anderen Seite des Tisches vorgelegt. In der Online-Befragung äußerten sich 2000 Fachkräfte mit Berufsausbildung sowie 250 Personen, die in unterschiedlich großen Unternehmen für die Einstellung neuer Mitarbeitender zuständig sind. Und nicht immer stimmten die Antworten der beiden Gruppen überein.
Welche Annahmen von Bewerberseite stimmen und was ist nur Mythos? Sieben Bewerbungsmythen im Check:
Mythos 1: "Wer in der Bewerbung ein zu hohes Gehalt fordert, wird automatisch aussortiert"
Eine Mehrheit von 60 Prozent der Fachkräfte vermutet, dass man sich mit einer zu hohen Gehaltsforderung die Chance auf den Job verbaut. Doch die Arbeitgeber sehen das offenbar weniger kritisch: Nur 45 Prozent stimmen der Aussage pauschal zu. Die anderen nehmen es sportlich: "Das ist Verhandlungssache", heißt es von Seiten einiger HR-Verantwortlicher. Vor allem bei gesuchten Fachkräften sei eine überhöhte Forderung kein Ausschlusskriterium. "Wenn die Qualifikation stimmt, kann man verhandeln." Ein Personaler sagt, es gebe schlicht "zu wenig Bewerbungen, um wählerisch zu sein". Weniger Spielraum gibt es hingegen, wenn die Vergütung tariflich geregelt ist.
Mythos 2: "Bewerbende müssen alle Anforderungen in einer Stellenanzeige erfüllen, sonst hat es keinen Zweck, sich zu bewerben"
Manche Stellenanzeige liest sich wie ein Arbeitgeber-Wunschkonzert. Muss man das wirklich alles mitbringen? "Solche Mitarbeiter gibt es meist nicht", vermutet einer der Befragten. Zwei von drei Fachkräften meinen daher, dass man sich auch bewerben kann, wenn man nicht alle formulierten Anforderungen erfüllt. Mit dieser Einstellung liegt man häufig richtig. Denn auch bei den Personalern nimmt nur jeder Dritte das selbst aufgestellte Anforderungsprofil komplett wörtlich. "Je nach Stelle müssen wir Kompromisse machen", sagt einer. Die ideale Person gebe es manchmal gar nicht und in viele Bereiche könne man sich gut einarbeiten. Bewerber sollten versuchen, zwischen Muss- und Kann-Qualifikationen zu unterscheiden, raten die Stellenexperten von "meinestadt.de".
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Mythos 3: "Es macht einen schlechten Eindruck, wenn Kandidat*innen im Bewerbungsgespräch nach der Anzahl der Urlaubstage fragen."
Unternehmen suchen motivierte und fleißige Leute, klar. Kann ich trotzdem im Vorstellungsgespräch das Thema Urlaub ansprechen? 38 Prozent der befragten Fachkräfte fürchten, dass dies einen schlechten Eindruck macht. Aber nur 22 Prozent der HR-Verantwortlichen stimmen dem zu. Bewerberinnen und Bewerber sollen sich ruhig umfassend informieren, so der Tenor. Die Frage nach dem Urlaub gehöre dazu, "solange es nicht die erste und einzige Frage ist", kommentiert einer.
Mythos 4: "Personaler nutzen soziale Medien, um sich noch genauer über die Bewerbenden zu informieren"
Muss ich Angst haben, dass potentielle Arbeitgeber meine Facebook- und Instagram-Profile nach peinlichen Party-Fotos durchstöbern? Die Fachkräfte sind jedenfalls auf der Hut: 73 Prozent vermuten, dass sich Personaler in sozialen Medien über Kandidaten informieren. 59 Prozent der HR-Verantwortlichen geben an, dies tatsächlich zu tun. Dabei handelt es sich laut Befragung allerdings meist um berufliche Netzwerke.
Mythos 5: "Das Anschreiben ist der wichtigste Teil der Bewerbung"
Das klassische Anschreiben halten viele der Befragten für den wichtigsten Teil der Bewerbung. Die Personaler interessieren sich dafür aber deutlich weniger. Sie schauen laut der Umfrage in allererster Linie auf den Lebenslauf. An zweiter Stelle in der Wichtigkeit folgen Zeugnisse und Zertifikate – und erst danach das Anschreiben. Ob Wert auf ein gutes Anschreiben gelegt wird, hängt auch stark von der jeweiligen Stelle ab. Die Antworten der Personaler reichen von "bei uns nicht relevant" bis zu "machen den Kandidaten besonders".
Mythos 6: "Bewerbungen, die Rechtschreib- oder Grammatikfehler enthalten, werden automatisch aussortiert"
Bloß keinen Fehler machen! Drei von vier Fachkräften fürchten, dass sie mit Rechtschreibfehlern jegliche Chancen auf den Job verspielen würden. Die Personaler sehen das etwas lockerer, aber auch von ihnen stimmt eine Mehrheit von 54 Prozent zu. Es komme auf die Anzahl der Fehler an, erklärt einer. "Einen bis zwei Fehler kann man verzeihen, mehr sollten es allerdings nicht sein." Zudem macht es einen Unterschied, um was für einen Job es geht. "In der Werkstatt ist es egal, im Büro sollte es schon passen."

Mythos 7: "Viele Jobwechsel im Laufe des Berufslebens kommen bei Personalern nicht gut an"
Gilt man als sprunghaft und unzuverlässig oder als neugierig und reich an Erfahrung? 60 Prozent der Fachkräfte vermuten, dass viele Jobwechsel eher schlecht ankommen – und 55 Prozent der Arbeitgeber bestätigen das. "Viele Jobwechsel deuten darauf hin, dass der Bewerber entweder nicht weiß, was er möchte, oder die Unternehmen unzufrieden waren", zitiert ein HR-Verantwortlicher die klassische Lesart. Andere Unternehmensvertreter halten das für "altmodisches Denken", da Jobwechsel heute viel üblicher seien als früher. Worauf sich wohl alle einigen können: "Es kommt auf die Begründung an." Wer eine bewegte Job-Historie hat, sollte das also schlüssig erklären können.