Betriebsrat und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollten sich am Montag in Kassel auf eine gemeinsame Strategie für die Gespräche mit der Konzern-Leitung an diesem Dienstag in Frankfurt/M. festlegen. Außerdem geht es um die Themen Standortsicherung und den Erhalt der Tarifverträge im Einzelhandel. "Wir wollen erreichen, dass die Arbeitsplätze, Standorte und Einkommen gesichert werden", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold. "Über Zugeständnisse reden wir erst, wenn die Karstadt-Führung erklärt, inwiefern sie bereit ist, Arbeitsplätze und Standorte zu sichern". Die Arbeitnehmer wehren sich dagegen, dass 77 kleinere Warenhaus-Filialen von insgesamt 181 Häusern ausgegliedert und verkauft werden sollen. Auf dem Spiel stehen insgesamt 30.000 von 100.000 Arbeitsplätzen bei KarstadtQuelle.
Verdi: Auch Management muss Opfer bringen
Deshalb fordert der Gesamtbetriebsrat von der Unternehmensleitung Zugeständnisse. "Die sollen ein Konzept auf den Tisch legen, über das man reden kann", sagte Gesamtbetriebsratsmitglied Heinrich Gigler am Montag in Kassel. Bisher habe es lediglich unstimmige Forderungen der Firmenleitung gegeben. Schon 2006 wolle Karstadt wieder schwarze Zahlen schreiben, während die Arbeitnehmer für eine viel längere Zeit Opfer bringen sollten.
Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend (SPD), forderte vom KarstadtQuelle-Vorstand, auf die Belegschaft zuzugehen. "Wir sitzen in einem Boot" - dieses Signal müsse deutlicher kommen, als das bisher geschehen sei, sagte Wend am Montag im DeutschlandRadio Berlin. Außerdem müsse auch das Management bereit sein, mindestens im gleichen Umfang Beiträge zu leisten zur Sanierung des Unternehmens wie die Beschäftigten.
Drohung: Wenn Streik, dann Insolvenz
Während also Arbeitnehmer und Politiker auf einen Konsens setzen, um den Kaufhaus-Konzern wieder flott zu machen, lassen die Wortmeldungen der Arbeitgeberseite auf herbe Uneinigkeit schließen: Versucht Karstadt-Chef Achenbach noch den Ball flach zu halten und will Lösungen gemeinsam mit seinen Mitarbeitern finden, stellte sein Aufsichtsrat den Angestellten die Rute ins Fenster. So warnten schon Politiker von SPD und Union vor einer Eskalation des Konflikts. Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Hermann-Josef Arentz, sagte der "Bild"-Zeitung (Montag), die Drohungen des Karstadt-Aufsichtsrats, bei Streik Insolvenz zu beantragen, seien nicht hinnehmbar. "Ich warne die Arbeitgeber, weiter Öl ins Feuer zu gießen und die Beschäftigten zu erpressen", sagte Arentz.
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt in seiner jüngsten Ausgabe zur Frage, dass die Gewerkschaft Verdi gar auf Streik setzen könnte: "'Dann wäre Schluss', heißt es düster aus dem Aufsichtsrat."
Achenbach räumte Management-Fehler ein
Der neue Vorstandschef von KarstadtQuelle, Christoph Achenbach, räumte unterdessen Management-Fehler ein. "Wir haben eine Reihe von Fehlern gemacht, aber es ist nicht hilfreich, nach hinten zu gucken, wenn man über Lösungen nach vorne nachdenkt", sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Eine pauschale Kritik am Management ließ Achenbach aber nicht gelten und forderte eine Unterscheidung zwischen den Bereichen der Warenhäuser und dem Versandhandel: Im Versandhandel habe das Unternehmen bereits in den vergangenen Jahren "stark internationalisiert und spezialisiert". Achenbach kündigte bei Christiansen an, "das Thema E-Commerce noch schneller ausbauen" zu wollen.
Anders beurteilte Achenbach die Situation bei den Warenhäusern. Die schlechten Zahlen seien "schon länger zu sehen gewesen". Er warf er seinen Vorgängern im Amt vor, dass sie "einfach nicht den Mut hatten zu reagieren, weil der Druck von außen auch extrem groß ist, Warenhäuser da zu lassen, wo sie heute sind, sich nicht von den Flächen zu trennen. Da hat man einfach ein bisschen Angst gehabt, die harte Aktion zu fahren."
Warenhäuser bekommen dreijährige Schonfrist
Ebenso versicherte Achenbach, dass in den nächsten drei Jahren keines der 77 vor dem Verkauf stehenden Warenhäuser geschlossen werden soll. Das Unternehmen könnte nur mit Unterstützung der Mitarbeiter aus der Krise geführt werden. "Wir können nicht investieren, weil wir klamm sind. Wir brauchen aber mehr Service, mehr Beratung, Qualität auf der Fläche." Das Management sei darauf angewiesen, dass die Mitarbeiter "bereit sind, mehr zu arbeiten für gleiches Geld", sagte er am Sonntagabend.
Eine Mitverantwortung für die schlechte Lage des Konzerns sieht Franziksa Wiethold auch bei Banken und Anteilseignern. Auf deren Druck habe sich Karstadt von einem Handels- zu einem Dienstleistungsunternehmen entwickelt. Der Konzern habe sich verzettelt, sagte Wiethold bei "Christiansen".
KarstadtQuelle: Derzeit keine Insolvenzgefahr
Nach eigenen Angaben sieht der Warenhauskonzern keine unmittelbare Insolvenzgefahr. Damit die Banken und Anteilseigner aber weitere Mittel zur Verfügung stellen, sei ein Beitrag der Arbeitnehmer "absolut erforderlich", sagte am Montag der Leiter der Investor-Relations-Abteilung des Konzerns, Detlef Neveling.
"Wir sehen die Gefahr einer Insolvenz derzeit nicht, da wir bezüglich der Finanzierung konstruktive Gespräche mit den Banken führen und gleichzeitig mit den Anteilseignern konstruktiv über die noch in diesem Jahr geplante Kapitalerhöhung sprechen", sagte Neveling zu Reuters. Damit diese Gespräche jedoch erfolgreich verliefen, sei ein Beitrag der Arbeitnehmer dringend nötig. Eine erfolgreiche Verständigung mit dem Gesamtbetriebsrat müsse in drei bis vier Wochen erreicht sein, unterstrich Neveling. Kurz zuvor hatte der Gesamtbetriebsratschef erklärt, um eine Insolvenz abzuwenden, sei Kompromissbereitschaft bei den Arbeitnehmern erforderlich.