Essen für die Tonne Unnötig, teuer, schlecht fürs Klima: US-Region kämpft clever gegen Lebensmittelverschwendung an

Eine Frau wirft ein Stück Pizza im Müll
Lebensmittelverschwendung: Wenn die Pizza in der Tonne landet
© photothek / Imago Images
Allein in Deutschland werden jedes Jahr circa elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entsorgt. Das ist unnötig, teuer und schlecht fürs Klima – und auch in anderen Ländern ein Problem. Ein US-Staat hat Wege gefunden, erfolgreich gegen Lebensmittelverschwendung vorzugehen. 

Wer schon einmal in einem US-amerikanischen Supermarkt stand, der fühlte sich womöglich klein und etwas verloren inmitten der langen Reihen und großen Packungen. Groß sind auch die Mengen an Lebensmitteln, die in den USA weggeworfen werden. 103 Millionen Tonnen Lebensmittel landen hier jedes Jahr im Müll. Das Problem ist erkannt. Staaten und Städte haben es auf ihre Agenda gesetzt. Und es bringt Experten auf den Plan, die sich mit den Folgen fürs Klima beschäftigen. Denn auch die sind groß. Lebensmittelverschwendung verursache in den USA doppelt so viele Treibhausgasemissionen wie die kommerzielle Luftfahrt, schreibt die "New York Times". Manche Experten würden deshalb die Reduktion von Lebensmittelabfällen als eine der besten Lösungen sehen, um den Klimawandel zu bekämpfen. 

Eine wesentliche Rolle spielt dabei jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger. 39 Prozent der Lebensmittelabfälle in den USA kommen aus privaten Haushalten. Das ist ein größerer Anteil als der aus Restaurants oder Supermärkten. Eine Region im Bundesstaat Ohio hat es geschafft, das Thema auf den Radar ihrer Einwohner zu bringen: mit Überzeugungsarbeit. 

Lebensmittelverschwendung geht ins Geld – damit lässt sich arbeiten

Die "New York Times" erzählt die Erfolgsgeschichte der Solid Waste Authority of Central Ohio, kurz Swaco, die zuständig ist für feste Abfälle in der Region. Während sie nicht die einzige Behörde im Land sei, die Menschen dazu bringen will, weniger Essen wegzuwerfen, sei sie eine der wenigen, die den Erfolg ihrer Sensibilisierungskampagne gemessen hat. Deren Hauptziel: Die Menschen sollten weniger Lebensmittel kaufen. Die Produktion und der Transport von Lebensmitteln, die nie gegessen werden, machen einen großen Teil des CO2-Fußabdrucks bei der Lebensmittelverschwendung aus. 

Die Behörde setzte bei ihrer Kampagne auf Beiträge in den sozialen Medien, auf Newsletter und Postkarten. Und auf die Botschaft, dass es gut sei, weniger zu kaufen und dadurch weniger wegzuwerfen. Das gelinge am besten über den Geldbeutel, wird die ehemalige Leiterin der Behörde zitiert. Die Kampagne habe daher die Kosten betont, wie die "New York Times" berichtet und listet auf: 1500 Dollar, die eine Durchschnittsfamilie in Central Ohio jedes Jahr für Lebensmittel ausgibt, die sie nicht isst. 22 Millionen Gallonen Benzin, die jährlich für den Transport von Lebensmitteln verbraucht werden, die am Ende weggeworfen werden. Lebensmittelverschwendung geht ins Geld. Damit lässt sich arbeiten.

Die Behörde lieferte auch Tipps: mit einer Liste einkaufen, Essenspläne erstellen, Reste einfrieren. Eine Umfrage bei Einwohnern nach drei Monaten zeigte: Sie warfen 23 Prozent weniger Essen weg als zuvor. Das Beispiel aus einer Region lässt sich nicht automatisch auf andere übertragen. Doch ähnliche Kampagnen aus Kanada und Großbritannien zeigen, dass sich auch dort die Lebensmittelverschwendung reduzierte. 

