Frau Schneider, sollten wir uns überhaupt Vorsätze fürs neue Job-Jahr vornehmen? Oder lieber den Frust ersparen, dass eh wieder nichts draus geworden ist?
Wahrscheinlich ist es jedem von uns schon passiert, dass wir mit Neujahrsvorsätzen ins Jahr gestartet sind und diese dann gar nicht umgesetzt haben. Trotzdem lohnt es sich, sich fürs neue Jahr etwas vorzunehmen, auch im Job. Aus dem einfachen Grund, dass Ziele uns motivieren, als Ansporn dienen, und es auch erfüllend ist, wenn man sie erreicht.
Was ist besser als Neujahrsvorsatz geeignet: ein großes Ziel oder viele kleine schnell umsetzbare Ziele?
Das kommt darauf an, was man erreichen möchte. In der Regel würde ich empfehlen, einen großen Meilenstein zu formulieren mit kleinen umsetzbaren Kieselsteinen, die einen dorthin führen. Wenn wir uns zu viele verschiedene Ziele auf einmal vornehmen, laufen wir in der Tat Gefahr, dass wir uns nicht fokussieren können und uns verzetteln und frustriert aufgeben.
Wie komme ich denn auf einen guten beruflichen Vorsatz fürs neue Jahr? Sich mit drei Sekt intus in der Silvesternacht etwas zu überlegen, ist wahrscheinlich nicht die beste Strategie…
Gute Ziele haben eine gewisse Klarheit, sind herausfordernd und zugleich schaffbar. Das ist nichts, was einem in der Silvesternacht zufliegt. Da sollte man schon mit etwas mehr Ruhe drüber nachdenken. Wo stehe ich? Wo will ich hin? Was muss ich dafür tun? Das kann man entweder für sich selbst machen oder im Gespräch mit jemand anderem - der Führungskraft, einem Coach oder dem Partner, der Partnerin zu Hause.
Was ist die wichtigste Frage, die ich mir stellen sollte?
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Ein wichtiger Punkt, der leicht übersehen wird, ist die Frage: Warum will ich dieses Ziel überhaupt erreichen? Wer eine intrinsische Motivation hat, wird sein Ziel leichter erreichen. Wenn der Vorsatz eher extrinsisch motiviert ist, also etwa auf Erwartungen von anderen beruht, werde ich vielleicht noch nicht mal glücklich, wenn ich ihn erfolgreich umsetze.
Das müssen Sie erklären.
Im Job sind wir sehr schnell bei Statuszielen: Beförderung, mehr Gehalt, Karriere. Es gibt zum Beispiel viele Menschen, die als nächsten vermeintlich logischen Karriereschritt Führungsverantwortung anstreben. Wenn sie sich dann in dieser Rolle befinden, merken manche, dass es ihnen gar keinen Spaß macht, Menschen zu führen und dass ihnen ihre inhaltliche Arbeit als Experte fehlt.
Der Neujahrsvorsatz für den Job muss also nicht zwingend etwas mit der Karriereleiter zu tun haben?
Man kann auch mit einer anderen Brille draufgucken. Wenn ich überlege, was mich im Job glücklich macht, kommen schnell andere Ziele hoch, die vielleicht auch relevant sind. Zum Beispiel: Rollenklarheit schaffen. Wenn nicht klar ist, welche Aufgaben ich zu erfüllen habe und was von mir erwartet wird, kann das zu Stress führen. Ein Ziel könnte daher sein, klar zu definieren, was ich tun und erreichen muss, um einen guten Job zu machen – und was vielleicht nicht dazu gehört.
Was gibt es noch für sinnvolle Job-Vorsätze?
Ein Stressfaktor am Arbeitsplatz ist oft, dass Beziehungen zu Kollegen oder der Führungskraft nicht gut sind. Das lässt sich ändern. Ich könnte mir als Ziel setzen, mehr zu netzwerken und einen Kreis von beruflichen Unterstützern aufzubauen. Gerade für Frauen ist das ein interessantes Ziel. Studien zeigen, dass Frauen, die aktiv an ihrem Netzwerk arbeiten, davon bei ihrem weiteren beruflichen Werdegang sehr profitieren.
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Wie sorge ich dafür, dass ich auch wirklich an dem Ziel arbeite, das ich mir zum Jahresanfang vorgenommen habe? Auf ein Post-it schreiben und an den Bildschirm kleben, sodass ich es jeden Tag vor Augen habe?
Da haben Menschen verschiedene Präferenzen. Aufschreiben kann helfen oder mit jemandem über seine Ziele zu reden. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, sich konkrete Schritte zu überlegen, wie man vorgehen will. Wenn zum Beispiel Netzwerken ein Vorsatz für mich ist, dann könnte ich mir vornehmen: Bis zum Ende des ersten Quartals habe ich zwei digitale Konferenzen besucht. Und schon in der ersten Januarwoche organisiere ich, zu welchen Konferenzen ich gehe.
Je konkreter die Ziele, desto klarer wird mir auch ein mögliches Scheitern vor Augen geführt. Wie gehe ich mit dem Moment um, in dem ich realisiere: Das haut alles nicht hin?
Wenn man etwas nicht erreicht, was man sich vorgenommen hat, sollte man sich nicht geißeln, sondern gucken, woran es lag. Kann ich etwas anders machen? War das Ziel zu hoch gesteckt? Oder war mir der Vorsatz vielleicht doch nicht wichtig genug, um ausreichend Energie reinzustecken? Dann kann ich mein Ziel anpassen oder mir etwas anderes überlegen, was mir wichtiger ist.
Corona hat die Arbeitswelt ganz schön durcheinandergewirbelt. Sehen Sie das auch an veränderten Zielen, die sich die Menschen in Ihren Coachings setzen?
Ja, das sehen wir. Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen beschäftigt natürlich viele. Zeitmanagement ist ein großes Thema, das Verschwimmen von Arbeit und Privatleben im Homeoffice oder das atemlose Springen von einem Video-Call in den nächsten. Viele vermissen auch persönliches Feedback zu ihrer Arbeit von Kollegen und Vorgesetzten und die Kaffeegespräche auf dem Flur. Insofern sind es für manche in diesem Jahr vielleicht gar nicht die großen Karriereentwicklungsziele, sondern eher die Frage: Wie gestalte ich in dieser Corona-Welt meinen Job und sonstigen Alltag und wie komme ich da in eine gute Balance?
Ist es auch okay, sich mal gar nichts vorzunehmen fürs neue Jobjahr?
Natürlich. Die Zielsetzung muss nicht immer sein: Ich muss jetzt weiterkommen im Job. Man kann auch beschließen, dass im nächsten Jahr andere Felder für einen wichtiger sind. Familie und Freunde, Gesundheit oder persönliche Weiterentwicklung auf Feldern, die gar nichts mit unserem Job zu tun haben. Und wenn man rund um den Jahreswechsel überhaupt nicht zur Reflektion kommt, weil man so viel um die Ohren hat, kann man sich auch in den Sommerferien hinsetzen und neue Vorsätze fassen.