Lebensmittelverschwendung ist auch in Deutschland ein Problem

Die USA mit ihrer Liebe zum Fast Food, die Deutschen mit ihrer Brotkultur sind gängige Klischees. Und der Finger wird hierzulande gerne mal in Richtung Übersee gehoben, wenn es darum geht, Beispiele für schlechte Ernährung und Verschwendung zu finden. Dabei ist Deutschland keineswegs Musterschüler, wie allein diese Zahl zeigt: Circa elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle werden in Deutschland jedes Jahr laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft entsorgt. Teils sind es ungenießbare Lebensmittel, teils noch essbare. 

Studien zufolge machen 35 Prozent der vermeidbaren Lebensmittelabfälle frisches Obst und Gemüse aus, 13 Prozent Brot und Backwaren, gefolgt von Getränken mit 11 Prozent und Milchprodukten mit 9 Prozent. Während der Andrang an den Essensausgaben der Tafeln hierzulande zunimmt, landen andernorts tonnenweise Nahrungsmittel im Müll. Das wirft Verteilungsfragen auf, ist unnötig und schlecht fürs Klima

Auch hierzulande ist das Thema ein politisches und war insbesondere in den vergangenen Wochen Teil von Debatten – auf unterschiedliche Art und Weise. 

Verbraucherzentrale: "Vertrauen Sie den eigenen Sinnen!"

Da wäre zum einen das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln. Seit diesem Jahr ist Peter Hauk aus Baden-Württemberg Vorsitzender der Verbraucherschutzministerkonferenz. Er findet, das Mindesthaltbarkeitsdatum in seiner bestehenden Form müsse abgeschafft werden. "Denn es ist noch immer ein Grund dafür, dass zu viele Lebensmittel weggeschmissen werden", zitiert ihn die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Hauk sprach demnach von einer "geeigneteren Be­zeichnung", beispielsweise einem "Qualität garantiert bis". Der Begriff Mindesthaltbarkeitsdatum rufe die Assoziation hervor, dass Lebensmittel nach Ablauf un­genießbar seien. 

Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass ein Produkt auch häufig nach dem "abgelaufenen MHD" (Mindesthaltbarkeitsdatum) noch zu genießen und nicht automatisch verdorben sei, wenn die original verschlossene Verpackung richtig gelagert wurde. Hinzu komme, dass manche Hersteller das Mindesthaltbarkeitsdatum frühzeitig festlegen, um auf Nummer sicher zu gehen: "Wenn das MHD des Joghurts aus dem Kühlschrank abgelaufen ist, heißt das also noch lange nicht, dass das Milchprodukt schlecht ist und nicht mehr gegessen werden kann." Ob Produkte noch genießbar sind oder nicht, lasse sich mit den eigenen Sinnen überprüfen: "Sehen, Riechen und Schmecken – vertrauen Sie den eigenen Sinnen!"

Containern ist politisch 

Eine weitere aktuelle Debatte beschäftigt sich mit dem Containern. Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wollen dafür sorgen, dass niemand mehr dafür bestraft wird, dass er noch genießbare Lebensmittel aus Abfallcontainern holt. Eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ist allerdings vorerst nicht geplant. Vielmehr werben die beiden Bundesminister in einem gemeinsamen Schreiben an die Justizminister und -senatoren der Länder dafür, einen Vorschlag des Landes Hamburg von 2021 zu unterstützen. Mehrere Länder signalisierten zumindest Gesprächsbereitschaft.

Der Vorschlag zusammengefasst: Wer über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer des Supermarktes zu gelangen und Lebensmittel mitnimmt, soll dafür nicht wegen Diebstahls belangt werden. Wer auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste dagegen weiterhin mit einer Strafe rechnen.

Wie in Kampagnen anderer Länder spielen Überzeugungsarbeit, Aufklärung und Tipps auch in Deutschland eine Rolle. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft setzt sich mit seiner Informationsinitiative "Zu gut für die Tonne!" gegen Lebensmittelverschwendung ein. Reste-Rezepte und Tipps, wie Obst und Gemüse länger frisch bleiben, gehören dazu. 

Gewohnheiten zu ändern, fällt Menschen in der Regel allerdings ziemlich schwer. In Central Ohio ist deshalb ein bedeutender Teil der Kampagne die ganz junge Zielgruppe: Grundschüler, Sechs- und Siebenjährige. Damit die später gar nicht erst damit anfangen, Lebensmittel zu verschwenden. 

PRODUKTE & TIPPS